Ohne Schmuck und Make-up – kein Asyl für schwulen Tadschiken
Pro Asyl unterstützt das Klageverfahren beim Verwaltungsgericht
Ein 22-Jähriger stellt in Deutschland einen Antrag auf Asyl, weil er in seiner Heimat Tadschikistan als schwuler Mann verfolgt wird. Sein Antrag wird mit einer absurden Begründung abgelehnt. Pro Asyl unterstützt das Klageverfahren beim Verwaltungsgericht.
Wie die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl mitteilt, habe man 2018 tausende Beratungsgespräche geführt, rund 400 Flüchtlingen stand man mit Mitteln aus dem Rechtshilfefonds zur Seite. Einer von ihnen: Mamurjon Diyarow (Name geändert) aus Tadschikistan.
Mamurjon ist 16 Jahre alt, als er seiner Familie erzählt, dass er schwul ist. Seine Angehörigen wenden sich daraufhin von ihm ab, für sie ist er «kein Mensch mehr» – einzig seine Mutter spricht noch mit ihm. Zeitweise lebt der Jugendliche nun schutzlos auf der Strasse.
Auf offener Straße zusammengeschlagen In den Folgejahren ist Mamurjon einer andauernden Reihe von Gewalttaten und Demütigungen, wird auf offener Straße angegriffen und zusammengeschlagen. Beamte des korrupten Staates drangsalieren ihn, verletzen ihn mit Stichwaffen und sperren ihn ein. Immer wieder wird er erpresst und muss zahlen, um einer weiteren Verfolgung seitens der Behörden zu entgehen oder um sich aus der Haft freizukaufen.
Meine Hände waren nach hinten gefesselt und sie haben mit dem Stock auf meine Beine geschlagen
Trotz alledem lässt sich Mamurjon Diyarow nicht einschüchtern. Nach einem erneuten Überfall durch angebliche Sicherheitskräfte geht er zur Polizei. Er will Anzeige erstatten. Doch auf der Polizeistation setzt sich der Schrecken für ihn fort: Die Beamten fesseln ihn und traktieren ihn mit Schlagstöcken und Elektroschockern. Als er sich weigert, Geld an seine Peiniger zu zahlen, wird er in eine psychiatrische Klinik verschleppt. Tatsächlich handelt es sich um ein Polizeigefängnis, in dem Menschen widerrechtlich eingesperrt werden.
Tabletten gegen Homosexualität Mehrere Wochen wird der junge Mann dort gewaltsam festgehalten. Man zwingt ihn, «Tabletten gegen Homosexualität» einzunehmen. Erneut wird er zusammengeschlagen und schwer drangsaliert. Schließlich – nach 45 Tagen – lässt man ihn frei. Aus Angst vor weiteren Übergriffen flieht Mamurjon Diyarow schliesslich aus Tadschikistan. Der Staat mit seinen 8,5 Millionen mehrheitlich muslimischen Einwohnern ist einer der repressivsten Staaten der Welt – und diese Entwicklung schreitet weiter fort: Seit Herbst 2017 werden Homosexuelle dort offiziell behördlich registriert.
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Am 9. September 2017 erreicht der 22-Jährige Deutschland und stellt einen Antrag auf Asyl. Zwei Monate später findet die Anhörung statt. Er berichtet von der Verfolgung, die er im Laufe der Jahre erleiden musste: Übergriffe auf offener Straße, Erpressungen und Folter durch Staatsbeamte und Polizei. Er erzählt von einem Leben voller Gewalt, Demütigung und Angst – und der fehlenden Möglichkeit, irgendwo in seinem Land Schutz zu finden.
Obwohl es auf der Hand liege, so Pro Asyl, dass Mamurjon aufgrund seiner sexuellen Orientierung verfolgt wurde, lehnt das Bundesamt seinen Asylantrag im Februar 2018 als «offensichtlich unbegründet« ab. Zugleich wird die Abschiebung nach Tadschikistan angedroht.
Bei BAMF-Anhörung zu unauffällig gekleidet Die Argumentation sei so erschreckend wie irritierend, schreibt Pro Asyl auf seiner Homepage: «Der Entscheider des Bundesamtes hält in seiner Ablehnung ausdrücklich fest, dass der junge Mann bei seiner Anhörung unauffällig gekleidet gewesen sei. Er habe keinen Schmuck getragen und sei darüber hinaus auch nicht geschminkt gewesen. Auf Nachfrage habe er dann geantwortet, er wolle nicht, dass die anderen in der Flüchtlingsunterkunft entdecken, dass er homosexuell sei. Damit scheint für den Entscheider klar: Wer sich so normal verhält, kann in Wirklichkeit doch nicht schwul sein.»
Fazit: «Der Antragssteller werde den Anforderungen an einen glaubhaften Sachvortrag nicht gerecht.»
Absurde Verfahren in Österreich – kein Schwulenporno, kein Asyl!
Nun unterstützt Pro Asyl das Klageverfahren Mamurjon Diyarows beim Verwaltungsgericht. Bei der Beratungsstelle für homosexuelle Migranten und Flüchtlinge der AIDS-Hilfe findet er vor Ort auch emotionale Hilfe und Begleitung.
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