Schwules Teddy-Paradies mit Hakenkreuz und Phalli beschmiert
Das Frankfurter Traditionsgeschäft am Römerberg wurde Opfer eines homophoben Angriffs
Michael Gliessner und Ehemann Volker betreiben seit 1998 das Teddy-Paradies in Frankfurt a. M.. Seit Mittwochmorgen bedecken ein Hakenkreuz und zwei Phallussymbole die Scheiben des Ladens. Auch der Regenbogenaufkleber neben der Eingangstür wurde mit Farbe besprüht. Gliessner: «Das war ganz klar ein homophober Angriff!»
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete als Erste über den Vorfall, zu dem nun die Polizei wegen Sachbeschädigung und Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole ermittelt. Wegen des grossen Hakenkreuzes an der Ladenfront handle es sich «um eine politisch motivierte Tat», heisst es. Weswegen der Staatsschutz hinzugezogen wurde.
Das Spielzeuggeschäft ist eine Frankfurter Institution und bietet, nach eigener Angabe, die grösste Auswahl an Plüschbären in Europa. Sogar Queen Elizabeth II. bekam bei ihrem Staatsbesuch 2015 einen «Äppelwoi-Teddy» als dem Laden von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) überreicht. 2019 besuchte die spanische Königin Sofia einen Stand des Teddy-Paradieses am Weihnachtsmarkt.
Es handelt sich nicht um ein Fetischgeschäft für Menschen aus der Bärenszene, aber der «bekennend homosexuelle» Michael Gliessner (wie’s die FAZ formuliert) und sein Ehemann gehen im Geschäft vollkommen unkompliziert mit LGBTIQ-Elementen zwischen all dem Spielzeug für jung und alt um. Das kann dem geschulten Auge auffallen, muss es aber nicht. In den Social-Media-Aktivitäten des Ladens wird allen Teilnehmenden des Frankfurter CSD regelmässig «ein sonniger Regenbogentag» gewünscht, so zuletzt im Sommer 2021.
«Ich fühle mich hilflos» Die Regenbogen-Elemente haben schon einmal einen Angriff provoziert. Bereits vor sechs Jahren habe jemand seinen Laden mit homophoben Symbolen beschmiert, erzählt Gliessner der FAZ. «Ich fühle mich hilflos», sagt Gliessner, der das Gefühl habe, in jüngster Zeit breiteten sich homophobe Gefühle in der Gesellschaft wieder aus. Er sei besorgt, dass der generelle Trend zur Toleranz wieder rückläufig werden könne. (MANNSCHAFT berichtete darüber, wie Anfang Januar das Grab von Ella Nik Bayan in Berlin transphob geschändet wurde.)
Gliessner hat das Gefühl, in jüngster Zeit breiten sich homophobe Gefühle in der Gesellschaft wieder aus
Offen schwul zu sein, mache Gliessner keine Angst, sagt er. Aber die Dummheit, die er hinter der aktuellen Attacke vermutet, mache ihn wütend. Auch die Tatsache, dass er sich nun in finanziell angespannten Zeiten um die Reinigung der Ladenfront kümmern müsse. Beim letzten Mal habe die Stadt Frankfurt die Kosten übernommen, darauf hoffe er nun wieder.
Denn das Teddy-Paradies wurde von der Corona-Krise nicht verschont. Während der Pandemie gingen die Verkaufszahlen um etwa die Hälfte zurück, heisst es in der FAZ. In einem Kurzvideo vom Dezember 2020 hatte Gliessner sogar erkärt, dass der Laden an manchen Tagen gar keinen Umsatz mehr mache, der BILD-Zeitung verriet er, dass es an anderen Tagen nur 7,95 Euro Umsatz waren – und dies bei 9.000 Euro Monatsmiete für den Laden. (Während der Pandemie nahm die Gewalt gegen LGBTIQ zu, MANNSCHAFT berichtete.)
Gliessner und Ehemann hatten schon Ende 2020 ihre Rücklagen angreifen müssen, die eigentlich als Altersvorsorge gedacht waren. Auch für die drei Angestellten und den Auszubildenden Max sei die Lage mit Kurzarbeit schwierig.
«Ein Teddy steht für Liebe und Freundschaft» Den Angriff auf sein Geschäft kann Gliessner nach FAZ-Angaben nicht verstehen: «Das ist total absurd, wenn man mal darüber nachdenkt, wofür so ein Teddy steht. Das hat was mit Liebe und Freundschaft zu tun.»
Doch genau diese Mischung von Liebe und Freundschaft mit einer LGBTIQ-Botschaft – egal wie subtil – könnte den Zorn der Angreifer ausgelöst haben. Dennoch sagt Gliessner: «Von den Schmiererein lasse ich mich nicht abschrecken.» (MANNSCHAFT berichtete über die Initiative von Berlins Ex-Innensenator Geisel auf der Innenministerkonferenz Anfang Dezember, LGBTIQ-feindliche Gewalt entschlossener zu bekämpfen.)
Von den Schmiererein lasse ich mich nicht abschrecken
Er werde nicht anfangen, die Regenbogenflagge zu verstecken, die am Eingang zum Laden als Aufkleber neben der Tür zu finden ist.
Der Laden ist wieder regulär geöffnet, das Phallussymbol neben der Eingangstür verdeckt Gliessner einfach mit einem mannshohen Teddybär im Nikolaus-Kostüm, schreibt die FAZ, die ein entsprechendes Bild zum Aufmacherfoto ihres Artikels machte. (MANNSCHAFT berichtete über Illustrator Lukasz Majcher, der sich mit dem Comic «Power Bear» einen Kindheitstraum erfüllte.)
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