Schweiz: Mehr LGBTIQ-Diskriminierung als im EU-Durchschnitt
Die Ergebnisse einer neuen Studie liegen vor
In der Schweiz erleben LGBTIQ-Personen häufiger Gewalt und Diskriminierung als in anderen europäischen Ländern. Eine ablehnende Haltung gegenüber queeren Menschen haben eher Männer, religiöse und ältere Menschen.
Am 20. November präsentierten Queeramnesty und mehrere LGBTIQ-Dachverbände die Ergebnisse einer neuen Studie, die das Ausmass der Diskriminierung von queeren Menschen in der Schweiz beleuchtet. Die Untersuchung wurde vom Forschungsinstitut GFS Bern im Auftrag der beteiligten Organisationen durchgeführt.
So hätten 55 % der Befragten ein Problem damit, eine Bar zu besuchen, die vor allem von schwulen Männern frequentiert wird. 49 % stören sich, wenn sich zwei Männer auf der Strasse küssen, und 51 % hätten Schwierigkeiten, wenn sich ein nahes Familienmitglied als trans outen würde. Hingegen sprachen sich 92% dafür aus, dass es ein Menschenrecht sei, die eigene sexuelle Orientierung leben zu dürfen. Über diese Diskrepanz sagte Studienleiterin Chloé Jans gegenüber der Tagesschau: «Es ist viel einfacher, Grundwerte zu akzeptieren. Wenn es um die effektive Bereitschaft geht, diesen Menschen einen Platz im Alltag einzuräumen, dann nimmt diese Akzeptanz ab.»
Die repräsentative Untersuchung legt dar, dass die Schweizer Gesellschaft grundsätzlich positiv gegenüber der LGBTIQ-Community eingestellt ist. In den einzelnen Bevölkerungsgruppen gibt es jedoch Unterschiede: «Männer stören sich viel eher daran, wenn unterschiedliche sexuelle Lebensformen oder Geschlechtsidentitäten im Alltag sichtbar sind», sagt Jans. »Auch Menschen, die älter oder religiös sind, stören sich an LGBTIQ-Themen.» Bei trans und intergeschlechtlichen Menschen sinkt die Akzeptanz deutlich und Vorurteile sowie Intoleranz nehmen zu.
Die Befragung der LGBTIQ-Community stützt sich auf eine Referenzerhebung in der EU und ermöglicht erstmals den Vergleich der Schweiz mit anderen europäischen Staaten. Markant ist: Queere Personen in der Schweiz berichten häufiger von Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen als Befragte in der EU. «Schockierend ist, dass etwa jede dritte Person in den letzten fünf Jahren körperliche oder sexuelle Übergriffe erlebt hat – die meisten dieser Vorfälle werden jedoch nie gemeldet, die Dunkelziffer ist hoch», erklärte Marc Schmid von Queeramnesty.
Eine Diskrepanz gibt es auch hier: «Sympathien und Verständnis hegt die Bevölkerung mehrheitlich bei schwulen, lesbischen und bisexuellen Personen», so Jans von GFS Bern.« Bei trans oder intergeschlechtlichen Menschen sinkt das Verständnis. Vorurteile und geringere Sympathien sind hier klar stärker ausgeprägt.»
Die Organisationen fordern nun konkrete Massnahmen von Politik und Behörden, um Gewalt und Diskriminierung zu bekämpfen. Dazu gehören unter anderem die Erweiterung der Diskriminierungsstrafnorm auf trans und intergeschlechtliche Menschen, die Umsetzung eines nationalen Aktionsplans gegen queerfeindliche Hassverbrechen sowie der Aufbau von Anlaufstellen für Betroffene. «Wir fordern, dass Behörden und Gesellschaft ein klares Zeichen setzen, dass Gewalt und Diskriminierung nicht länger toleriert wird», erklärte Frédéric Mader vom Transgender Network Switzerland.
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