Roh und ergreifend, aber optimistisch: «TIN stories»

Wir empfehlen: 14 Erzählungen und zwei Romane

Symbolbild: Delia Giandeini/Unsplash
Symbolbild: Delia Giandeini/Unsplash

17 Autor*innen beleuchten die Geschichte von trans, inter und nicht-binären Menschen seit 1900 – und weitere Leseempfehlungen!

Der Sammelband «tin*stories» bietet Erzählungen, die empowern, berühren und zum Nachdenken anregen.

Der erste Satz Wir haben keine Geschichte.

Das Genre Eine Spurensuche in 14 Beiträgen.

Die Handlung 17 Autor*innen führen durch einen Teil der Geschichte von trans, inter und nicht-binären Menschen von 1900 bis heute. Unter anderem gehen wir dabei den Erfahrungen von Liddy Bacroff nach, die als trans Frau und Sexarbeiterin während des Nationalsozialismus verfolgt wurde. Oder Karl M. Baer, der sein Leben als inter Person in einem Roman niederschrieb.

Das Urteil Die tin*stories leisten meiner Meinung nach einen wichtigen und spannenden Einblick in die Leben von trans, inter und nicht-binären Personen der Vergangenheit. Die Erfahrungen und Dokumentationen zu lesen fällt einem in Anblick der oft grausamen Ungerechtigkeit nicht immer leicht, auch wenn einige der Autor*innen einen optimistischen Blick in die Zukunft wagen. Während manche Texte roh, aktivistisch und ergreifend sind, blicken andere wiederum mit einer akademischen Distanz auf das Geschehene und widmen sich auch den Begrifflichkeiten, die wir für trans, inter und nicht-binäre Personen aus der Geschichte verwenden. Die queerfeindlichen Aussagen von wegen «Trendthema» sollten nach dieser Lektüre allemal Geschichte sein.



Sammelband, edition assemblage, 192 Seiten. Herausgegeben von Joy Reißner und Orlando Meier-Brix. Milena Leutert vom Buchladen Queerbooks hat «tin*stories» für dich gelesen.

Douglas Stuart – «Young Mungo»

Der Bookerpreisträger Douglas Stuart erzählt von der Liebe zweier Jungen in einer von Gewalt geprägten homophoben Welt. Demnächst als Serie zum Streamen (MANNSCHAFT berichtete)

Für die hypermaskuline Welt der Arbeiterviertel im Glasgow der Neunziger ist Mungo zu hübsch und zu sanft. Sein Bruder Hamish, gefürchteter Bandenführer, will ihn zum Mann machen und schleift ihn zu den brutalen Kämpfen zwischen Protestanten und Katholiken. Dann trifft Mungo auf James und mit ihm kann er sein, wie er ist. Die Liebe, die zwischen den Jungen wächst, ist lebensgefährlich – und zugleich ihre Rettung.

Das Urteil Wir lieben dieses Buch, seinen Sog und Sozialrealismus, seine Sprache und Spannung, und die Figuren erst recht. Kann Stuart den Erfolg seines Erstlings «Shuggie Bain», der ein Weltbestseller wurde (MANNSCHAFT berichtete), toppen? Mit dem glühenden, düsteren und emotional fesselnden «Young Mungo» sehr, sehr gut möglich. (Roman, 414 Seiten, Hanser Berlin)

Zain Khalid – «Bruder»

Über der Moschee auf Staten Island wachsen drei Adoptivbrüder auf, die unterschiedlicher nicht sein können. Dayo stammt aus Nigeria und Iseul aus Korea. Nur Youssef weiss nichts von seiner Herkunft. Er sucht die Nähe ihres Adoptivvaters Salim, doch der charismatische Mann steckt voller Rätsel. Während die Brüder in die Glitzerwelt Manhattans eintauchen, hält Salim anti­westliche Reden in der Moschee. Avancen von Frauen weist der gutaussehende Mann stets zurück, nur um nachts aus dem Haus zu schleichen. Als er nach Saudi-Arabien aufbricht, folgen Youssef und seine Brüder ihm und begeben sich auf einen Weg der Erkenntnis wie der Verstörung.

Das Urteil «Bruder» dreht sich um Religion und Kapitalismus, um Väter und Söhne und um Rache. Zain Khalids Debütroman ist philosophisch und intellektuell anspruchsvoll mit der einen oder anderen überraschenden Wendung. Wundervoll ausgearbeitete Charaktere und ein ergreifender Schicksalsstrang vermitteln einen Einblick in eine islamisch geprägte Utopie. (Roman, 464 Seiten, Kjona)

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