«Mein Selbstvertrauen hing davon ab, beschwipst zu sein»

«Queer and sober» – wie geht das?

Drogen und Alkohol findet Schauspieler Dominic Hartmann völlig in Ordnung, bloss ihm haben sie nicht gut getan (Bild: Raffi p.n. Falchi)
Drogen und Alkohol findet Schauspieler Dominic Hartmann völlig in Ordnung, bloss ihm haben sie nicht gut getan (Bild: Raffi p.n. Falchi)

Wie schwer ist es, als queerer Mensch nüchtern zu leben? Darüber haben wir mit Schauspieler Dominic Hartmann und Dragqueen Klamydia von Karma gesprochen: in einer Bar übrigens. Aus ihren Kehlen sprudelte Tiefgang heraus. Über den Wunsch dazuzugehören, über grenzenlose Toleranz, tolerierte Grenzen und schambefreiten Spass. Bis am Ende das Bier kam.

In Zürich stürmt es auf die Art, die Regenschirme umknickt und kleine, fiese Tropfen ins Gesicht peitscht. Doch sobald sich die Tür zur Bar «Gleis» öffnet, trocknet das zerzauste Gemüt unter dem warmen Lächeln des Tresenpersonals. In der Mitte des Lokals an einem Holztisch unter hochhängenden Sonnenschirmen stecken zwei die Köpfe zusammen: der Schauspieler Dominic Hartmann und die Dragqueen Klamydia von Karma.

Dominic gründete die Gruppe «Queer and Sober» Schweiz – Klamydia ist deren Botschafterin. Als die beiden zur Begrüssung aufstehen, ragt Dominic 1,98 Meter in die Höhe und Klamydia strahlt mit ihrem Glitzer-Make-up wie ein Stern. Auf dem Tisch stehen drei Gläser und eine Karaffe voll Wasser.

Klamydia, du bist seit einem Jahr in der Schweiz und hast hier bereits zwei Drag-Kronen eingeheimst. Tagsüber erforschst du als Doktor*in die Evolution der Pflanzen. Zuvor warst du fünf Jahre in Schweden und in Frankreich bist du geboren. Brauchst du einen nüchternen Verstand, um dir so eine Biografie zu erarbeiten? Klamydia: Ich habe noch nie getrunken. Ich wurde nüchtern geboren.

Wir alle werden nüchtern geboren, aber die meisten von uns bleiben es nicht. Klamydia: Ich weiss nicht, wie es ist, nicht nüchtern zu sein, aber als Drag bin ich im Nachtleben umgeben von Alkohol und Leuten, die mich fragen, ob ich was trinken möchte. Die Nacht erlebe ich sozusagen von der anderen Seite, der nüchternen.

Wie gehst du damit um, dass die Leute um dich herum im Club betrunken sind? Klamydia: Ich habe weder schlechte noch gute Gefühle dabei. Ich verstehe, dass die Leute feiern wollen, eine schöne Zeit haben.

Zu bestimmten Zeiten kann eine Party überwältigend sein, oder? Klamydia: Ja, weil es lauter und dunkler wird. Es gibt viele Reize. Wenn man betrunken oder high ist, kann man diese Stimuli besser ertragen, weil man betäubt ist. Wenn es mir zu viel wird, ziehe ich mich in einen ruhigen Raum zurück, wo ich mit Leuten reden kann, und gehe dann wieder auf die Party. Aber irgendwann sind meine sozialen Batterien leer und es wird schwierig für mich, neben Leuten zu bleiben, die ich nicht kenne und die Substanzen konsumiert haben. Deshalb verlasse ich die Party meist als Erste.

Draussen hängen Regentropfen an den Scheiben, drinnen ruht das Wasser in der Karaffe der «Gleis»-Bar und dazwischen ein Gespräch über das Nüchternsein (Bild: Raffi p.n. Falchi)
Draussen hängen Regentropfen an den Scheiben, drinnen ruht das Wasser in der Karaffe der «Gleis»-Bar und dazwischen ein Gespräch über das Nüchternsein (Bild: Raffi p.n. Falchi)

Dominic, wie hat sich dein Leben seit deiner Abstinenz verändert? Dominic: Zunächst möchte ich klarstellen, dass es völlig in Ordnung ist, Drogen zu nehmen oder Alkohol zu trinken. Ein Therapeut hat mir einmal gesagt: «Jeder Mensch hat ein Recht auf Rausch», und dem ich stimme vollkommen zu. «Queer and Sober» zielt nicht darauf ab, sich selbst zu optimieren, und ist nicht kapitalistisch ausgerichtet. Für mich ist es wichtig anzuerkennen, dass Drogen gute als auch schlechte Seiten haben. Für mich war der Missbrauch jedoch eher eine negative Erfahrung, die mit meiner mentalen Verfassung zusammenhängt.

Dominic Hartmann
Dominic Hartmann

Dominic Hartmann

Theaterschauspieler und «Queer and Sober»-Gründer: Dominic Hartmann, 1992 in der Schweiz geboren, wuchs im Kanton Aargau auf. Sein Masterstudium in Schauspiel schloss er an der Zürcher Hochschule der Künste ab. Danach spielte er u.a. in Berlin im Gorki-Theater und im Theater Basel. Ab April ist er im Schauspielhaus Zürich zu sehen in «Moise und die Welt der Vernunft» – ein Stück über Verschwendung, sexuelle Zurückhaltung, Exzess und homosexuelle Zärtlichkeit. Im September gründete Dominic die Gruppe «Queer and Sober» in der Schweiz nach dem gleichnamigen Vorbild aus Amsterdam. Instagram @queerandsober_ch

Ich habe ADHS, das bis vorletztes Jahr nie behandelt wurde, und habe deshalb Alkohol missbraucht. Das ständige Auf und Ab meines Dopaminspiegels führte zu Angstzuständen und Depressionen. Ohne den Konsum von Alkohol und Drogen fühle ich mich ausgeglichener. Meinem Freund habe ich neulich erzählt, dass ich nicht mehr die Wellen im Atlantik jage, sondern Stand-up-Paddling auf dem Zürichsee mache. Ich bin mir bewusst, dass ich in der privilegierten Lage bin, mein Leben so zu gestalten, wie es mir gefällt.

Du hast schon einmal aufgehört zu trinken. Was ist diesmal anders? Dominic: Von 25 bis 29 war ich nüchtern, aber es fühlte sich wie ein Verzicht an. In dieser Zeit arbeitete ich an mir und meinem Wohlbefinden. Als es mir wieder gut ging, dachte ich, ich könnte ja jetzt auch wieder anfangen zu trinken und zu feiern. Aber es blieb nicht bei dem einen Aperol Spritz, sondern ich kam erst am nächsten Nachmittag nach Hause.

Letzten Frühling erhielt ich meine ADHS-Diagnose. Das war der Moment, in dem ich erkannte: Nein, es funktioniert nicht. Alkohol, Drogen und ADHS verträgt sich bei mir sehr schlecht. Also habe ich aufgehört. Seitdem fühle ich mich leichter und denke nicht mehr: Oh, Scheisse, ich kann nicht trinken, ich muss zu Hause bleiben.

Klamydia, warum lebst du einen absolut nüchternen Lebensstil anstelle eines mässigen? Klamydia: Ich bin in einer französisch-tunesischen Familie geboren, grösstenteils in einer muslimischen Kultur. Das Trinken war zu Hause verboten, also bin ich mit dieser kulturellen Prägung aufgewachsen. Ich fühlte mich nicht einmal in Versuchung, wenn ich das Haus verliess und die Partys entdeckte. Aber mit der Zeit hörte ich auf zu sagen, dass Alkohol böse ist. Später wurde ich krank und die Pillen, die ich seither nehmen muss, vertragen sich nicht mit Alkohol. Ich meine, Marilyn Monroe hat es versucht und ist gescheitert.

Sie starb. Warst du kein einziges Mal versucht, Alkohol oder anderes zu probieren? Klamydia: Nein, ich habe noch nie etwas probiert und hatte auch keine Lust oder Neugier darauf.

Dominic, wenn du noch Alkohol trinken würdest, wer wärst du dann heute? Dominic: Mein Leben wäre anstrengender und ungesünder. Meine psychische Gesundheit würde stark leiden. Wenn ich trinke und im Mittelpunkt stehe, gebe ich 150 Prozent und kann die ganze Nacht durchfeiern. Das ist in dem Moment lustig, aber danach fehlen mir die 50 oder sogar 80 Prozent.

Als ich den Entschluss fasste, wieder nüchtern zu werden, war meine grösste Angst, dass ich nicht mehr zur queeren Gemeinschaft dazugehöre

Du hast den Club «Queer and Sober» gegründet. Erzähl etwas darüber. Dominic: Als ich den Entschluss fasste, wieder nüchtern zu werden, war meine grösste Angst, dass ich nicht mehr zur queeren Gemeinschaft dazugehöre. Ich konnte nicht mehr in Bars, Clubs und auf Partys gehen.

Warum nicht? Dominic: Mein Selbstvertrauen hing davon ab, beschwipst zu sein. Das gab mir ein Gefühl der Lockerheit und half mir, besser mit Leuten zu reden und soziale Situationen zu meistern. Also fragte ich mich, wie ich mein Leben wieder in den Griff bekommen könnte. Bei meiner Recherche stiess ich auf «Queer and Sober» in Amsterdam. Sie haben Tausende von Followern und 400 aktive Mitglieder, die zusammen auf Partys gehen, zur Pride, spazieren gehen und Kaffee trinken. Also beschloss ich, mutig zu sein und ein Instagram-Konto zu eröffnen, um zu sehen, was passiert. Im September fand unser erstes «Queer and Sober»-Treffen statt. Wir treffen uns hier im «Gleis» jeden ersten Dienstag im Monat und es kommen immer zwischen 5 bis 10 Leute. Wenn sich das Ganze mehr etabliert hat, planen wir auch gemeinsame Partybesuche, Schwimmen im Sommer oder Wanderungen. Und Klamydia ist unsere Botschafterin.

Klamydia: Wenn ich als Drag in einer Bar bin, wollen die Leute nett sein und bieten mir einen Drink an. Dann sage ich nein und oft beginnt dadurch ein langer Dialog. Als Dominic mich für «Queer and Sober» anfragte, konnte ich mich damit identifizieren, weil ich in Clubs oft schräg angeschaut oder sogar ausgeschlossen wurde, weil ich nicht trinke. Auf der einen Seite gibt es den Druck zu trinken und auf der anderen den sozialen Druck der Ausgrenzung.

Klamydia von Karma
Klamydia von Karma

Klamydia von Karma

Tagsüber Doktor*in, nachts Dragqueen. Anis kam in Frankreich zur Welt und lebte zuletzt fünf Jahre in Schweden, arbeitete als Wissenschaftler*in und kreierte die Dragfigur Klamydia von Karma. Erst seit einem Jahr lebt Klamydia in der Schweiz und erhielt bereits zwei Drag-Kronen: in Basel von Odette Hella’Grand und in Zürich beim Heaven’s Drag Race. Darauf angesprochen, antwortet sie: «Chlamydien verbreiten sich tatsächlich.» Tagsüber arbeitet Anis als Biologie-Postdoc an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH). Instagram @klamydiavonkarma

Dominic: Ich glaube, die Ausgrenzung kommt hauptsächlich daher, dass die Leute anfangen zu interpretieren, was du denkst oder urteilst. Aber ich möchte noch einmal betonen, dass es aus meinem Herzen kommt. Ich würde nie Menschen verurteilen, weil sie betrunken oder high sind. Drogen haben auch gute Seiten. Ich nehme Drogen auf Rezept für meine geistige Gesundheit und sie helfen mir sehr.

Klamydia: Genau, das meine ich. Die Leute fühlen sich unwohl, wenn ich in einer Gruppe bin, die trinkt oder Drogen nimmt, weil sie ein Urteil spüren, das nicht da ist.

Dominic: Es ist gut für mich, offen nüchtern zu leben, damit ich mich nicht ständig erklären muss. Denn das geht niemanden etwas an. Umgekehrt frage ich auch nicht jede Person, warum sie trinkt. Geht es dir heute nicht gut? Hast du Probleme zu Hause? Hast du ein schlechtes Gewissen? Wurdest du betrogen? Nein, das interessiert mich nicht.

Du sprichst das Problem der Stigmatisierung an. Dominic: Ja, das ist ein grosser Teil der Philosophie dahinter. Nüchtern zu sein hat für mich nichts mit Selbstoptimierung zu tun, es geht nicht darum, ein besserer Mensch zu werden. Du kannst nüchtern derselbe beschissene Mensch sein. «Queer & Sober» soll ein Ort sein, an dem Menschen es geniessen können, queer und nüchtern zu sein.

Sobald du Alkohol für etwas brauchst, beginnt die Abhängigkeit

Klamydia: Als nüchterne Drag kann ich zeigen, dass ich keinen Alkohol brauche, um auf der Bühne albern zu sein und meinen Hintern zu präsentieren. Sobald du Alkohol für etwas brauchst, beginnt die Abhängigkeit.

Dominic, wie denkst du heute über deine Angst, den Kontakt zur Community zu verlieren, weil du nicht mehr auf Partys oder in Bars gehst? Dominic: Das klingt klischeehaft, aber ich geniesse jetzt die Stille und die Einsamkeit, weil sich mein Dopaminspiegel reguliert hat. Am Sonntagmorgen einen Kaffee zu trinken und Zeitung zu lesen, erfreut mich biochemisch gleich wie früher die ganze Nacht zu feiern. Ich unternehme viel mit meinen Freund*innen, aber je länger ich nüchtern bin, desto weniger verspüre ich das Bedürfnis, in eine Bar oder auf eine Party zu gehen. Das hat viel mit der Gruppe «Queer and Sober» zu tun. Durch sie fühle ich mich zugehörig und nicht ausgeschlossen, weil ich nicht in den Club gehe. Das Gegenteil von Sucht ist Verbindung. Wenn du dich mit anderen Menschen verbindest, kannst du dieses Bedürfnis vielleicht kompensieren.

Drogen und Alkohol findet Schauspieler Dominic Hartmann völlig in Ordnung, bloss ihm haben sie nicht gut getan (Bild: Raffi p.n. Falchi)
Drogen und Alkohol findet Schauspieler Dominic Hartmann völlig in Ordnung, bloss ihm haben sie nicht gut getan (Bild: Raffi p.n. Falchi)

Klamydia, welche Strategien hast du für dein soziales Leben? Klamydia: Ich höre in mich hinein. Wenn ich im Club bin und merke, dass ich nicht sozial sein will, fühle ich mich nicht schuldig. Ich mache meine Show und gehe. Manchmal ist es so. Wenn meine sozialen Batterien geladen sind, bleibe ich. Das ist einer der Gründe, warum ich Drag mache. Nicht nur um aufzutreten, sondern auch, um mit der queeren Community in Kontakt zu sein und verschiedene Perspektiven kennenzulernen. Meine Rolle ist viel mehr als die einer Dragqueen, ich bin auch eine Zuhörerin.

Wenn sich jemand unwohl fühlt, weil er zum Beispiel nüchtern ist, sage ich: «Hey, ich bin auch nüchtern. Wenn du bleiben willst, dann bleib. Ich feiere mit dir. Wenn du nicht bleiben willst, geh. Folge deinem Herzen.» Meine Figur Klamydia von Karma ist auch ein Bewältigungsmechanismus. Sie hat mir gezeigt, was Anis nicht hat und was Klamydia haben will. Vielleicht hätte Alkohol Anis geholfen, dieses Update zu bekommen. Klamydia ist gekommen, um mir zu sagen: «Nein, du hast es in dir.» Klamydia ist meine Erweiterung, mein queerer Narr.

Kennst du andere Dragqueens, die nüchtern sind? Klamydia: Ja, es gibt viele. In der Schweiz Fiorella, Betty Business oder in Amsterdam Lady Galore. Es gibt Dragqueens, die in ihrem Leben und auf der Bühne nüchtern sind. Und es gibt Künstler*innen, die im Leben nüchtern sind, aber als Drags nicht als nüchtern wahrgenommen werden, weil sie in Discos auftreten, wo es Alkohol und Drogen gibt.

Wie sieht deine Strategie aus, Dominic? Dominic: Ich respektiere meine Grenzen und die der anderen besser, wenn ich nüchtern bin. Ich habe gelernt zu akzeptieren, dass es völlig in Ordnung ist, zu Hause zu bleiben und zu sagen: «Nein, heute will ich neun Stunden schlafen und nicht neun Stunden feiern.» Es ist mir wichtig, meine Bedürfnisse und Wünsche respektvoll und liebevoll mit anderen zu teilen. Ich verlange von niemandem, in meiner Gegenwart nüchtern oder betrunken zu sein. Alle können so high sein, wie sie wollen. Ich erwarte nur, so respektiert zu werden, wie ich andere respektiere. Und ich habe wieder angefangen zu laufen, und mein Sexleben ist nüchtern viel besser als betrunken.

Klamydia: Genau.

Dominic: Ich habe gelesen, dass Eisbäder den Dopaminspiegel so stark erhöhen wie Kokain, aber die höchste Dosis bekommen wir über Sex.

Bist du manchmal versucht zu trinken? Dominic: Manchmal, wenn ich gestresst bin und das Gefühl habe, ich muss mich schnell entspannen. Je länger ich nüchtern bin und meine Grenzen kenne, desto weniger lasse ich es so weit kommen. Bei stressigen Endproben, wo ich von neun Uhr morgens bis 23 Uhr abends mit 40 Leuten auf der Bühne arbeite, wo es laut ist, trage ich Kopfhörer. In dieser Zeit kommuniziere ich freundlich mit Respekt, dass ich nicht angesprochen werden möchte, es sei denn, es ist wichtig. Dass ich weder die Situation noch die Leute verabscheue, sondern die Kopfhörer brauche, um es ohne den Drang nach einer Flasche Rotwein nach Hause zu schaffen.

Klamydia: Es geht um die Jagd nach Dopamin. Zucker hat von allen Drogen den grössten Einfluss auf das Gehirn. Er dringt in jede Zelle ein. Es ist im Grunde genommen eine Orgie für dein Gehirn.

Dominic: Wenn ich mich nicht mit Alkohol belohne, womit dann? Dann versuche ich es mit Zucker, Joggen oder Sex zu kompensieren. Ich wechsle zwischen verschiedenen Süchten. Mir hilft es, neue Dinge zu lernen, auszuprobieren und zu erleben. Zum Beispiel Pilates. Ausserdem habe ich mir eine kleine Gruppe von Menschen ausgesucht, deren Meinung ich hundertprozentig schätze und auf deren Feedback ich mich einfach verlasse. Wenn ich seit drei Wochen fünfmal die Woche jogge, sagen sie mir, dass ich eine Pause brauche.

(Bild: Raffi p.n. Falchi)
(Bild: Raffi p.n. Falchi)

Welche Tipps habt ihr für Queers, die mit dem Gedanken spielen, nüchtern zu leben? Dominic: Langsam ist immer besser. Fang vielleicht eine Woche an nicht zu trinken, dann zwei Wochen und dann wieder zwei Wochen. Nimm es locker, setze dir eigene Ziele, rede mit anderen Leuten und sei einfach nett zu dir selbst.

Klamydia: Wenn du in einem Club bist und denkst, du brauchst Alkohol, um in Stimmung zu kommen, um zu flirten oder verrückt zu sein, dann sag nein. Alkohol ist nicht der Schlüssel, du selbst bist der Schlüssel, um dich zu befreien. Setze eine Perücke auf, schminke dich, lebe deine Fantasie aus. Schau den Kindern zu, wie sie spielen, singen, tanzen und sich verkleiden. Dieses Verhalten steckt in uns allen. Wir verlieren es nur durch gesellschaftliche Konditionierung wieder. Scham wird von aussen auf uns projiziert, aber es ist wichtig zu erkennen, dass es in Ordnung ist, albern zu sein. Ein Zitat von meiner Mutter lautet: «Das Leben ist kurz, also hab Spass.» Fühle dich nicht schuldig wegen der Blicke der anderen, denn es ist dein Leben und du wirst es nicht noch einmal leben. Und wenn du einen schlechten Tag hast, geh nach Hause schlafen.

Dominic: Du bist nicht nur ein Zustand, du bist ein Mensch. Authentizität bedeutet, sich selbst zu kennen, zu wissen, was man will und was nicht, und sich selbst treu zu bleiben. Das gibt dir den Raum zu wachsen und zu erkennen, dass das Leben ein Prozess ist.

Wenn ihr einen Wunsch frei hättet, was würdet ihr euch für die queere Szene wünschen? Klamydia: Einen freundlicheren und respektvolleren Austausch innerhalb unserer Community. Unabhängig von Alter, sozialem Status, Gesundheitszustand, ethnischer Herkunft oder sexueller Identität. Ein stärkerer Zusammenhalt würde dazu beitragen, dass wir uns alle mehr verbunden fühlen. Teilung ist nie gut. Eine queere Person wird diskriminiert wie alle Minderheiten in der Welt und in der Gesellschaft. Und leider findet diese Diskriminierung auch in unserer eigenen Gemeinschaft statt, weil wir dazu neigen, sie zu reproduzieren.

Dominic: Genau das wünsche ich mir auch für die Community: ein Verständnis für das grössere Bild, eine Überwindung der internen Konflikte. Und nun lasst uns einen Drink nehmen – stellt euch das Interviewende vor.

Stellt euch vor, wir werden betrunken. Klamydia (lacht): Von zwei Flaschen Wasser auf Ex! Dominic (lacht): Also ich ziehe alkoholfreies Bier vor.

Prost!

Lauren John Joseph hat sich einen Namen als nicht-binäre*r Perfomance-Künstler*in, Autor*in und Journalist*in gemacht. Lauren John Joseph ist mit Solo-Theaterstücken auf der ganzen Welt aufgetreten, diverse Preise gewonnen. «Wo wir uns berühren» ist das Roman-Debüt (Interview auf MANNSCHAFT+).

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