Isaac Powell: «Ich muss es niemanden recht machen»

Der Schauspieler aus der Serie «The Franchise» im Interview

Isaac Powell: «Ich muss es niemandem recht machen»
(Bild: zVg)

Isaac Powell ist noch längst kein Star, dessen Name jeder kennt. Doch der Schauspieler macht immer häufiger von sich reden – nicht nur auf New Yorker Bühnen, sondern auch neben Daniel Brühl in der herrlich komischen Serie «The Franchise».

Isaac, deine neue Serie «The Franchise» handelt von den Dreharbeiten zu einem Superheldenfilm und ist eine ziemlich böse Satire nicht nur auf Comicverfilmungen, sondern auf die Filmindustrie im Allgemeinen. Was hat dich an diesem Projekt gereizt? Isaac Powell: Zunächst einmal haben mich die Drehbücher wirklich umgehauen. Ich habe selten etwas gelesen, wo die Dialoge einen so speziellen Rhythmus hatten, das las sich teilweise wie Musik.

Ganz zu schweigen davon, dass ich beim Lesen ziemlich oft laut gelacht habe. Ich glaube wirklich, dass jede*r diesen Witz und diese Welt verstehen wird. Aber als jemand, der selbst in der Unterhaltungsbranche arbeitet, habe ich natürlich besonders viele Details und Kleinigkeiten in der Geschichte und ihren Figuren entdeckt, die ich aus meinem wirklichen Leben kenne.

Deine Figur Bryson ist der persönliche Assistent des Studiobosses, der für diese Produktionen verantwortlich ist, die an das Marvel- oder DC-Universum erinnern. Hast du für diese Rolle etwas aus deinem Berufsalltag übernommen? Tatsächlich bin ich in meiner Arbeit schon vielen Assistent*innen begegnet und habe mich davon inspirieren lassen. Die Armen müssen immer mindestens zwei Dinge gleichzeitig tun.

Selbst wenn sie mit dir reden, haben sie ihre Antenne ausgefahren, um zu hören, was sonst noch passiert. Und ob der Chef vielleicht etwas will. Bryson zum Beispiel hat immer einen Airpod im Ohr, damit er allzeit erreichbar ist und antworten kann. Deshalb hat er auch das, was ich gerne das «Personal-Assistant-Starren» nenne.

Das ist der Moment, wenn mitten im Gespräch plötzlich das Lächeln gefriert und man an den Augen sieht, dass er gar nicht mehr zuhört, weil gerade der Boss anruft und plötzlich Wichtigeres zu tun ist.

Auch deshalb ist jemand wie Bryson als Figur schwer zu fassen. Zu Beginn weiss man nicht so recht, ob er nur – sozusagen – ein Arschkriecher ist oder einfach ein enthusiastischer junger Mann, der vor allem einen guten Job machen will. Oh ja, am Anfang ist es leicht, ihn als seelenlosen Roboter abzutun, der alles tut, um in der Branche aufzusteigen. Aber je weiter die Serie voranschreitet, desto mehr menschliche Facetten kommen zum Vorschein. Der Kerl hat ein echtes Herz – und er brennt für diese Comics und ihre Verfilmungen. Seine Begeisterung, ein Teil dieser Welt zu sein, hat mir besonders gut gefallen.

Als «The Franchise» vor zwei Jahren angekündigt wurde, hast du auf Instagram «Let’s hope I’m funny» geschrieben. Du hast dich nicht ernsthaft gesorgt, oder? In gewisser Weise schon. Generell hatte ich schon immer eine grosse Vorliebe für das Komische, und in meiner Arbeit fühle ich mich normalerweise besonders zu Projekten hingezogen, in denen auch Humor seinen Raum hat. Aber allzu oft hatte ich in meiner Karriere noch nicht die Gelegenheit, Teil einer waschechten Komödie zu sein. Deswegen finde ich das jetzt besonders aufregend. Und ich hoffe immer noch, dass ich witzig genug war!

Erinnerst du dich noch an das erste Mal, als du als Musical- und Theaterschauspieler plötzlich vor der Kamera standest? Das werde ich nie vergessen. Abgesehen von ein paar winzigen Kurzfilmproduktionen war mein erstes Set das für eine Episode der Serie «Modern Love». Da stand ich plötzlich vor der Kamera – und fühlte mich auf einmal so nackt und unsicher wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich war sechs Wochen Proben gewohnt, in denen man sich seine Rolle erarbeitet. Stattdessen machten wir eine kurze Stellprobe und schon rief jemand «Action»!

Der ganze Ablauf war mir völlig fremd und ich war ein bisschen verloren. Erst als die Folge im Kasten war, bekam ich ein Gefühl dafür, wie die Arbeit vor der Kamera wirklich abläuft. Es ist ein anderer Job als auf der Bühne, aber ich liebe ich ihn inzwischen genauso.

Früher hatten es Musicaldarstellende schwer, als Schauspielende ernst genommen zu werden. Hast du das auch erlebt? Zum Glück war das für mich nie ein Problem. Ich habe meinen Musical-Background nie als etwas empfunden, das mich limitiert, und ich habe das auch nie so gespiegelt bekommen. Ich hoffe, dass sich die Zeiten diesbezüglich geändert haben.

Isaac Powell

Der Sohn eines dreifachen CrossFit-Champions entdeckte bereits als Schüler seine Liebe zu Musicals. Auf New Yorks Bühnen war er u.a. zu sehen in «Once on This Island» (inszeniert vom schwulen Tony-Gewinner Michael Arden) und in der Neuauflage von «West Side Story».

Auch in den Kinofilmen «Dear Evan Hansen» mit Ben Platt und dem Oscar-nominierten «Past Lives» war er dabei sowie in zwei Staffeln von «American Horror Story». Nun ist der Schauspieler, der sich 2021 nach fünf Jahren von seinem Partner Wesley Taylor («Only Murders in the Building») trennte, in der Serie «The Franchise» zu sehen (hier streambar).

Auch sonst hat sich einiges verändert. Als du deine erste grosse Theaterrolle bekommen hast, hast du noch die Fotos deines Freundes von deinem Instagram-Account gelöscht, weil dir nahegelegt wurde, dass das hinderlich sein könnte. Würde so etwas heute noch passieren? Vermutlich nicht. Zum Glück. Wobei mich damals auch niemand zu etwas gedrängt hat und ich mich letztendlich auch nie verstecken musste. Ich habe sehr schnell gelernt, dass ich keine Lust habe, meine Identität oder Teile meines Privatlebens zu verstecken – und trotzdem hatte ich nie das Gefühl, dass das meine Arbeit beeinflusst.

Im Gegenteil freue ich mich sehr, dass ich schwule Rollen genauso spielen darf wie heterosexuelle oder solche, bei denen man nicht weiss, wie sie sich identifizieren.

«Ich habe keine Lust, meine Identität zu verstecken.»

Isaac Powell

Viele Kolleg*innen, von Ariana DeBose bis Joe Locke, haben zuletzt darüber gesprochen, wie seltsam es anfangs sein kann, dass man automatisch in eine Vorbildrolle gedrängt wird, sobald man öffentlich über seine Queerness spricht. Wie erlebst du das? Ich hatte nie das Gefühl, dass man diesbezüglich etwas von mir erwartet. Ich fühle mich nur mir selbst gegenüber verantwortlich, ich muss niemandem sonst gerecht werden. Aber gerade zu Beginn meiner Karriere ist es wirklich oft vorgekommen, dass mir junge Menschen auf Instagram geschrieben haben oder am Bühnenausgang auf mich gewartet haben, um ihre eigenen Geschichten mit mir zu teilen.

Ich habe es immer als grosse Ehre empfunden, dass jemand mich und meine Arbeit sieht und sich dadurch inspiriert fühlt, zu sich selbst zu stehen und das teilen möchte.

Hattest du selbst solche Vorbilder? Ja. (Powell schweigt erst einen Moment und beginnt dann zu schluchzen). Vor ein paar Stunden habe ich erfahren, dass eines meiner grössten Vorbilder heute seiner schweren Krankheit erlegen ist. Gavin Creel, ein wunderbarer Mensch und Theaterschauspieler. (Der schwule Musicalstar, der u.a. mit dem Tony und dem Grammy ausgezeichnet wurde, starb am 30.9.2024 im Alter von 48 Jahren an den Folgen eines seltenen Nervenscheidentumors, Anm. d. Red.)

Ich habe ihn seit meiner Jugend bewundert, seine Arbeit hat mir unglaublich viel bedeutet. Dass ich ihn kennenlernen und mit ihm arbeiten durfte, gehört zu den wichtigsten und prägendsten Erfahrungen meines Lebens. Als ich jung war, wünschte ich mir nichts sehnlicher als eine Karriere zu haben wie er. 

Die Comedy-Serie folgt der Crew eines ungeliebten Franchise-Films, die um ihren Platz kämpft
Die Comedy-Serie folgt der Crew eines ungeliebten Franchise-Films, die um ihren Platz kämpft (Bild: Home Box Office, Inc)

Kürzlich hast du mit der Musikerin Florence Welch alias Florence + the Machine für ihr Musical «Gatsby: An American Myth» zusammengearbeitet, das auf dem legendären Roman von F. Scott Fitzgerald basiert. Das Stück wurde im Sommer für gut zwei Monate in Cambridge aufgeführt. Wird daraus mehr? Da muss man geduldig sein und abwarten. Aber so viel kann ich sagen: Es war nicht das letzte Mal, dass diese Inszenierung zu sehen war. Und ich freue mich schon darauf, wenn das Publikum sie in einer grossen Stadt auf einer grossen Bühne sieht.

Florence ist eine brillante Künstlerin, ein wahres Genie. Ich war so fasziniert, wie gemeinschaftlich sie arbeitet, wie grosszügig sie mit ihrem Talent umgeht und wie sie diese weltberühmte Geschichte in ein völlig neues Musical verwandelt hat, ohne dass sie so etwas je vorher gemacht hätte. Ich kann nicht genug von den Monaten schwärmen, die wir gemeinsam an «Gatsby» gearbeitet haben.

Das klingt, als wäre 2024 ein tolles Jahr für dich gewesen. Freust du dich auf die Zukunft – und auf deinen 30. Geburtstag, den du am 30. Dezember feierst? Ich freue mich schon eine Weile darauf, endlich in die Dreissiger zu kommen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ein gutes Jahrzehnt vor mir liegt. Vielleicht liegt es daran, dass ich in den letzten Jahren so viele wunderbare Dinge in meiner Arbeit erleben und mir so manchen Traum erfüllen durfte. Jetzt würde ich als Nächstes gerne eine grosse Kinorolle bekommen. Das wäre ein wunderbares neues Kapitel in meiner Karriere.  

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