Neue Bücher: Unsere Lesetipps für den Sommer
Mit «Genderqueer» empfehlen wir unter anderem auch eine Graphic Novel
Du suchst noch nach LGBTIQ-Literatur für deinen Sommer-Urlaub? Wir haben die neusten Werke von queeren Autor*innen für dich. Hier ist für alle etwas dabei!
Selby Wynn Schwartz – Wir waren Sappho Der erste Satz: Als Erstes änderten wir unsere Namen. Wir wollten Sappho heissen.
Das Genre: Ein Roman, gemäss Verlag und Cover. Doch viel eher fiktionalisierte Biografien, die Lust auf Lyrik und Krawall machen.
Der Inhalt: In kurzen, prägnanten Texten stellt uns Selby Wynn Schwartz widerspenstige und queere Frauen, Schriftstellerinnen und Künstlerinnen von Ende 19. bis Anfang 20. Jahrhundert vor. Sie spinnt Verbindungen von Lina Poletti bis hin zu Virginia Woolf und lässt uns an ihren Schicksalen teilhaben.
Sie zeichnet damit ein lebendiges Bild von vielen Stimmen, denen eines gemein ist: Sappho. Während wir von den Schicksalen der verschiedenen Frauen lesen, von ihrer Unangepasstheit und ihren Konventionsbrüchen – so lesen wir dazwischen auch immer wieder Sappho.
Das Fazit: Unweigerlich überkommt mich schon ab der ersten Seite eine Sehnsucht nach Lyrik. Der Roman stimmt mit dem poetischen Prolog direkt ein in die Verbindung aller Protagonistinnen mit der griechischen Dichterin Sappho und genauso lyrisch geht es weiter. Kleine Snippets erzählen Ausschnitte aus dem Leben und den Widerständen der jeweiligen Feministin, die wir über das Buch und die Jahre hinweg weiterverfolgen können.
Manchmal sind es nicht unbekannte Geschichten, aber so kraftvoll und kämpferisch davon zu lesen, wie junge Italienerinnen für ihr Recht am eigenen Körper, für ihre Freiheiten und Träume einstehen, war wundervoll. Sappho, ein Vorbild und Inspiration, um das zu tun, was wir wollen, und nicht, was uns gesagt wird. Nach der Lektüre bin ich etwas auf Krawall gebürstet, aber Sappho wäre stolz.
Milena Leutert vom Buchladen Queerbooks hat «Wir waren Sappho» für dich gelesen. Übrigens wurde das Buch von Luca Mael Milsch übersetzt, Autor*in von «Sieben Sekunden Luft». Roman, Schöffling & Co., 304 Seiten
Pajtim Statovci – Meine Katze Jugoslawien Emine wächst im Jugoslawien der Achtzigerjahre auf und wird mit siebzehn einem Mann verheiratet, den sie nur einmal zuvor getroffen hat. Was als glückliche Verbindung gedacht war, wird bald zur Prüfung, besonders als ein Krieg ausbricht und die Familie nach Finnland flieht. Dort wird Sohn Bekim, der queer ist, zum Aussenseiter, obwohl er sich zu integrieren versucht. In seiner Einsamkeit trifft er eine sprechende Katze in einer Schwulenbar, die ihn dazu bringt, sich mit seiner Familiengeschichte im Kosovo auseinanderzusetzen.
Wir finden: Pajtim beschreibt die Ängste und Nöte von Migrant*innen aus Perspektive der Kinder und der Eltern. Jede auch so saubere Fassade birgt Risse. Ein skurriles bis magisches Buch, für alle, die ein Faible haben für die Themen Krieg, Liebe, Zugehörigkeit und sprechende Katzen. Roman, Luchterhand, 320 Seiten
Lilly Gollackner – Die Schattenmacherin Das Jahr 2068: Sengende Hitze, überdachte Städte, rationiertes Wasser. Und keine Männer mehr. Eine mysteriöse Seuche hat sie vor Jahrzehnten dahingerafft. Nur künstliche Fortpflanzung sichert den Fortbestand der Menschheit. Ruth, langjährige Präsidentin dieser Welt, bereitet die Amtsübergabe an die junge Ania vor. Diese möchte die Männer zurückholen, Ruth ist dagegen. Der Generationenkonflikt zwischen den Frauen um Ressourcen, Macht und Identität stellt beide vor schicksalhafte Entscheidungen.
Wir finden: Mit überraschenden Wendungen entführt uns Gollackner in dieses fesselnde Gedankenexperiment, das uns ein Horrorszenario des menschengemachten Klimawandels vor Augen führt. Wie funktioniert die männerlose Gesellschaft? Wie tickt das Frauenvolk? Wie sieht ihr Alltag aus? Davon hätten wir gerne mehr gelesen – das Buch dreht sich vor allem um das Rangeln zwischen Ruth und Ania in der Führungsriege. Dystopischer Roman, Kremayr & Scheriau, 192 Seiten
Maia Kobabe – Genderqueer. Eine nicht-binäre Autobiografie In welches Regal: Zu den tragisch bis komischen, nahen, berührenden, ehrlichen und autobiografischen Comics wie «Stuck Rubber Baby» von Howard Cruse, «Fun Home» von Alison Bechdel, aber auch Craig Thompsons «Blankets» oder «Ein Sommer am See» von Jillian und Mariko Tamaki.
Wahlweise ins «Jetzt erst recht»-Regal zu all den in den USA verbotenen oder aus Bibliotheken verbannten Büchern – wie übrigens alle der oben genannten Werke und solchen wie «Flamer» von Mike Curato, «Drama» von Raina Telgemeier, «Der Mann meines Bruders» von Gengoroh Tagame oder auch Art Spielgemans «Maus» oder Marjane Satrapis «Persepolis».
Wie es aussieht: Klar, konzentriert und in zurückhaltenden Farben, die beinahe an Naturfarben erinnern (viel beige, grün, braun und blaugrau), lenkt «Genderqueer» die Aufmerksamkeit auf die Gefühle, Verwirrung und tastenden Erfahrungen der erzählenden Ich-Person.
Wie aufgebrachte Eltern darin einen absichtsvoll quietschbunten Stil erkennen wollen, der diese «Anziehungskraft für Kinder besorgniserregend mit explizit sexuellen Inhalten verbindet», wie in einigen Kritiken im Netz zu lesen ist, bleibt unverständlich.
Um was es geht: Um erste, kindliche Verwunderungen in Bezug auf den eigenen Körper – zum Beispiel, wieso andere ihr T-Shirt beim Baden im Meer ausziehen dürfen, Maia Kobabe aber von der Lehrperson gemassregelt wird.
Um den Umgang mit Körperlichkeit und damit auch Sex, der bei Maia anders verläuft als bei der (queeren) Schwester, für die der weibliche Körper, in dem sie geboren wurde, immer stimmig war. Schonungslos erzählte, traumatische Erfahrungen wie bei der Gynäkologin wechseln sich ab mit Szenen von familiärem Rückhalt und der Suche nach stimmiger Identität – für die harte, treffende bis wundervoll zarte Bilder gefunden werden.
Wie wir es finden: Sensibel, ehrlich bis schmerzhaft offen. Wer «Genderqueer» liest, erhält den Eindruck, einer befreundeten Person zuzuhören, und hat am Ende zeitgleich mehr Einblick wie auch den Wunsch zu erfahren, wie dieses Leben weitergeht. – Simone Veenstra
Maia Kobabe: «Genderqueer – Eine nichtbinäre Autobiografie», aus dem Englischen übersetzt von Matthias Wieland, Reprodukt Verlag, 240 Seitenas
Aleksandar Hemon – «Die Welt und alles, was sie enthält» Kriegsroman aus Bosnien – über zwei schwule Väter und ihre Tochter: Als 2023 Aleksandar Hemons «The World and All That it Holds» erschien, gab es wenig Resonanz in der LGBTIQ-Presse. Auch die deutsche Ausgabe 2024 interessierte queere Medien kaum. Dabei wird eine ungewöhnliche schwule Liebesgeschichte erzählt. Hier geht’s zur tiefgründigen Rezension unseres Autoren Kevin Clarke.
Die Pet Shop Boys waren lange nicht mehr so gefragt. Ihre Songs laufen in angesagten Filmen, sie touren erfolgreich und haben Ende April ihr Album «nonetheless» veröffentlicht. Wir trafen Neil Tennant (69) und Chris Lowe (64) im Londoner Büro ihrer Plattenfirma und unterhielten uns über alte Autos, Küchentänze und Schlager (MANNSCHAFT+).
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