Nationalrat einstimmig für Verbot von «Konversionstherapien»
Entschliessungen für Schutz von inter Kindern und Jugendlichen und von LGBTIQ in Europa wurden mehrheitlich angenommen
Der Nationalrat hat sich am Mittwoch einstimmig für ein Verbot von «Konversionstherapien» an Minderjährigen ausgesprochen. Nachdem der Nationalrat bereits 2019 eine Entschliessung zum Thema gefasst hatte, fordern die Abgeordneten die Justizministerin und den Gesundheitsminister nun erneut dazu auf, ein Gesetz zum Verbot von Massnahmen zur Veränderung der sexuellen Orientierung bei Minderjährigen vorzulegen.
Eine Mehrheit gab es auch für einen Entschliessungsantrag, den die Regierungsfraktionen anlässlich der Situation von LGBTIQ-Personen in Ungarn im Zuge der Debatte eingebracht hatten. Die Regierung wird darin aufgefordert, sich für den Schutz von LGBTIQ-Personen in Europa einzusetzen.
Eine Entschliessung zum Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen vor nicht notwendigen medizinischen Eingriffen wurde ebenfalls mehrheitlich beschlossen.
Keine Mehrheit gab es für Oppositionsanträge zur Durchführung einer Zeitverwendungsstudie und für eine SPÖ-Forderung nach einem Massnahmenpaket für Frauen am Arbeitsmarkt. Auch eine im Zuge der Debatte von der FPÖ eingebrachte Forderung nach einem Schulstartgeld für alle SchülerInnen der Primar- und Sekundarstufe blieb in der Minderheit.
Die Parlamentsfraktionen sprechen sich einstimmig für ein Verbot von «Konversionstherapien» an Minderjährigen aus und fordern die Justizministerin und den Gesundheitsminister auf, eine entsprechende Regierungsvorlage an das Parlament zu übermitteln. Ziel der Regierungsvorlage soll es sein, die Durchführung, Bewerbung und Vermittlung von Massnahmen und Techniken, die auf eine Veränderung der sexuellen Orientierung bei Minderjährigen sowie bei Volljährigen, deren Einwilligung auf Willensmangel beruht, zu verbieten. Die Basis dafür bildete ein Vorstoss der NEOS.
Mehrheitlich angenommen haben die Abgeordneten ausserdem einen Entschliessungsantrag der Koalitionsfraktionen, der sich für den Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen vor nicht-notwendigen medizinischen Eingriffen einsetzt. Es brauche Massnahmen wie etwa Aufklärungs- und Beratungsstrukturen zum Schutz von intergeschlechtlichen Kindern sowie das Schliessen gesetzlicher Lücken. Ein ähnlicher Antrag, mit dem die SPÖ nicht notwendige medizinische Eingriffe bei inter Kindern zum Thema machte, fand keine Mehrheit.
Es sei ein Freudentag, weil Dinge beschlossen würden, bei denen sich das österreichische Parlament selten so einig war, freute sich Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne). Es gehe nicht um Ideologie oder Parteipolitik, sondern um den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor nicht-notwendigen medizinischen Eingriffen bei Intergeschlechtlichkeit und vor «Konversionstherapien». Die Entwicklungen im Nachbarland Ungarn müssten verurteilt werden, forderte sie.
Entschliessungsantrag zu LGBTIQ in Europa Auch Nico Marchetti (ÖVP) zeigte sich erfreut über die grosse Einigkeit. Es zeige sich, dass Politik mit geballter Faust nicht so gut funktioniere wie mit ausgestreckter Hand. Er forderte aber auch den Respekt vor allen Lebensrealitäten ein. Wie seine Fraktionskollegin Irene Neumann Hartberger zeigte er sich überzeugt, der Regierung einen klaren Arbeitsauftrag für eine Regierungsvorlage mitzugeben. Marchetti thematisierte zudem die Situation in Ungarn. Das vom ungarischen Parlament beschlossene Gesetz entspreche keinem gebotenen Umgang mit homosexuellen Menschen. Er brachte daher einen Entschliessungsantrag der Regierungsfraktionen ein, mit dem sie den Aussenminister, die EU- und Verfassungsministerin sowie die Justizministerin auffordern, sich auf europäischer und bilateraler Ebene für den Schutz und die Verbesserung der Situation von LGBTIQ-Personen in Europa einzusetzen und diese Frage in entsprechenden Gremien zu thematisieren. Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen.
Rosa Ecker (FPÖ) äusserte sich ebenso zustimmend zu einem Verbot der schädlichen Therapien und von nicht-notwendigen medizinischen Eingriffen bei intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen. Diese Eingriffe und Therapien würden die körperliche Unversehrtheit verletzen und könnten massive psychische Schäden bei den Betroffenen auslösen, zeigte sie auf.
Diese zwei Anträge bezeichnete auch Mario Lindner (SPÖ) als positiv. Es zeige sich dabei aber auch ein „Muster des Aufschiebens», da die Regierungsfraktionen konkretere Anträge der Oppositionsparteien abgelehnt oder vertagt hätten. Er kündigte einen Fristsetzungsantrag zu einem fertigen SPÖ-Gesetzesvorschlag zum Verbot von «Konversionstherapien» an, den die Fraktion in der morgigen Sitzung einbringen wolle. Die LGBTIQ-Community in Österreich habe die «Politik des Aussitzens» nicht verdient, sagte er.
Yannick Shetty (NEOS) kritisierte ebenfalls, dass die Regierung nichts weiterbringe und Oppositionsanträge vertage oder ablehne. Die Entschliessung gegen «Konversionstherapien» sei aber ein Etappenerfolg. Weil aus seiner Sicht in Ungarn die Grundrechte von LGBTIQ-Personen entwertet werden, brachte er im Zuge der Debatte einen Entschliessungsantrag ein, mit dem er die Regierung auffordern wollte, den Angriff auf die Rechte der LGBTIQ-Community in Ungarn durch das am Dienstag verabschiedete umstrittene Gesetz, das Aufklärungsprogramme zu Homosexualität verbietet (MANNSCHAFT berichtete), zu verurteilen. Der Antrag blieb in der Minderheit.
Ungarisches Gesetz entspricht nicht europäischen Werten
Justizministerin Alma Zadić, die sich vergangene Woche bei den nach 1945 verfolgten Homosexuellen entschuldigt hatte (MANNSCHAFT berichtete), sicherte ihre volle Unterstützung für ein Verbot von «Konversionstherapien» und für den Schutz von inter Kindern und Jugendlichen zu. Ein Blick nach Ungarn zeige, dass es nicht selbstverständlich sei, dass jede und jeder ein freies, entfaltetes Leben führen könne. Das in Ungarn verabschiedete Gesetz sei rückschrittlich und entspreche nicht den europäischen Werten, machte sie deutlich. Doch auch in Österreich habe die queere Community in der Vergangenheit viel Leid erfahren, auch durch den Staat. Zadić wiederholte daher ihre Entschuldigung im Namen der Justiz für die strafrechtliche Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung.
Auch Europaministerin Karoline Edtstadler stellte mit Blick auf Ungarn klar, dass es in Europa keine diskriminierenden Gesetze geben dürfe. Die Inhalte des in Ungarn beschlossenen Gesetzes seien diskriminierend und damit abzulehnen. Sie versicherte, den Auftrag der Parlamentsfraktionen ernst zu nehmen, und das Thema bei der nächsten Gelegenheit im Rat am 22. Juni anzusprechen.
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