Nach viel queerer Power: Wird «Stranger Things»-Finale enttäuschen?
Die derzeit grösste Serie der Welt geht zu Ende. Beispiele für Serien, die Teile ihres Publikums am Ende enttäuscht haben, gibt es einige. Wie wird es wohl beim Netflix-Hit «Stranger Things»?
Fremdartige Sache, dieses «Stranger Things». Diese Serie heisst so, wie manche ihre Staffeln empfinden: als, nun ja, seltsame Phänomene. Für viele ist die Serie das Nonplusultra des Streaming-Zeitalters, für andere bloss ausgewalzter Monsterhorror.
Jetzt steht das grosse Finale bei Netflix an (1.1., 2.00 Uhr morgens) und der Hype wird enorm angeheizt, allein weil die fünfte und letzte Staffel (seit November) in drei Teilen veröffentlicht wird und die Final-Episode mit gut zwei Stunden Spielfilmlänge hat.
Grösste Serie der Welt mit viel queerer Sichtbarkeit Im Sommer 2016 feierte «Stranger Things» Premiere. Damals befand sich das amerikanische Bewegtbild-Business noch mitten im Serienflut-Phänomen «Peak TV», was so viel wie Produktionsgipfel bedeutet; 2016 kamen in den USA rund 450 Drehbuchserien auf den Markt, 2022 auf dem Höhepunkt sogar rund 600. Mit mehreren hundert Millionen Abrufen für alle bisherigen Staffeln zusammen kann «Stranger Things» wohl als (derzeit) grösste oder wichtigste Serie der Welt bezeichnet werden.
Auch in Sachen queerer Repräsentation ist «Stranger Things» gut aufgestellt. Seit der dritten Staffel spielt Maya Hawke die Rolle der Robin Buckley, die hinter verschlossenen Türen der Krankenschwester Vickie Dunne (Amybeth McNulty) näher kommt. Sie gilt auch als wichtige Vertrauensperson für Will Byers (Noah Schnapp), der sich seit der ersten Staffel stets fehl am Platz fühlt und im Verlauf der Serie Gefühle für einen seiner Freunde entwickelt. Ohne zu viel zu spoilern: Eine rührende Szene in Episode 7 der neusten Staffel dürfte so manchen aus der Community vertraut vorkommen. Übrigens outete sich Schauspieler Noah Schnapp nach der vierten Staffel selbst als schwul (MANNSCHAFT berichtete).
Im Serien- und Streaming-Zeitalter der letzten Jahrzehnte (mit Small-Talk-Sätzen wie «Was schaust du gerade?» oder auch «Du musst unbedingt dies gucken») gehört sie zu den aufsehenerregendsten High-End-Produktionen.
«Stranger Things» gilt als ein Highlight des Serienzeitalters Episodenübergreifende, horizontale Erzählweisen, abgründige Charaktere, vielschichtige Handlungen bannten die Zuschauer*innen in den vergangenen Jahren bei einigen global erfolgreichen Serien. Man denke an Hits wie «Breaking Bad», «Downton Abbey», «House of Cards», «Mad Men», «Haus des Geldes».
So wurde auch die Mystery-Serie «Stranger Things» weltweit Gesprächsthema. Mit ihrer Mischung aus Fantasy, Horror und Heranwachsenden-Story (Coming of Age) und mit viel 80er-Jahre-Retroflair, das auf Klassiker wie «E.T.», «Poltergeist», «Stand by Me», «Es» oder «A Nightmare on Elm Street» anspielte, traf sie geschickt einen Nerv der Zeit. Sie bediente Nostalgie, schuf aber zeitgleich etwas Originäres, eine eigene Welt.
Sie begeisterte von Anfang an sowohl Zuschauer*innen, die die 80er erlebt haben, als auch ein jüngeres Publikum. Sie machte den Cast, etwa Millie Bobby Brown und Noah Schnapp, zu Weltstars. Ganze drei Jahre mussten Fans nun auf das Finale warten. Der grosse Hollywood-Streik 2023 führte zu Verzögerungen.
Serienfinale sind eine grosse Herausforderung für die Autoren Beispiele für Serien, die Teile ihres Publikums am Ende enttäuscht haben, gibt es jedoch einige – etwa «Die Sopranos» oder «Game Of Thrones». Die Serie «Lost» zum Beispiel war vielen am Ende zu esoterisch, weil die zentralen Figuren einen emotionalen Abschluss bekamen, die Inselmythologie aber vernachlässigt worden sei.
Als Serie mit sehr gelungenem Ende gilt indes die deutsche Mystery-Serie «Dark», die manchmal gar als deutsches «Stranger Things» bezeichnet wird. Doch anders als «Stranger Things», das einst wohl nur als limitierte Serie konzipiert war, spannte «Dark» von Beginn an gekonnt den Bogen über drei Staffeln.
Die heutzutage wahnsinnig hohen Erwartungen an Autor*innen in Sachen Serienfinale sind an den «Stranger Things»-Machern offenkundig nicht vorbeigegangen. «Natürlich ist das beängstigend», sagte Matt Duffer, der die Serie mit seinem Zwillingsbruder Ross erschuf, und nach eigenen Angaben das Ende von «Stranger Things» schon früh im Kopf hatte. Man habe das Ende lange vor Augen gehabt und «konsequent darauf hingearbeitet», sagte Duffer. «Es gibt so viele Handlungsstränge, eine Mythologie, eine komplexe Geschichte – all das muss zu einem befriedigenden Abschluss gebracht werden.»
«Stranger Things» wurde im Laufe der Jahre immer brutaler Seit der ersten Staffel ist in der fiktiven Kleinstadt Hawkins viel passiert. In den ersten Folgen, die im Jahr 1983 spielen, verschwindet der kleine Will. Seine Freunde Mike Wheeler (Finn Wolfhard), Dustin Henderson (Gaten Matarazzo) und Lucas Sinclair (Caleb McLaughlin) treffen bei der Suche nach Will auf die geheimnisvolle Elf (Eleven), gespielt von Millie Bobby Brown.
Das Mädchen verfügt über aussergewöhnliche Kräfte. Schliesslich entdecken die Kinder und Wills Mutter Joyce (Winona Ryder) - eine parallele Schattenwelt, das Upside Down. Dort lauert der Demogorgon, ein furchteinflössendes Monster.
Nachdem Will aus der Schattenwelt gerettet werden konnte, wird Hawkins in der zweiten Staffel – das Jahr ist 1984 – von einer noch grösseren Bedrohung heimgesucht. In der dritten Staffel (1985) infiltrieren sowjetische Agenten Hawkins, um ein Portal zur Schattenwelt zu öffnen. In der vierten Staffel sucht ein intelligentes Wesen namens Vecna (Jamie Campbell Bower) Bürger von Hawkins in ihren Träumen heim. Die Schattenwelt greift auf die reale Welt über.
In Staffel fünf – beginnt 1987 – steht Hawkins unter militärischer Quarantäne und ist gezeichnet von der Öffnung des Portals. Elf wird von der Regierung gesucht. Ihre Freund*innen wollen dem ganzen Horror endlich ein Ende bereiten. Ist Vecna tatsächlich der Endgegner oder ist da noch was anderes? Werden Zeitreisen nötig für den ultimativen Schluss? Bereits im November erhielten Fans in Berlin eine kleine Einstimmung (MANNSCHAFT berichtete).
Manche Fans vom Anfang hat die Serie, wenn nicht verloren, so doch jetzt schon ein wenig vor den Kopf gestossen. Denn während in der ersten (Kinder-)Staffel das Böse quasi nicht zu sehen und es gemächlich gruselig war, entwickelte sich die Serie immer mehr zu einer expliziten Horror-Show mit äusserst brutalen Szenen.
Während Staffel eins eine Art Nestwärme ausstrahlte, sind die einstigen Kinderstars inzwischen auch einfach Erwachsene geworden. Manche Fans sind melancholisch, sehen sich mit der eigenen verlorenen Kindheit konfrontiert. Für die Stars wird die letzte Folge emotional. Noah Schnapp verriet, dass der Cast die letzte Folge gemeinsam anschauen werde. «Wahrscheinlich werden wir den Rest des Monats weinen», sagte er (MANNSCHAFT berichtete).
Doch Natalia Dyer, die in der Serie die Figur Nancy Wheeler spielt, verbreitet Euphorie: Ein richtiger Abschluss bei Serien sei nicht immer selbstverständlich. «Aber die Macher haben wirklich alles gegeben, damit es sich wie ein richtiges Ende anfühlt. Und das ist wirklich schön.»
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