Nach Suizid eines Jugendlichen: Kritik an Polens Staatsmedien
Der Junge war von einem Politiker der Opposition missbraucht worden
Der Selbstmord des Sohnes einer polnischen Politikerin schlägt hohe Wellen. Der Teenager war vor von einem Mann missbraucht worden, der als LGBTIQ Aktivist gilt.
Wie die Presseagentur AP mitteilte, habe sich der 15-Jährige umgebracht, nachdem im staatlichen Fernsehen und Radio Details über seinen Fall preisgegeben worden waren. Obwohl der Junge namentlich nicht genannt wurde, seien die Informationen ausreichend gewesen, um ihn in der Öffentlichkeit zu identifizieren.
«Am 17. Februar schied mein Sohn Mikolaj Filiks aus dem Leben. Am 8. März wäre Miki 16 geworden», schrieb seine Mutter Magdalena Filiks, Abgeordnete der oppositionellen Bürgerplattform PO, in den sozialen Medien. Einzelheiten zu den Gründen für den Tod gab Filiks nicht an, forderte aber die Medien auf, die Privatsphäre der Familie zu akzeptieren und sich von der Beerdigung ihres Sohnes fernzuhalten.
Auf Twitter äusserten Oppositionspolitiker*innen Trauer, Entsetzen und Empörung über die Nachricht des Todes, der inmitten einer Zunahme von Selbstmorden unter Jugendlichen erfolgte. Einige beschuldigten die staatlichen Medien, die von der regierenden Partei PiS kontrolliert werden, den Jungen in den Selbstmord getrieben zu haben.
Mikolaj Filiks war 13 Jahre alt, als er von einem Lokalpolitiker der Bürgerplattform, der Medienberichten zufolge LGBTIQ-Aktivist war, missbraucht worden war. Dieser als Krzysztof F. identifizierte Mann wurde im Dezember 2021 wegen sexuellen Missbrauchs und Drogenabgabe an Minderjährige zu mehr als vier Jahren Gefängnis verurteilt. Das Verfahren lief unter Ausschluss der Öffentlichkeit, um die Minderjährigen zu schützen. Nun begannen die Medien jedoch dezidiert darüber zu berichten.
Der Chef des öffentlich-rechtlichen Senders Radio Stettin, Tomasz Duklanowski, berichtete plötzlich über den Fall, auch andere staatsnahe Medien begannen die Berichterstattung. Radio Stettin betonte derweil, dass der Täter Aktivist für LGBTIQ-Rechte war, wogegen das rechte Regierungsbündnis seit längerem vorzugehen versucht (MANNASCHAFT berichtete). Der Opposition aber wurde vorgeworfen, die Vorfälle totschweigen zu wollen. Sowohl der Täter Krzysztof F. als auch der Ministerpräsident des zuständigen Landkreises gehörten der Bürgerpartei an.
Der Gazeta Wyborcza zufolge griffen PiS-Politiker*innen auch die Mutter des Jungen in den sozialen Medien an – löschten ihre Beiträge aber nach der Todesmeldung. Politische Beobachter*innen sehen in dem Vorgehen der staatsnahen Medien den Versuch, aus dem Missbrauchsfall des Minderjährigen politisches Kapital zu schlagen.
Bildungsminister Przemysław Czarnek erklärte in dem von der PiS kontrollierten Sender TVP: «Die gleichen Leute, die den Kampf gegen Pädophilie so lautstark machen, verstecken Pädophile in ihren eigenen Reihen.»
Donald Tusk, Leiter der Bürgerplattform, versprach unterdessen, das Gesetz walten zu lassen und «jede Niedertracht, alles zugefügte menschliche Leid und Unglück, die durch die Regierung entstanden sei» zur Rechenschaft zu ziehen.
Seitdem die Nachricht vom Tod des Jungen veröffentlicht wurde, wurden nicht nur die Medien in Polen kritisiert, sondern ebenso die Regierungspartei PiS – weil sie die von Steuerzahler*innen finanzierten staatlichen Medien als Sprachrohr nutze, um an der Macht zu bleiben und ihre Agenda zu verbreiten. Regierungssprecher Piot Müller wollte sich dazu bisher nicht äussern.
Brauchst du Hilfe? Wende dich in der Schweiz telefonisch an die Nummer 143 oder schreibe an die Berater*innen von Du-bist-Du.ch. In Österreich hilft die HOSI Wien (zu Büroöffnungszeiten) unter (+43) 660 2166605, das Kriseninterventionszentrum oder für LGBTIQ die psychosoziale Beratungsstelle Courage. In Deutschland gibt es die Notfall-Nummer 19446, zudem hilft u.a. der Verband für lesbische, schwule, bisexuelle, trans, intersexuelle und queere Menschen in der Psychologie, in Städten wie Köln kann man sich an Rubicon wenden.
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