Mit dem Segen von Boy George: «High Drama» von Adam Lambert

Er covert u.a. Bonnie Tyler: «Ich fand es sehr interessant, als schwuler Mann darüber zu singen, dass ich einen Helden brauche»

Das neue Album von Adam Lambert heisst «Velvet». (Bild:  Franz Szony)
Das neue Album von Adam Lambert heisst «Velvet». (Bild: Franz Szony)

Auf seinem neuen Soloalbum «High Drama» hat Queen-Sänger Adam Lambert eine breite Auswahl bekannter Popklassiker und zum Teil fast obskurer Songs neu aufgenommen. In seinen Versionen sind manche Originale kaum noch zu erkennen. Gut so.

Von Philip Dethlefs, dpa

Er gilt immer noch als der neue Frontmann der Band Queen. Dabei tritt Adam Lambert schon seit 2011 regelmässig mit der Rocklegende auf und hat inzwischen auch viele Skeptiker*innen überzeugt (MANNSCHAFT berichtete). Im Sommer füllten Queen + Adam Lambert auf ihrer Welttournee gleich zehnmal hintereinander die grosse O2-Arena in London. Jetzt widmet sich der 41-Jährige erstmal wieder seiner Solokarriere, die 2009 mit Platz zwei bei «American Idol» begann.

«High Drama» heisst sein fünftes Studioalbum. In Lamberts Leben gibt es derzeit aber kein Drama, wie er im Zoom-Interview mit der Deutschen Presse-Agentur in London betont. «Nein! Ich glaube, ich bin einfach bekannt dafür, auf der Bühne theatralisch zu sein», erklärt der Sänger. «Wenn ich auftrete, dann bringe ich gern eine Dosis an Emotion und Intensität mit ein. Und wir dachten einfach, dass dieser Titel gut zusammenfasst, wie ich diese Cover-Songs angegangen bin.»

Bei den Songs auf «High Drama» handelt es sich ausschliesslich um Coverversionen von Liedern unterschiedlicher Künstler*innen und Epochen, denen Lambert seinen eigenen sehr markanten Stempel aufdrückt. «Mich hat die Herausforderung begeistert, Songs auszuwählen, sie auf links zu drehen und wie etwas Neues oder etwas völlig Anderes klingen zu lassen», erzählt Lambert.

Sein Kriterium für die Auswahl: «Ich muss natürlich die Melodie mögen, aber auch den Text, die Geschichte dahinter. Was ist die Botschaft in einem Lied und wie passt die zu meinem Leben? Wie kann es meine eigene Wirklichkeit reflektieren?»

Es ist natürlich total camp, der Text ist im Prinzip lächerlich dramatisch.

Es geht wuchtig los mit Bonnie Tylers «Holding Out For A Hero», aus dem Lambert einen Elektro-Rocksong mit Shuffle-Rhythmus gemacht hat, der stilistisch irgendwo zwischen T.Rex, Gary Glitter, Katy Perry und Muse verortet ist. Nur die Melodie hat das Lied noch mit Tylers Evergreen von 1984 gemeinsam. «Es ist natürlich total camp, der Text ist im Prinzip lächerlich dramatisch», sagt der Sänger aus Indianapolis. «Aber ich fand es sehr interessant, als schwuler Mann darüber zu singen, dass ich einen Helden brauche, dass ich über ihn singe. Es ist ein Er und so soll er sein. Das hat echt Spass gemacht.»

Aus dem 90er-Jahre-Hit «Ordinary World» von Duran Duran machte Lambert eine ergreifende Piano-Ballade, die mit dem Original mithalten kann. «Wir kennen dieses Gefühl doch alle», sagt er. «Wir alle kennen das Gefühl von Verlust, das Gefühl von Trauer.» Bei einem Auftritt in der US-Show «The Voice» widmete er das Lied den Opfern des Amoklaufs im LGBTQ-Nachtclub Q in Colorado im vergangenen November (MANNSCHAFT berichtete).

Der Culture-Club-Hit «Do You Really Want To Hurt Me?» ist in Lamberts Version praktisch nicht wiederzuerkennen. «Ich wollte sehen, wie sich das anfühlt, wenn wir den Reggae-Rhythmus rausnehmen und es ein bisschen düsterer machen», sagt er. Boy George, seit jeher eines seiner Idole, habe ihm seinen Segen gegeben. «Es hat ihm wirklich gefallen.» Ähnlich kurios ist «Sex On Fire», ursprünglich von den Kings Of Leon, das nun klingt, als wäre Prince auf einer EDM-Party.

«Mad About A Boy» wurde von dem schwulen Tausendsassa Noël Coward in den 1930er Jahren zwar für eine Frau geschrieben, es soll aber auch eine – damals riskante – Version mit homosexuellen Anspielungen existiert haben.

«I’m A Man» stammt von dem in Vergessenheit geratenen Jobriath, der Lambert besonders am Herzen liegt. «Die Welt war damals noch nicht reif für einen Künstler wie Jobriath», sagt er über den Rockmusiker, der 1973 als erster offen homosexueller Sänger von einem Major Label (Elektra Records) unter Vertrag genommen wurde. Trotz hervorragender Kritiken blieb der kommerzielle Erfolg aus. Nach einem bewegten Leben starb Jobriath 1983 an den Folgen von Aids. «Dieser Typ hatte viel Talent und einen Traum, aber es hat nicht geklappt.»

Adam Lambert ist Spezialist darin, die Songs anderer zu singen, ohne dass der einstige «American Idol»-Zweite jemals in den Verdacht gerät, irgendwen kopieren zu wollen. Das ist spätestens seit seinem Engagement bei Queen bekannt, wo Freddie Mercury die wohl größten Fußstapfen hinterließ, die ein Frontmann einer Band hinterlassen kann. Trotzdem behielt Lambert quasi seine eigenen Schuhe an.

So auch auf «High Drama». Ob Kulthits der 80er Jahre, Jazz-Klassiker, Pop-Obskuritäten oder weniger bekannte, neuere Songs von Pink («My Attic») und Billie Eilish («Getting Older») – Adam Lambert macht sie sich auf seinem Album mühelos und wie selbstverständlich zu eigen. Das klingt richtig gut. Und auch Queen-Fans sollten mal reinhören.

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