Mein queeres Leben im Büroalltag: Verstecken ist keine gute Option
Auch wenn die Bastion der heteronormativen Welt bitter verteidigt wird
In einer Welt, geprägt von heteronormativen Vorstellungen, entscheidet sich unsere Kolumnistin* Anastasia Biefang bewusst dafür, ihre queere Identität nicht länger zu verbergen. Diese Offenheit birgt Herausforderungen, besonders in Gesprächen mit ihren Kolleg*innen.
Ich halte mit meinem Leben und damit, wie ich lebe, nicht (mehr) hinter dem Berg. Nicht bei meinen Freund*innen, nicht bei meiner Familie und mittlerweile auch nicht in meinem Beruf. Mein sehr queeres und abseits jeglicher Heteronormativität geführtes Leben ist ein sinn- und identitätsstiftender Teil meiner Persönlichkeit.
Und damit möchte ich mich vollkommen in meine sozialen Beziehungen einbringen. Nicht immer konnte ich frei darüber reden, war ausweichend oder habe es in Gänze vermieden. Aber unser Leben wird durch die Begegnung und den Austausch bestimmt.
In unendlich vielen sozialen Situationen offenbaren sich Menschen einander und geben Einblicke in ihre private Welt. Im Grunde nichts Ungewöhnliches, ausser du lebst in den Augen der anderen anders oder nicht alltäglich.
Das eigene Leben im Büroalltag zu verstecken und nicht darüber zu sprechen, ist keine gute Option. In einem Gespräch unter Kolleg*innen werden Fragen gestellt. Oft hatte ich das Gefühl, mich mit einer Antwort zurückhalten zu müssen, da ich sonst zu viel von mir offenbart hätte. Zum Beispiel, dass ich polygam lebe.
Ich habe nicht nur die romantische Beziehung zu meiner wunderbaren Ehefrau, sondern auch romantische oder sexuelle Beziehungen zu anderen Menschen – all genders welcome. Ein Thema, das in meiner queeren Community vielseitig und gefühlt alltäglich gelebt wird.
Niedlich war ein Erlebnis mit meinem Chef. Wir sprachen über Wochenendpläne und ich erwähnte, dass ich meine Partnerin treffen würde. Er fragte nur verdutzt, ob denn meine Frau schon wieder aus dem Ausland zurück sei und ich entgegnete nur «Nein, sie ist weiterhin dort.» Nach ein paar Augenblicken sickerte diese Info durch, wurde verstanden und abgespeichert. Es war eine Information, ein wichtiger Teil meines Lebens und seitdem weiss er, dass ich polygam lebe, ohne diesen Begriff jemals im Gespräch mit ihm benutzt zu haben.
Schwieriger war das Gespräch mit Kollegen zu dritt bei einem gemeinsamen Abendessen. Beiläufig kamen die Fragen auf nach der Frau, dem Leben, Kind, Haus und Hund. Als ich unverblümt von meiner Partnerin erzählte, offenbarte sich mir gegenüber eine Abwehrfront. Meine beiden cis-männlichen Kollegen erklärten mir gemeinsam, dass das ja gar nicht gehen würde, spätestens dann nicht mehr, wenn Kinder im Spiel seien.
Ich war verdutzt. Ich hatte nicht geahnt, dass ich damit ihren Moralvorstellungen gegen das Schienbein treten würde. Interessierte Fragen gab es keine, nur Zurückweisung und Unverständnis. Einen Einblick zu erhalten in meine Erfahrungen, daran waren sie nicht interessiert. Ich fühlte mich etwas abgewertet. Abwertung oder Geringschätzung in der Liebe zu meiner Frau oder auch in den Gefühlen zu meinen Partner*innen.
Verständnis darf auch langsam reifen
Die Bastion der heteronormativen Welt wurde vor meinen Augen hochgezogen und bitter verteidigt. Egal. Ich hielt Stand. Ich verteidigte mich nicht, denn es gab nichts zu verteidigen. Ich gewähre weiterhin Einblicke in mein Leben. Verständnis darf auch langsam reifen.
Über mein Leben zu sprechen, von den damit verbundenen wunderbaren Momenten wie auch unschönen oder traurigen zu erzählen, ist für mich ein weiterer Schritt, um Sichtbarkeit für Vielfalt zu schaffen. Kein «besseres» oder «schöneres» Leben zu führen, sondern einfach nur Einblicke in eine für viele doch andere Lebensweise zu geben.
Horizonterweiterung und zugleich Begegnung mit etwas Neuem – einfach so. Und auch für mich die schöne Erkenntnis: teile und bereichere.
Die trans Perspektive
Anastasia Biefang war die erste trans Kommandeurin der deutschen Bundeswehr und Protagonistin des Films «Ich bin Anastasia». Sie wohnt in Berlin.
[email protected] Illustration: Sascha Düvel
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*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
Eigentlich sollte unser Autor ein Interview mit dem kürzlich als pansexuell geouteten Torero Mario Alcalde führen. Es kam alles anders (MANNSCHAFT+).
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