Martha Liebermann, der nette Nazi und der schwule Kunstexperte
Der Film ist in der ARD Mediathek verfügbar
Die ARD zeigt das Drama «Martha Liebermann – Ein gestohlenes Leben». Der Film, der in der Nazi-Zeit spielt, hat eine schwule Storyline, aber retten kann die das Werk auch nicht, meint unser Rezensent.
Berlin, im Kriegsjahr 1943. Im Februar stirbt Max Liebermann, einer der bedeutendsten Vertreter des deutschen Impressionismus. Seine Witwe Martha Liebermann hätte sich niemals vorstellen können, ihre geliebte Heimat im Alter von 85 Jahren verlassen zu müssen. Doch als Jüdin bleibt ihr nur die Wahl, ins Ausland zu gehen oder auf ihre Deportation ins Konzentrationslager Theresienstadt zu warten.
Noch geben ihr das hohe Ansehen und die wertvollen Bilder ihres weltberühmten Ehemanns Max Liebermann einen gewissen Schutz. Doch wie lange noch? Marthas Vertraute drängen sie zu einem illegalen Verkauf der Porträts von sich und Max Liebermann, die von Anders Zorn stammen. So soll mithilfe der Widerstandsgruppe von Hanna Solf (Fritzi Haberlandt) die Flucht in die Schweiz finanziert werden. Gestapo-Kommissar Teubner wittert seine Chance, den couragierten Regimegegnerinnen eine Falle zu stellen.
Der für die Nazis arbeitende Kunstexperte Solbach, der seinen Geliebten Benjamin ausser Landes bringen möchte, ist undurchsichtig. Kann man ihm trauen?
Der Film hat also eine schwule Storyline: Benjamin, dargestellt von Vladimir Korneev (den man mit seiner Band vor der Corona-Pandemie oft im Berliner Tipi am Kanzleramt bewundern konnte) will vor den Nazis aus Deutschland fliehen, sein Lover, der Kunstexperte, will ihm helfen. Am Ende sind sie frei, doch es ist eine teuer erkaufte Freiheit, die Benjamin ablehnt.
Die Geschichte der letzten Tage im Leben von Martha Liebermann wird leider arg betulich und behäbig erzählt. Das Deutsche Fernsehen greift – mit immer denselben 1000-fach gezeigten Kameraeinstellungen, denselben uninspirierten Dialogen, in denen grosse Gefühle behauptet werden, aber selten gezeigt oder inszeniert werden – leider immer noch allzu oft auf die altbewährte Dr.-Oetker-Backmischung zurück. Keine Spur von Ottolenghi oder wenigstens Jamie Oliver.
Warum man Gestapo-Kommissar Teubner (immerhin nicht blond: Franz Hartwig) als NS-Softie inszeniert, der geradezu streichzarte Verhöre führt, bleibt das Geheimnis von Regisseur Stefan Bühling. Man muss nicht Filme über die Nazi-Zeit mit der grösstmöglichen Brutalität umsetzen, aber wenn man eine kammerspielartige Herangehensweise wählt, braucht man schon ab und zu mal eine Regie-Idee. Ein zertretenes Lutschbonbon reicht leider nicht.
Thekla Carola Wied als Martha Liebermann muss man freilich lieben, auch wenn man ihr in der Rolle mehr Tiefe und mehr Kanten gewünscht hätte. Das ARD-Drama «Martha Liebermann – Ein gestohlenes Leben» könnte ihr letzter Film gewesen sein. «Es wäre ein schöner Schluss», sagte sie kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. «Ich möchte mich zurückziehen.» Endgültig festlegen will sie sich aber nicht: «Falls noch einmal eine tolle Rolle vorbeikommt.»
Regina Ziegler hat den Film produziert, nach dem Drehbuch von Marco Rossi, das auf einer wahren Begebenheit beruht, nach Motiven des Romans «Dem Paradies so fern. Martha Liebermann» von Sophia Mott. Der Film erhielt in diesem Sommer beim Fernsehfestival in Monte Carlo zwei Goldene Nymphen, in den Kategorien Bester Film und Beste Darstellerin. Wied empfand die Auszeichnung als eine Art Krönung ihrer Karriere. «Das war ein besonderer Moment. Es ist mein 13. und zugleich mein schönster Preis», sagte sie.
Der Film «Martha Liebermann – Ein gestohlenes Leben» ist in der ARD am 10. Oktober zu sehen und nach der Ausstrahlung drei Monate lang in der ARD Mediathek verfügbar. (mit dpa)
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