Malta: Das stolze LGBTIQ-Paradies im Mittelmeer
Auf dem Inselstaat zwischen Sizilien und Nordafrika findet der erste LGBTIQ-Tourismus-Gipfel statt
Aus der Ferne kann man Malta aufgrund seiner LGBTIQ-freundlichen Politik feiern und bestaunen. Bessere Idee: Man fliegt einfach mal hin und lässt es sich auf dem Inselstaat zwischen Sizilien und Nordafrika gut gehen.
Die Reisebranche sieht in Malta ein enormes Potenzial, darum findet dort in der kommenden Woche der erste LGBTIQ-Tourismus-Gipfel statt. Vom 22. bis 23. November präsentieren internationale Experten neueste Studienergebnisse, erläutern die Entwicklung des wirtschaftlichen Potenzials von LGBTIQ-Tourismus und diskutieren, welche Faktoren für den LGBTIQ-Tourismusmarkt eine wichtige Rolle spielen.
LGBTIQ-Reisen gehören weltweit zu den am schnellsten wachsenden Märkten in der Branche
Rika Jean-François, CSR-Beauftragte der ITB Berlin, im Vorfeld des LGBT+ Tourismus-Gipfels: „Durch die zunehmende Sichtbarkeit und Akzeptanz der LGBTIQ-Community, steigt auch das Interesse am LGBTIQ-Reisemarkt. LGBTIQ-Reisen gehören weltweit zu den am schnellsten wachsenden Märkten in der Branche und mit schätzungsweise 23 Millionen LGBTIQ-Reisenden ist Europa ein extrem wichtiger Quellmarkt.“
Auch wenn Malta die Liste der homofreundlichsten EU-Länder anführt und man sich das Leben dort nahezu paradiesisch vorstellt, stösst man nicht alle Nase lang auf schwule oder lesbische Paare, die Händchen haltend durch die Strassen flanieren, wie es einem vielleicht in San Francisco, Brighton oder Berlin-Schöneberg passiert. Auch nicht in der Hauptstadt Valletta. Nicht dass ich das für meinen Seelenfrieden oder mein Urlaubsgefühl unbedingt brauche, aber es hätte ja sein können. Egal, mitten in meinen Aufenthalt fällt die Malta Pride und davon abgesehen, gibt es in dem Inselstaat im Mittelmeer auch genug anderes zu bestaunen.
Man kann sich gar nicht satt sehen an den vielen Palästen, Kirchen, Museen Auf Malta, dessen Hauptstadt Valletta dieses Jahr – neben Leeuwaren in den Niederlanden – europäische Kulturhauptstadt ist, kann man sich gar nicht satt sehen an den vielen Palästen, Kirchen, Museen. Freiwillig betrete ich normalerweise keine Kirchen, darum bin ich ganz froh, dass mich meine Begleitung, die mich an die Hand nimmt und über die Insel führt, überredet hat, einen Blick in die St.-John’s-Ko-Kathedrale zu werfen, die Ordenskirche der ehemals einflussreichen Malteser-Ritter.
Während sie von aussen eher nüchtern, fast unscheinbar wirkt, gibt es innen eine unfassbare barocke Pracht mit Steinreliefs, Fresken und Goldverzierungen auf farbigem Marmor und dazu zwei riesigen Gemälden Caravaggios – keine seiner androgynen Jünglinge oder halbnackten Knaben natürlich, sondern «Die Enthauptung Johannes des Täufers». Sehr beeindruckend, wie der Maler hier zu Beginn des 17. Jahrhunderts mit Licht und Schatten arbeitete.
Abtauchen zur «Titanic von Malta» Zum Inselstaat Malta gehören drei Inseln, Malta selber, Gozo und die kleinste der drei Inselschwestern: Comino. Gerade einmal 3 km² gross, kaum eine Handvoll Menschen lebt hier, alle anderen sind nur zu Besuch, im einzigen Hotel der Insel. Dafür kann sie mit der wohl bekanntesten Sehenswürdigkeit aufwarten: der blauen Lagune. Rund um Gozo wiederum, der zweitgrössten Insel des Archipels der Republik Malta, findet man viele Schauwerte eher unter Wasser. Taucher schwärmen etwa vom Wrack des 1890 gesunkenen französischen Luxusliners «Le Polynesien», auch als «Titantic von Malta» bekannt. Zwischen den Inseln besteht ein reger Fährverkehr, der günstig oder, für gute Schwimmer, sogar umsonst – denn die Überfahrt von Malta nach Gozo ist gratis, man zahlt erst auf der Rückfahrt.
Sehr zu empfehlen ist auch ein Besuch des maltesischen Fischerdorfs Marsaxlokk mit seinen vielen Restaurants und dem sonntäglichen Markt, auf dem man sich günstig mit Gewürzen eindecken kann. Oder mit einem Hut gegen die Sonne, denn die steht hier auch Mitte September voll im Saft.
Pastizzi und Kinnie Aus Touristensicht lebt es sich auf Malta vergleichsweise günstig. Man kommt prima durch den Tag mit ein oder zwei Flaschen Kinnie, einer Art Nationalgetränk, das seit 1952 auf Malta hergestellt wird, kohlensäurehaltig und durch das verarbeitete Wermutkraut etwas bitter, aber kalt genossen ist es absolut erfrischend. Dazu nehme man als Zwischenmalzeit ein Pastizz, ein reichlich fettes, aber eben auch leckeres Blätterteiggebäck, beispielsweise mit Ricotta gefüllt – zwei Stück davon (zum Preis von je 40 oder 50 Cent) und man ist satt und gestärkt, um weiter die Insel(n) zu erkunden.
Die Schönheit der Architektur in Mdina allein, der ehemaligen Hauptstadt Maltas im westlichen Zentrum der Insel gelegen, lässt einen sprachlos zurück. Phönizier, Ostgoten, Normannen, Römer, Araber – alle haben den Inselstaat auf ihre Weise geprägt, nicht zuletzt der Johanniter-Orden, der fast 270 Jahre lang die Geschichte Maltas bestimmte. Von den britischen Kolonialherren, die mehr als eineinhalb Jahrhunderte hier herrschten, bis Malta 1964 in die Unabhängigkeit entlassen wurde, sind unter anderem die roten Telefonzellen und der Linksverkehr geblieben.
Homosexualität war 1973 noch illegal Damals war der katholische Inselstaat noch ein anderes Land: «Homosexuelle Handlungen» standen bis 1973 unter Strafe. Bis Malta der Musterstaat wurde, von dem wir heute immer staunend lesen und hören, vergingen noch ein paar Jahrzehnte. Aber nach und nach hat sich der Inselstaat zwischen Sizilien und Nordafrika mit mehrheitlich katholischer Bevölkerung zum LGBTIQ-freundlichsten Land in der EU gemausert. Die Ehe ist geöffnet, homosexuelle Paare können Kinder adoptieren – sogar Homoheilertherapien sind verboten.
Auf dem, was bisher erreicht wurde, will sich die Regierung aber nicht ausruhen. Einen Tag vor der Pride stellte sie einen weiterführenden Aktionsplan vor, der bis 2022 umgesetzt werden soll. So plant man unter anderem, den rechtlichen Rahmen für Gleichberechtigung und Diskriminierungsfreiheit zu verbessern, etwa im Bildungssystem, aber ausdrücklich auch für Regenbogenfamilien, und bei der Verfolgung homophober Hassverbrechen will man erfolgreicher werden.
Grosse Veränderungen mit neuer Regierung «Von einem Paradies sind wir dennoch weit entfernt», erzählt der Fotograf Kris Micallef der mit «Lollipop» eine der beliebtesten queeren Partys auf Malta veranstaltet. Homophobie gebe es auch weiterhin, sagt Kris, noch immer hätten etliche Eltern Probleme damit, wenn ihr Kind homosexuell ist. «Als ich mein Coming-out hatte, war Malta noch sehr homophob, das hat sich aber deutlich geändert.» Zunehmend hätten sich Menschen geoutet, und die Amtsübernahme von Premier Joseph Muscat im Jahr 2013 sei natürlich auch ein wichtiger Faktor gewesen.
Es ist schwer, Stigmata und Vorurteile auszumerzen.
Die Malta Pride wurde in diesem Jahr erstmals von Clayton Mercieca veranstaltet, der seit Januar die LGBTIQ-Organisation Allied Rainbow Communities führt. Der 32-Jährige lebt mit seinem Partner in Rabat, der Zwillingsstadt Mdinas. Mit Hilfe einer Leihmutter haben sie einen Sohn bekommen und sind eine glückliche kleine Familie. Allerdings klagen sie: Väter haben in Malta nicht denselben Anspruch auf Elternzeit wie Mütter.
Gute Zusammenarbeit mit Behörden Dass Malta insgesamt aber in Sachen LGBTIQ-Rechte so fortschrittlich da steht, führt Clayton auf die Graswurzelbewegung in dem kleinen EU-Staat zurück, wobei der Regierungswechsel vor fünf Jahren den Wandel rasant beschleunigt habe. Natürlich sei aber noch nicht alles erreicht.
«Es ist schwer, Stigmata und Vorurteile auszumerzen, aber bislang bekommen wir viel Unterstützung von Regierung und Behörden, mit denen wir gut kooperieren», erzählt er. Beinahe 5000 Menschen nahmen in diesem Jahr an seiner ersten Pride und der anschliessenden Kundgebung und Party teil. Für Malta ist das viel. Zumal im Vorjahr nur etwa halb so viele Menschen dabei waren. Es war ein sehr angenehmer entspannter Tag mit geradezu familiärer Atmosphäre. Man hatte Gelegenheit, Details wahrzunehmen, die einem bei Massen-Events wie den Prides in Köln oder Berlin vielleicht entgehen. Beispielsweise das Elternpaar aus Gozo, das den Stolz auf ihren schwulen Sohn in T-Shirts im Partnerlook ausdrückt.
Dass am Rande der Veranstaltung ein junger Mann unterwegs war, der behauptete, Jesus habe ihn vom Schwulsein geheilt, interessierte kaum jemanden. Nicht mal eine Handvoll Leute liess sich auf eine Diskussion ein – die meisten liefen lachend an ihm vorbei. Auch das gehört zur neuen maltesischen Entspanntheit.
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