Luke Evans: «Ich habe keine Geduld für Ignoranz»
Der Sänger und Schauspieler über seine Heimat Wales, seine Vorbildfunktion und Nicole Kidman
Vor zirka zwanzig Jahren äusserte sich Hollywood-Star Luke Evans öffentlich zu seiner Homosexualität, was seiner Karriere keineswegs schadete. Im Gegenteil: Neben der Schauspielerei schlägt in der Brust des 43-Jährigen noch ein zweites Herz, und zwar eines für die Musik. Jüngst schlägt es in seinem neuen Album «A Song For You».
Luke, für viele Schwule bist du ein Vorbild, während andere Männer in der Öffentlichkeit noch immer damit hadern, zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen. Ich bin froh, wenn ich auch nur einer einzigen homosexuellen Person helfen kann. Egal, ob sie mit ihrer Identität kämpft, im Beruf mit dem Selbstvertrauen oder ob sie ehrgeizig sein will, obwohl das Privatleben dazwischenkommt. Mein Werdegang beweist, dass man alles erreichen kann, was man will. Man muss dranbleiben, mutig sein und wissen, dass man nicht allein ist.
Inwieweit ist es dir wichtig, auch Rollen zu verkörpern, die in den Köpfen mancher mit dem Attribut «heterosexuell» verbunden sind? Ich glaube nicht, dass es etwas mit der Sexualität zu tun hat. Die richtige Person bekommt den Job. Es geht um Talent. Hätte ich das nicht, würde ich keine Karriere machen. Ich bin zufrieden mit den Rollen, die ich gespielt habe, und freue mich, dass die Leute gesehen haben, dass ich in alle möglichen Arten von Charakteren schlüpfen kann.
Was fasziniert dich am Singen und Musik machen? Ich liebe die Tatsache, dass die Stimme ein Instrument ist, das ich immer und überall mit mir herumtragen kann. Wenn ich es gut pflege, wird es sehr lange halten. Ausserdem beeindruckt mich, wie aus einer mit Worten festgehaltenen Idee – aus einer Zeile, einem Stück Poesie oder einer Geschichte – eine Melodie entspringt. Es ist wie eine Brücke, an deren Ende ein Song steht.
Welche Brücke schlägst du zwischen dem Singen und dem Schauspielern? Sowohl, wenn ich eine Figur spiele, als auch, wenn ich ein Lied singe, verbinde ich meine Gefühle mit dem Text. Auf diese Weise transportiere ich dem Publikum eine bestimmte Energie oder geistige Verknüpfung, egal, ob dieses zuschaut oder zuhört. Das ist die Gabe der Schauspieler*innen und Sänger*innen. Sie interpretieren das, was auf einem Blatt Papier geschrieben steht, und transferieren es in etwas, das die Menschen bewegt.
Viele Leute waren schockiert
«A Song For You» ist dein zweites Album. Wie empfandest du das Feedback zu deinem Debüt «At Last», das eine Sammlung von Coversongs ist? Das Feedback war unglaublich. Viele Leute waren schockiert über meine Songauswahl. Als Künstler will ich das Publikum aber überraschen. Das wollte ich immer schon. Bei meinem ersten Album konnten die Zuhörer*innen durch die von mir ausgewählten Lieder meine stimmlichen Fähigkeiten kennenlernen. Die Reaktionen waren herzerwärmend und meine Fangemeinde hat mich unglaublich unterstützt. Ich bin dankbar, dass ich als Sänger und als Schauspieler akzeptiert werde.
Du interpretierst Lieder von anderen Musiker*innen neu. Warum? Für das zweite Album wollte ich eine Mischung aus Covern, Duetten und Eigenkompositionen. Die Songs, die ich dafür von Kolleg*innen ausgewählt habe, inspirieren mich seit Jahren. Ich hatte vorher nicht die Gelegenheit, sie aufzunehmen. Sie sind allesamt bewegend, erzählen spannende Geschichten und liegen in meinem stimmlichen Spektrum. Wenn ich bekannte Titel covere, versuche ich, sie so originell wie möglich zu gestalten, damit sie nicht nur Imitationen des Originals sind. Die anderen Tracks entstanden derweil in meinem stillen Kämmerlein. Das war das erste Mal, dass ich überhaupt selbst geschrieben habe. Eine aufregende Erfahrung.
Mit Nicole Kidman und Charlotte Church hast du zwei wunderbare Duettpartnerinnen gewinnen können. Wie kam es dazu? Bei «Come What May» hatte ich immer Charlottes Stimme im Kopf. Ich kenne sie, seit sie zehn Jahre alt ist. Wir hatten denselben Gesangslehrer in Cardiff, Südwales. Ich habe ihre Karriere lange verfolgt, hatte aber nie Möglichkeit, einen Song mit ihr zu realisieren. Als ich «Come What May» aufnahm, nutzte ich die Chance. Die Zusammenarbeit mit Nicole geht auf die Dreharbeiten von «Nine Perfect Strangers» in Australien zurück. Wir hatten viele Gespräche über das Singen, die Musik, mein erstes Album und wie sehr es ihr und Keith Urban, ihrem Mann, gefiel. An einem Abend durfte ich mit ihnen Musik machen. Keith war am Klavier. Da Nicole eine sehr beschäftigte Person ist, rechnete ich nicht damit, dass sie Zeit für eine Aufnahme haben würde. Trotzdem präsentierte ich ihr die Idee und sie gefiel ihr.
«Calon Lân» ist ein walisisches Lied. Was bedeutet dir dein Heimatland? Das Lied schwingt bei fast allen Walisern, die ich je getroffen habe, unterschwellig mit. Wir sind damit aufgewachsen, haben es in der Kirche, in der Schule und bei Rugbyspielen gesungen. «Calon Lân» bedeutet «reines Herz». Es ist ein mitreissendes, vereinigendes, prickelndes Stück, das mich daran erinnert, warum ich stolz bin, Waliser zu sein. Wales ist ein Land der Musik, Kultur, Poesie und Natur. Für mich ist «Calon Lân» der Inbegriff eines Heimwehauslösers.
Ich habe keine Geduld für Ignoranz
Was wünschst du dir für die Zukunft in Bezug auf die Akzeptanz verschiedener Geschlechtsidentitäten und sexueller Präferenzen? Glaubst du, dass wir auf dem Weg zu mehr Toleranz sind? Ja, das tue ich. Die Dinge haben sich massiv verändert. Wir bewegen uns in die richtige Richtung und das in einem rasanten Tempo. Es gibt Platz für uns alle und jeder sollte das Gefühl haben, dass er eine Stimme hat, dass er gesehen wird und dass er wichtig ist. Ich habe keine Geduld für Ignoranz.
Luke Evans
Der 43-jährige Hollywood-Star sprach 2002 in einem Interview mit Gay Times erstmals öffentlich über seine Homosexualität. In den Folgejahren ergatterte der gebürtige Waliser heroische Rollen in Filmen wie «Der Hobbit» oder «Die drei Musketiere» und verkörperte Schurken wie Gaston im Disney-Remake von «Die Schöne und das Biest». Evans wurde dabei zu keinem Zeitpunkt auf seine Sexualität reduziert, sondern schlüpfte in unterschiedlichste Charaktere mit verschiedenen sexuellen Orientierungen.
Als Sänger hat er Anfang November «A Song For You» veröffentlicht (MANNSCHAFT berichtete): Der Nachfolger zu seinem Debüt-Cover-Album «At Last» (2019) enthält erstmals auch von ihm selbst geschriebene Stücke. Er setzt dabei auf grosse Gefühle, wie es beispielsweise auch für Elton John oder George Michael typisch ist. Wer dem Motto «Mehr ist mehr» nicht abgeneigt gegenübersteht, dürfte dieser LP einiges abgewinnen können.
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