LGBTIQ in Taiwan: «Eine grossartige Entwicklung»

Aktuell setzt sich die queere Community für die Rechte von trans Personen ein

Ein Regenbogen erinnert daran, dass das Taipeher Geschäftsviertel Ximending nachts zum queeren Hotspot wird (Bild: Tobias Sauer)
Ein Regenbogen erinnert daran, dass das Taipeher Geschäftsviertel Ximending nachts zum queeren Hotspot wird (Bild: Tobias Sauer)

Im Jahr 2019 öffnete Taiwan die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Dennoch wurden LGBTIQ in Fragen von Ehe und Adoption weiterhin diskriminiert. Jetzt erkämpfte die Community wichtige Reformen. Ausgerechnet international aber erhält sie weniger Unterstützung als erhofft. Das liegt auch am Dauerstreit mit dem grossen Nachbarland.

An einem sonnigen Samstag im vergangenen November macht der «Love River», der mitten durch die Hafenstadt Kaohsiung im Süden Taiwans fliesst, seinem Namen alle Ehre. Rund 20 000 Menschen feiern während der Kaohsiung Pride an seinen Ufern, schwenken Regenbogenfahnen und tanzen zu Musik, als der Demonstrationszug den Fluss passiert.

Viele Besucher*innen tragen fantasievolle Kostüme, die an Manga– oder Science-Fiction-Filme erinnern. Manche zeigen ihre Fetisch-Ausrüstung, von Lack und Leder bis zu Puppy-Masken. Wieder andere präsentieren stolz ihre muskulösen Oberkörper. Bei der Abschlusskundgebung singt die Menge inbrünstig den Schlager «Cai Hong», den die Sängerin A-Mei auf der Bühne zum Besten gibt. Auf Deutsch heisst das «Regenbogen». Das Lied ist in Taiwan der queere Hit der Saison.

Die grosse Schwester in Taipeh Die Pride in Kaohsiung ist die sonnige kleine Schwester der grösseren Pride in Taipeh, der Hauptstadt Taiwans. Trotz Dauerregens gingen dort wenige Wochen zuvor, im Oktober, sogar rund 120 000 Menschen auf die Strasse (MANNSCHAFT berichtete). Die feierten die politischen Erfolge der letzten Jahre – vor allem die Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare.

In Taipeh war die Pride immer politisch. Teilnehmende fordern das Ende von Diskriminierungen, etwa bei gleichgeschlechtlichen Ehen (Bild: Tobias Sauer)
In Taipeh war die Pride immer politisch. Teilnehmende fordern das Ende von Diskriminierungen, etwa bei gleichgeschlechtlichen Ehen (Bild: Tobias Sauer)

«Zugleich aber formulierten sie weitere Forderungen. «Pride in Taiwan war immer ein Protest», erklär Yu-Hsun Tai von der Organisation Taiwan Rainbow Civil Action Association, die den Pride in Taipeh veranstaltet.» Auf Schildern forderten Teilnehmende unter anderem den Abbau von bestehenden Diskriminierungen zwischen homo- und heterosexuellen Ehepaaren und mehr Rechte für trans Personen.

Mit einigen dieser Forderungen werden sie, wie sich in den Wochen danach zeigen wird, erstaunlich zügig erfolgreich sein. Zum Beispiel im Kampf um die völlige Gleichstellung von hetero- und homosexuellen Ehepaaren.

Die beispielhafte Odyssee von Jamie und Cathy Als Taiwan im Jahr 2019 als erstes Land in Asien die Ehe öffnete, war die Freude über diesen Fortschritt auf der Insel gross. Doch bi-nationale Paare mussten erst einmal genau prüfen, ob sie in Taiwan überhaupt heiraten durften. So wie Jamie und Cathy, die beide in Taipeh leben.

Während Jamie taiwanische Staatsbürgerin ist, kommt Cathy aus Hongkong. Die beiden hatten sich bei der Pride in Hongkong vor rund acht Jahren kennengelernt. Weil beide in der queeren Bewegung aktiv waren, liefen sie sich bei Veranstaltungen immer mal wieder über den Weg. Bis aus der Bekanntschaft schliesslich Liebe wurde.

Als Taiwan die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe diskutierte, beschlossen sie, gemeinsam auf die Insel zu ziehen. «Wir wollten an einem Ort sein, der uns vor Diskriminierung schützt», sagen sie. Doch das schliesslich erlassene Gesetz sah eine merkwürdige Ausnahme vor: Jamie hätte Cathy nur dann heiraten können, wenn auch deren Heimatland die Ehe für alle eingeführt hätte. Wäre Cathy also Schweizerin, Österreicherin oder Deutsche, wäre die Ehe möglich gewesen. Aber in Asien gibt es ausser in Taiwan diese Möglichkeit eben in keinem anderen Land – auch nicht in Hongkong. Also verweigerten die Behörden die Hochzeit.

(Bild: Tobias Sauer)
(Bild: Tobias Sauer)

Für die beiden war das eine grosse Enttäuschung – mit potenziell gravierenden Folgen. Denn zeitgleich verschärfte Taiwan die Visa-Bestimmungen für Menschen aus Hongkong. War es für Cathy zuvor relativ einfach, in Taiwan zu leben, drohte ihr nun auch noch der Verlust des Aufenthaltstitels. Die beiden waren nicht die einzigen, die von dieser Regelung betroffen waren. Auch Guzifer zählt dazu.

Die erste Trauung im Gerichtssaal Der schwule Aktivist Guzifer, der die Pride entlang des Love River in Kaohsiung mitorganisiert, stammt aus Macau und stand bei der Hochzeit mit seinem taiwanischen Partner vor denselben Problemen wie Jamie und Cathy. Den queeren Aktivisten regte besonders auf, dass die Einschränkung nur für queere Paare gelten sollte, nicht aber für Heteros. Auch deshalb wirkte die Rechtfertigung der Regierung auf ihn unglaubwürdig.

«Wir waren das erste Paar in Taiwan, das im Gerichtssaal getraut wurde.»

Guzifer, Aktivist

Die argumentierte, dadurch solle nicht nur illegale Einwanderung vermieden werden, sondern sogar die Infiltration durch feindliche Geheimagent*innen. «Warum soll das nur für gleichgeschlechtliche Paare gelten, aber nicht für heterosexuelle?», fragt Guzifer. Gemeinsam mit seinem Mann zog er vor Gericht, klagte – und gewann. «Wir waren das erste Paar in Taiwan, das im Gerichtssaal getraut wurde», erinnert er sich stolz.

Jamie und Cathy hingegen entschieden sich gegen einen solchen Schritt. Sie wollten die damit verbundene öffentliche Aufmerksamkeit vermeiden. Doch sie hatten Glück. Denn als Reaktion auf den andauernden Protest – nicht zuletzt bei der Pride – änderte das taiwanische Parlament im Januar 2023 endlich das Gesetz. Jetzt dürfen die meisten bi-nationalen gleichgeschlechtlichen Paare heiraten. Auch Jamie und Cathy gaben sich so schnell wie möglich das Ja-Wort.

Dennoch ist ein Nachbarland von der Gleichstellung ausgenommen, und zwar ausgerechnet das grösste: China. Aktivsten wie Sih-Cheng von der «Taiwan Tongzhi Hotline Association», der grössten queeren NGO Taiwans, sind mehrere Paare bekannt, die deshalb immer noch nicht heiraten können. Ganz gewonnen ist dieser Kampf also noch nicht.

Auch bei einem weiteren Thema waren gleichgeschlechtliche Ehen schlechter gestellt – auf eine besonders absurde Weise: die Rechtslage erlaubte die Adoption von Kindern nur heterosexuellen Ehepaaren und unverheirateten Singles gleich welcher Orientierung, nicht aber verheirateten gleichgeschlechtlichen Paaren.

Entwicklung Gleichstellung in Taiwan

1987: Beginn des demokratischen Reformprozesses in Taiwan nach fast vier Jahrzehnten Diktatur. 2003: Erste Pride in Taipeh. 2007: Ein Anti-Diskriminierungsgesetz verbietet Diskriminierung am Arbeitsplatz. 2017: Das Verfassungsgericht entscheidet, dass das Parlament innerhalb von zwei Jahren die gleichgeschlechtliche Ehe ermöglichen muss. 2018: In einem nicht-bindenden Referendum spricht sich die Mehrheit gegen die Ehe für alle aus. 2019: Das Parlament führt die Ehe für alle am 17. Mai ein. 2023: Das Parlament baut weitere Benachteiligungen für bi-nationale Paare und bei Adoptionen ab.

Bizarre Wahl: Heiraten oder Adoptieren Viele Paare stellte das vor eine bizarre Wahl: Wollten sie Kinder adoptieren, mussten sie auf eine Hochzeit verzichten oder diese zumindest bis nach der Adoption des Kindes verschieben. Eine der Betroffenen ist Chia-Jong. Die junge Frau verschob die Heirat mit ihrer damaligen Freundin – die beiden haben sich in der Zwischenzeit getrennt – um ein Kind adoptieren zu können.

«Hätten wir geheiratet, wäre eine Adoption nicht möglich gewesen.»

Chia-Jong

«Hätten wir geheiratet, wäre eine Adoption nicht mehr möglich gewesen», erklärt sie. Noch härter traf es Paare, die bereits geheiratet haben und erst danach über eine Adoption nachdachten. «Ich kenne ein Paar, das sich wieder hat scheiden lassen», berichtet Chia-Jong.

Mit ihrer NGO «Taiwan LGBT Family Rights Advocacy» setzt sich Chia-Jong für das Recht auf Adoption ein (Bild: Tobias Sauer)
Mit ihrer NGO «Taiwan LGBT Family Rights Advocacy» setzt sich Chia-Jong für das Recht auf Adoption ein (Bild: Tobias Sauer)

Unter der Regelung litten nicht nur die Familien, die bereits Kinder adoptiert hatten oder dies planten, erklärt Chia-Jong. Rund 800 Kinder warten Chia-Jongs Angaben zufolge in Taiwan auf eine Adoption. Auch in deren Sinne sei es deshalb, sinnlose Hürden für eine Adoption abzubauen.

Gegen die Regelung demonstrierte Chia-Jong mit ihrer NGO «Taiwan LGBT Family Rights Advocacy» bei der Pride in Taipeh. Kinder hatten dafür zuvor Regenbogenflaggen gestaltet oder sich und ihre Regenbogenfamilien auf Plakate gemalt. Damit liefen sie in einer eigenen Kinder-Pride einmal um das Rathaus von Taipeh – die eigentliche Pride-Strecke wäre für sie zu lang gewesen.

Erneut haben die Proteste zu schnellem Erfolg geführt. Im Mai 2023, rund ein halbes Jahr nach der Pride, verabschiedete das Parlament eine Reform, mit der die Adoptionsregeln zwischen homo- und heterosexuellen Ehepaaren angeglichen werden. Zugleich hat Taiwan damit die Partner*innen-Adoption eingeführt, mit der Eheleute einfacher als zuvor von ihren Partner*innen adoptierte Kinder ebenfalls adoptieren können.

«Das ist wirklich eine grossartige Entwicklung», sagt Sih-Cheng Du von der Tongzhi Hotline Association. «Jetzt können beide Eltern auch offiziell Eltern sein.» Auch Chia-Jong ist mit der Reform zufrieden: «Damit haben Kinder jetzt mehr Chancen, eine Adoptivfamilie zu finden.»

Entwicklung Pride in Taipeh

2003: Erste Pride in Taipeh mit 800 Teilnehmenden. 2009: 25 000 Menschen nehmen bei der Pride in Taipeh teil. 2011: 50 000 Menschen nehmen bei der Pride in Taipeh teil. 2019: Nach der Öffnung der Ehe feiern 200 000 Menschen bei der Pride in Taipeh. 2021: Während der Corona-Pandemie findet die Pride online statt, 43 000 Menschen nehmen teil. 2022: Im ersten Jahr nach Corona feiern 120 000 Menschen die Pride in Taipeh.

Licht an für Trans-Rechte Bleibt ein dritter Bereich, in dem sich die queere Community in Taiwan aktuell für Verbesserungen einsetzt: Die Rechte von trans Personen. Am Abend vor der Pride in Taipeh organisierte die Tongzhi Hotline Association die Trans Pride rund um das «Red House» im Taipeher Stadtteil Ximending. Der gilt als das traditionelle queere Zentrum Taipehs mit Bars und Clubs.

Am Abend vor der Pride zeigt die trans Community in Taiwans Hauptstadt Flagge (Bild: Tobias Sauer)
Am Abend vor der Pride zeigt die trans Community in Taiwans Hauptstadt Flagge (Bild: Tobias Sauer)

«Wir wollen auf die spezifischen Probleme von trans Personen aufmerksam machen», sagt Sih-Cheng. Dazu zählten Missverständnisse und Ignoranz sowohl in der ganzen Gesellschaft als auch in der queeren Community. Die Trans Pride, die 2023 zum vierten Mal stattfand, stellte die Organisation deshalb unter das Motto «Turn on the Lights for Trans Rights» («Lichter einschalten für trans Rechte»). Ein Titel, der auch deshalb passt, weil die Veranstaltung am Abend nach Sonnenuntergang begann und trans Personen im wahrsten Sinne des Wortes eine Bühne gab.

Dort, im Scheinwerferlicht, erzählten mehrere von ihnen ihre Geschichte. Auch Dillon, der sich als «non-binary trans guy» vorstellt. Gemeinsam mit anderen organisiert er Treffen von trans Personen. Viele von ihnen, so berichtet er, kannten keine anderen trans, bevor sie zu den Treffen gingen. «Nach wie vor haben viele trans Personen auch mit der Akzeptanz in ihren Familien zu kämpfen», sagt er.

Zu den drängendsten Problemen zähle darüber hinaus das Personenstandsrecht. Hier fordern die Aktivist*innen eine Reform, die es trans Personen erlauben würde, einen diversen Geschlechtseintrag zu wählen. Obwohl solche Reformen seit einigen Jahren diskutiert werden – und obwohl in Taiwan mit Audrey Tang sogar eine trans Person ein Ministeramt bekleidet – wurden sie bislang nicht umgesetzt.

Ob und wann eine solche Reform kommt, ist schwer abzuschätzen. Aber immerhin steigt die Aufmerksamkeit für das Thema. «Von der Bühne aus zu sehen, wie viele Leute hier zur Trans Pride gekommen sind, und das obwohl es regnet, hat mich überrascht und berührt», sagt Dillon. Und tatsächlich zählt die Szene, als eine riesige Trans-Flagge unter dem Applaus tausender Teilnehmenden von der Bühne geholt und dann durch die Strassen Taipehs getragen wird, zu den berührendsten Momenten des gesamten Pride-Wochenendes.

Die erste Pride nach der Diktatur Noch vor 30 Jahren wäre all dies geradezu undenkbar gewesen. Damals überwand Taiwan in einem längeren Reformprozess Jahrzehnte der Diktatur. Auch der queere Gleichstellungsprozess hat in der Demokratiebewegung seine Wurzeln. Seinen ersten grossen öffentlichen Ausdruck fand er mit der ersten Pride in Taipeh im Jahr 2003. Das damalige Orga-Team rechnete mit nur wenigen Dutzend Teilnehmenden. Für den Fall, dass die sich nicht öffentlich erkennbar zeigen wollten, bastelte das Team Gesichtsmasken. Doch schon diese erste Pride übertraf alle Erwartungen: Statt einiger Dutzend kamen zwischen 800 und 1000 Menschen, und fast alle davon zeigten mutig Gesicht.

Seither haben sich nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen deutlich verbessert. Auch die gesellschaftliche Stimmung wandelte sich nach und nach. Noch 2018 lehnte die Mehrheit in einem nicht bindenden Referendum die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ab. Mittlerweile aber dürfte sich das geändert haben, sagt Yu-Hsun vom Orga-Team der Pride in Taipeh. Auch die Prides selbst sind mittlerweile wahre Publikumsmagneten. Im Jahr 2019, nach der Einführung der Eheöffnung, gingen in Taipeh 200 000 Menschen auf die Strasse. Die Pride gilt damit als die grösste in Asien.

Worldpride in Taiwan überraschend abgesagt Angesichts all dieser Erfolge und Entwicklungen schien es nur folgerichtig, dass die Organisation Interpride die Worldpride für das Jahr 2025 nach Taiwan vergab. So, wie die queere Welt in diesem Jahr in Sydney zusammenkam, hätte sie sich dann erstmals überhaupt in Asien zu einer Worldpride versammelt. Doch daraus wird nichts. Im vergangenen Jahr sagten die Organisator*innen vor Ort die Worldpride im Streit mit Interpride überraschend wieder ab.

Der Grund scheint auf den ersten Blick banal. Weil sich für die Worldpride Kaohsiung, Taipeh und andere Städte zusammentaten, hatten die federführenden Veranstalter in Kaohsiung unter dem Namen «Worldpride Taiwan 2025» für den Event geworben. Auch Interpride nutzte diesen Titel. «Dann jedoch verlangte Interpride, dass wir auf das Wort Taiwan im Namen verzichten sollten», sagt Guzifer. Für das Team war das unannehmbar.

Zu verstehen ist diese Haltung nur vor den geopolitischen Auseinandersetzungen in Ostasien – vor allem mit China. Obwohl Taiwan eine selbstständig regierte Republik ist, erhebt die Staats- und Parteiführung der Volksrepublik China Anspruch auf die 180 Kilometer vor der Küste liegende Insel. Um es sich mit Peking nicht zu verscherzen, erkennen nur wenige Länder weltweit Taiwan als eigenständigen Staat an.

«Der Name ‹Taiwan› ist eine Frage der Identität.»

Guzifer, Aktivist

Die taiwanischen inoffiziellen Botschaften tragen Titel wie «Taipeh Vertretung». Und selbst bei den Olympischen Spielen dürfen Sportler*innen aus Taiwan nur für die Mannschaft «Chinesisches Taipeh» antreten. Angesichts dieser Bedrohung sei der Name «Taiwan» eine Frage der Identität, erklärt Guzifer. «Und gerade als LGBTIQ sollten wir Namen und Identität respektieren.»

Viele Besuchende feiern die Pride in der südtaiwanischen Hafenstadt Kaohsiung, indem sie sich in fantasievolle Manga- und Science-Fiction-Kostüme werfen (Bild: Tobias Sauer)
Viele Besuchende feiern die Pride in der südtaiwanischen Hafenstadt Kaohsiung, indem sie sich in fantasievolle Manga- und Science-Fiction-Kostüme werfen (Bild: Tobias Sauer)

Über die Gründe für die Position von Interpride zum Namensstreit blühen derweil die Spekulationen. Möglicherweise fürchtete die Organisation, einen angestrebten «Konsultativstatus» bei den Vereinten Nationen (UN) nicht zu erhalten, sollte sie ein Event mit dem Namen Taiwan im Titel zulassen. Bei den UN hat China grossen Einfluss. Auf Interviewanfragen von Mannschaft hat Interpride nicht reagiert.

Rückschritte in China Gerade in China hat sich die Situation für Queers in letzter Zeit jedoch immer weiter verschlechtert: Die Öffnung der Ehe stand ohnehin noch nie ernsthaft auf der politischen Agenda. Zuletzt musste in Peking das wichtigste queere Zentrum schliessen. Und Pride-Paraden fanden selbst in weltoffenen Städten wie Shanghai schon seit Jahren nicht mehr statt – von Demonstrationen mit weitreichenden politischen Forderungen ganz zu schweigen.

Die Erfolge der queeren Bewegung in Taiwan fallen demgegenüber besonders ins Auge. Sie kämen aber nicht aus dem Nichts, sagt Yu-Hsun vom Orga-Team der Pride in Taipeh. «All dies», erklärt er, «war nur möglich, weil es in Taiwan Demokratie gibt.» Ohne die von den Taiwaner*innen hart erkämpfte Meinungsfreiheit wären Pride-Demonstrationen unmöglich.

Fühlen sich Aktivist*innen in Taiwan angesichts dessen von Organisationen wie Interpride im Stich gelassen? Sowohl Yu-Hsun wie Guzifer argumentieren zurückhaltend. Guzifer verweist einfach auf Interessensunterschiede. Und doch äussern beide unabhängig voneinander ähnliche Wünsche. Die internationale Community solle, so hoffen sie, vom queeren Aktivismus in Taiwan Notiz nehmen. Entscheidend, meint Guzifer, sei internationale Sichtbarkeit. «Es ist wie bei jeder Pride», sagt er. Um für sich einstehen zu können, müsse man erst einmal wahrgenommen werden.

Kommende Pride-Termine in Taiwan: 


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