LGBTIQ-Ansprechstelle in Sachsen «noch ganz am Anfang»
Dirk Möller ist Leiter des Sachgebietes polizeiliche Beratung und Opferschutz und auch für LGBTIQ zuständig
Seit einem guten halben Jahr gibt es bei der Polizei eine zentrale Ansprechstelle für LGBTIQ in Sachsen. Sie ist im LKA in Dresden ansässig und im Gegensatz zu vergleichbaren Stellen in anderen Bundesländern weniger gut ausgestattet. Aber es ist ein Anfang.
Dirk Möller arbeitet in der Zentralstelle für polizeiliche Prävention im LKA Sachsen und ist Leiter des Sachgebietes polizeiliche Beratung und Opferschutz. Mit Erlass des sächsischen Staatsministeriums des Innern wurde im August 2019 dort auch die zentrale Ansprechstelle für LGBTIQ eingerichtet. Diese Stelle übt Möller im Nebenamt aus – ein deutlicher Unterschied etwa zu Berlin oder Hamburg, wo die Kolleg*innen hauptamtlich mit dem Thema befasst sind (MANNSCHAFT berichtete).
«Darum bin ich froh, dass sich in den Polizeidirektionen die hauptamtlichen Opferschutzbeauftragen u. a. auch mit dieser Thematik befassen.» Eine Aufgabe des polizeilichen Opferschutzes besteht u. a. darin, Opfern von Straftaten Hilfe und Unterstützung bei der Bewältigung der Situation zu geben. Auf bestimmten Gruppen wie etwa LGBTIQ in Sachsen ist der polizeiliche Opferschutz dabei grundsätzlich jedoch nicht ausgerichtet.
Seit August gibt es die Ansprechstelle, doch Möller steht mit seiner Arbeit noch ganz am Anfang. «Quasi in Kinderschuhen, gerade im Vergleich mit anderen Bundesländern.» Wie viel Zeit er als Leiter der zentralen Ansprechstelle für LGBTIQ investiert, lasse sich schlecht in Stunden beziffern, zumal er sich als Leiter eines Sachgebietes nicht ausschliesslich auf diese Aufgabe konzentrieren könne.
Personen, die Opfer von Straftaten mit LGBTIQ-Bezug geworden sind, können sich an die Stelle wenden. Nicht zuständig ist Möllers Stelle für polizeiinterne Vorgänge, etwa wenn es um Diskriminierung oder Benachteiligung innerhalb der Behörde geht; dafür seien die Personalvertretungen und Frauenbeauftragten zuständig.
Erstmal baue er nun Kontakte und Netzwerke auf. Einerseits habe er ein sehr grosses Vertrauen zu den Opferschutzbeauftragen (in jeder der 5 Polizeidirektionen gibt es eine*n hauptamtliche*n Beauftragen), die das Thema in die Dienststellen tragen. Es sei wichtig, dass die Polizisten sensibilisiert werden, gerade wenn es darum geht, Straftaten und Anzeigen aufzunehmen und gegebenenfalls LGBTIQ-Bezug zu erkennen und die Menschen mit Fingerspitzengefühl zu behandeln.
Auf der anderen Seite ist man im Gespräch mit der LAG Queeres Netzwerk, einer politischen LGBTIQ-Interessenvertretung im Freistaat. Man pflege einen sehr offenen und sachlichen Umgang, sagt Möller. Auch die LAG erklärt gegenüber MANNSCHAFT, mit dem Kontakt zu Möller und den getroffenen Vereinbarungen sei man derzeit zufrieden.
«So haben wir im letzten Jahr umfangreiche Massnahmen beschlossen – etwa dass die LAG Einblick in die bestehenden Curricula der Polizei(hoch)schulen zum Thema erhalten und es wurde ein grober Zeitplan für die Öffentlichkeitsarbeit zum Thema beraten. Jetzt verzögerten sich all diese Massnahmen», erklärt uns Britta Borrego, geschäftsleitende LAG-Bildungsreferentin.
«Es ist jedoch wichtig, dass sie auch trotz erschwerter Bedingungen zeitnah umgesetzt werden. Bedingt durch die Covid-19-Pandemie antizipieren wir einen Anstieg von häuslicher Gewalt, der auch LGBTIQ-Personen in Sachsen treffen wird. Zudem ist aufgrund der geltenden Allgemeinverfügung mit häufigeren Personenkontrollen zu rechnen. Auch hier ist eine Sensibilisierung der Beamt*innen, insbesondere für die Belange von trans Personen, dringend angezeigt.»
Für Möller hat die Zusammenarbeit zwei Seiten. Auch in der Community müssen die Angehörigen sensibilisiert werden, dass sie Vertrauen zur Polizei haben können und sich z. B. bei der Anzeigenerstattung gegenüber der Polizei öffnen. Eine Studie der LAG aus dem vergangenen Jahr zeigte, dass viele Vorfälle offenbar gar nicht zur Anzeige gekommen sind. Homo und bisexuelle sowie trans Personen berichteten von insgesamt 1672 Fällen vorurteilsmotivierter Gewalt in den vergangenen fünf Jahren, davon waren 198 Erfahrungen mit schwerer oder leichter Körperverletzung.
«Das Dunkelfeld aufzuhellen, ist eines unserer Ziele.» Das könne erreicht werden, wenn sich das Anzeigeverhalten verbessert, so Möller.
Was will er konkret tun? «Es ist wichtig, die Kollegen innerhalb der Polizei zu sensibilisieren, etwa mit Schulungsmassnahmen – so ist das Thema LGBTIQ auch Bestandteil der Aus- und Fortbildung bei der Polizei.» Schon die jungen Kolleginnen würden da herangeführt. Man könne sich vorstellen, so Möller, Referenten der LAG in Veranstaltungen der polizeilichen Aus- und Fortbildung einzubeziehen oder als Polizei an Veranstaltungen der LAG aufzutreten, etwa mit Vorträgen oder in Diskussionsrunden teilzunehmen.
Ende März war gerade eine gemeinsame Veranstaltung mit der LAG anberaumt, doch die musste wegen der Corona-Kontaktsperren verschoben werden. Die LAG hat aber klare Vorstellungen.
Bisher weiss niemand, dass die Opferschutzbeauftragten der Polizeidirektionen nun als Ansprechpartner*innen für LGBTIQ fungieren.
«Die beschriebenen Massnahmen und ihre Umsetzung sollten öffentlichkeitswirksam begleitet werden, um zu signalisieren, dass es bei Polizei und LKA vorangeht. Bisher weiss niemand, dass die Opferschutzbeauftragten der Polizeidirektionen nun als Ansprechpartner*innen für LGBTIQ fungieren», klagt Britta Borrego.
Grundlegende Informationen darüber müssten z.B. über Presseerklärungen, Webseiten und Social Media, später auch über Flyer in die Communities bzw. in die Öffentlichkeit gelangen, um langfristig Vertrauen in die sächsische Polizei aufzubauen. «Diese Massnahmen können wir aber nur unterstützen, wenn eine ausreichende Sensibilisierung zu den Lebenslagen und Bedarfen von LGBTIQ in Sachsen erfolgt ist.»
Während in Berlin, Brandenburg oder Hamburg die Ansprechpartner der Polizei oder der Bundespolizei selber auch schwul, lesbisch oder trans sind, sind es in Sachsen keine Menschen, die sich der LGBTIQ-Community zuordnen.
«Soweit ich weiss: nein. Ich gehöre selber auch nicht dazu», sagt Möller. Er sieht das auch nicht als notwendig an. «Wir sind alle sehr offen und haben auch selber in der Bekanntschaft oder Familie Mitglieder der LGBTIQ-Community, und es funktioniert wunderbar. Ich habe da keine Sorge.»
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