LGBTIQ-Gegner Mike Johnson auf Chefposten im US-Parlament
Eine konservative Überraschung, leider keine gute
Ein wenig prominenter Republikaner übernimmt den mächtigsten Posten im US-Kongress und ist die neue Nummer 3 im Staat. Der Mann ist ein Getreuer von Ex-Präsident Trump. Seine Wahl könnte Folgen weit über die USA hinaus haben.
Von: Christiane Jacke, dpa
Nach einem wochenlangen Machtkampf in den Reihen der US-Republikaner*innen ist ein konservativer Hardliner und Unterstützer von Ex-Präsident Donald Trump auf den mächtigsten Posten im amerikanischen Parlament aufgerückt. Die Mehrheit der Republikaner*innen im Repräsentantenhaus wählte den Abgeordneten Mike Johnson am Mittwoch zum Vorsitzenden der Repräsentantenhauses.
Der 51-Jährige ist damit die neue Nummer drei der staatlichen Rangfolge nach dem US-Präsidenten und dessen Vize. Mit seiner Wahl ist die Parlamentskammer nach mehr als drei Wochen des weitgehenden Stillstands wieder arbeitsfähig. Der wenig erfahrene und kaum bekannte Johnson hat allerdings grosse Herausforderungen vor sich. Demokrat*innen äusserten sich besorgt über die Personalie.
Johnson gehört zur religiösen Rechten seiner Fraktion, ist Abtreibungsgegner und lehnt die Ehe für alle ab. Kellery Robinson von Human Rights Campaign erklärte: «Diese Wahl wird einen Schandfleck im Protokoll aller hinterlassen, die dafür gestimmt haben.» Der Politiker sei «jemand, der nicht zögert, seine Verachtung für die LGTBIQ-Community zum Ausdruck zu bringen und dann Gesetze einzuführen, die darauf abzielen, uns aus der Gesellschaft auszulöschen», so Robinson.
Ende 2022 hatte er eine Bundesversion von Floridas «Don’t Say Gay»-Gesetz (MANNSCHAFT berichtete) mit dem Namen «Stop the Sexualization of Children Act» vorgelegt. Der Entwurf droht laut dem Portal LGBTQ Nation mit einer Kürzung der Bundesmittel für Bibliotheken, Schulbezirke, Krankenhäuser, Regierungsstellen oder andere Organisationen für die «Durchführung oder Förderung von Programmen, Veranstaltungen oder Literatur mit sexuell orientiertem Material», einschliesslich aller Themen rund um Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung oder «verwandte Themen».
Der vorherige Vorsitzende der Parlamentskammer, Kevin McCarthy, war Anfang Oktober in einer historischen Abstimmung abgewählt worden. Radikale Republikaner*innen hatten ihn aus dem Amt getrieben. Danach versank die Parlamentskammer im Chaos: Die tief zersplitterte republikanische Fraktion konnte sich nicht auf einen neuen Frontmann verständigen. Drei Kandidaten vor Johnson schmissen hin, weil ihnen der Rückhalt in den eigenen Reihen fehlte – zwei davon, bevor es überhaupt zu einer Abstimmung im Plenum kam.
Der Republikaner Jim Jordan liess drei erfolglose Wahlgänge in der Kammer über sich ergehen, bevor seine Fraktion ihn aus dem Rennen nahm. Die gesetzgeberische Arbeit in der Kammer stand in der Zwischenzeit weitestgehend still, was den Republikaner*innen viel Kritik einbrachte.
Auch republikanische Abgeordnete äusserten sich in den vergangenen Tagen zunehmend frustriert und verärgert. Die Fraktion bemühte sich daher nun um ein Signal der Einigkeit und wählte Johnson bei dessen erstem Anlauf einstimmig auf den Spitzenposten. Johnson versicherte nach seiner Wahl, die Fraktion sei nun geeint und gehe gestärkt aus den Turbulenzen hervor. «Wir haben eine Menge Lektionen gelernt», sagte er. «Durch Widrigkeiten wird man stärker.» Das Repräsentantenhaus sei nun zurück und seine Fraktion werde hart arbeiten, Teamwork zeigen und für das amerikanische Volk abliefern.
Durch Widrigkeiten wird man stärker
Tatsächlich hat die Parlamentskammer jede Menge zu tun. Bis Mitte November muss der Kongress einen neuen Haushalt verabschieden, sonst droht ein Stillstand der Regierungsgeschäfte – ein «Shutdown». Dann läuft nämlich ein Übergangshaushalt aus. Das Parlament muss sich auch mit dem Gaza-Krieg und dem Langzeitkonflikt in der Ukraine beschäftigen.
US-Präsident Joe Biden beantragte vergangene Woche ein mehr als 100 Milliarden US-Dollar (rund 94,5 Milliarden Euro) schweres Hilfspaket beim Kongress, das Unterstützung für die Ukraine und Israel enthält. Es ist aber fraglich, ob der Kongress zustimmen wird. Eine wachsende Zahl von Republikaner*innen sieht die Hilfe für Kiew zunehmend kritisch oder lehnt sie gar völlig ab. Johnson selbst hat sich in der Vergangenheit gegen US-Hilfen für das von Russland angegriffene Land gestellt.
Der Jurist und frühere Radiomoderator aus dem Bundesstaat Louisiana sitzt seit 2017 im Repräsentantenhaus. Der vierfache Vater ist evangelikaler Christ. Johnson war bislang Teil der erweiterten Fraktionsführung der Republikaner*innen, ist auf nationaler Bühne aber weitgehend unbekannt und hat im Repräsentantenhaus bislang nicht mal einen Ausschuss geleitet.
Selbst Parteikolleg*innen machten keinen Hehl daraus, dass Johnson für den Posten vergleichsweise wenig Erfahrung aufweist. «Er wird ein wenig lernen müssen», sagte der Republikaner Tom Cole der Washington Post. Ein anderer, nicht namentlich genannter Parlamentarier wurde zitiert mit den Worten: «Seine Bilanz ist nicht überragend.»
Die wochenlangen Machtkämpfe, die das Repräsentantenhaus weitgehend lahmlegten, brachten den Republikaner*innen den Vorwurf ein, komplett dysfunktional und politisch unfähig zu sein. Sie standen daher unter wachsendem Druck, einen neuen Vorsitzenden zu bestimmen. Johnson ist inhaltlich ein Hardliner, tritt vom Stil her aber moderater auf als andere und hat in der Fraktion keine persönlichen Feindschaften entwickelt – im Unterschied zu prominenteren Gesichtern vom rechten Rand.
Vor allem aber hat er einen gewichtigen Fürsprecher: Donald Trump. Der frühere US-Präsident, der gegen einen vorherigen moderateren Kandidaten offen Stimmung gemacht hatte, warb für Johnson. Demokrat*innen argumentierten, es sei bei der Kandidatenauswahl allein darum gegangen, Trump zu besänftigen. Die Demokratische Parteizentrale bezeichnete Johnson als «Marionette, die im Repräsentantenhaus nach Trumps Pfeife tanzt».
Er zählt zu Trumps loyalen Anhänger*innen. Johnson weigerte sich seinerzeit, Trumps Niederlage gegen Biden bei der Präsidentenwahl 2020 anzuerkennen, und unterstützte damals auf juristischem Weg Trumps Bemühungen, den Wahlausgang nachträglich ins Gegenteil umzukehren. Johnson war auch im Verteidiger*innenteam bei Trumps Amtsenthebungsverfahren.
Radikale Abgeordnete, darunter die acht Parlamentarier*innen, die McCarthys Sturz initiiert hatten, feierten Johnsons Wahl – auch als Zeichen eines Erstarkens des rechten Flügels. Tatsächlich zeigt die Personalie, wie weit die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus nach rechts gerückt ist und welchen Einfluss Trump dort hat.
Der Ex-Präsident konnte sich zwar nicht durchsetzen mit seinem Wunsch-Hardliner Jim Jordan, für den er sich stark gemacht hatte. Doch zeigte Trump eindrucksvoll seine Fähigkeit, Chaos zu stiften und den Wahlprozess zu lenken durch Wortmeldungen in die eine oder andere Richtung. Ob es dem wenig erfahrenen Johnson nun gelingen wird, das Chaos dauerhaft zu beenden und die weiter zersplitterte Fraktion bei kommenden Abstimmungen zusammenzuhalten, ist fraglich.
Am 29. Oktober 1923 rief Kemal Atatürk die Türkische Republik aus. Hundert Jahre später ist das Land von Konflikten geprägt, von Feierstimmung ist wenig zu spüren. Präsident Erdogan kommt das gelegen (MANNSCHAFT berichtete).
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