Basketballerin Deeshyra Thomas: «Am Ende ist alles Liebe»
Die Wahl-Berlinerin lebt queere Sichtbarkeit
Hochzeit, Babyglück, Meisterschaft: Bei Deeshyra Thomas ist in den vergangenen zwei Jahren viel passiert. Sportlich wie privat könnte die lesbische Basketballerin aus Berlin kaum glücklicher sein.
«Das ist immer noch wie ein Traum», sagt die 29-jährige und wirkt dabei so, als könne sie ihr Glück selbst kaum fassen. Als Deeshyra Thomas sich vor sieben Jahren entschied, die Vereinigten Staaten zu verlassen und es sie fast schon durch einen Zufall nach Deutschland verschlug, hatte sie nicht damit gerechnet, dass sie dieses Land mal ihr Zuhause nennen würde.
Doch genau so kam es. Ihr Agent besorgte ihr nach dem College einen Vertrag bei Frauen-Zweitligist Bergisch Gladbach, von da aus wechselte sie wenig später weiter nach Schwabach. In Mittelfranken entwickelte sich die 1,70 Meter grosse Spielmacherin dann nicht nur sportlich weiter, sondern lernte auch Teamkollegin Lea Vatthauer kennen und lieben. «Der süsseste Mensch», den sie je getroffen hat, wie Thomas einmal auf Instagram schrieb.
Im Juni 2022 heiraten die beiden und entschieden sich, nach Berlin zu ziehen. Thomas spielte zu dieser Zeit noch in Halle, Vatthauer arbeitete in Nürnberg, aber die Zukunft sollte in der deutschen Hauptstadt liegen. Also stiess die Spielmacherin gemeinsame Kontakte an und landete nach einem Probetraining und mehreren Gesprächen einen Vertrag bei Alba.
Mit ihrer Schnelligkeit und ihrem intelligenten Spiel entwickelte sich Thomas schnell zu einer der Leistungsträgerinnen, schaffte es mit den Berlinerinnen im ersten Bundesliga-Jahr des Vereins ins Halbfinale der Playoffs. In der vergangenen Saison folgte dann furios die Meisterschaft samt MVP-Titel für die Point-Guard-Spielerin, die daraufhin bis 2026 bei Alba verlängerte.
Berlin und Thomas – das passte von Beginn an zusammen. Und zwar nicht nur sportlich. «Erst ging es darum, dass wir einen Ort finden, an dem ich einen Job bekomme, selbst wenn ich nicht gut deutsch spreche», blickt Thomas zurück. «Aber mittlerweile sehe ich so viel mehr in dieser multikulturellen Stadt. Hier müssen wir uns nicht wegducken oder uns verstecken. Hier ist es normal, wenn zwei Frauen zusammen sind.»
Im sachsen-anhaltinischen Halle hatte das Paar schon ganz andere Sachen erlebt. Insofern schaut die Wahlberlinerin auch mit etwas Sorge auf die politische Entwicklung in Deutschland. «Es gibt noch so viele Gesetze, so viel Menschen, die überaus konservativ denken. Die meinen eine Familie könne nur aus Vater, Mutter, Kind bestehen», erklärt Thomas. «Aber wo ist das Problem? Am Ende ist alles Liebe.»
In der Basketball-Community hat sie sich auch wegen solcher Aussage als Vorbild für junge Sportler*innen etabliert, die sich mit ihrer eigenen Identität auseinandersetzen. Denn Thomas steht für Sichtbarkeit und Akzeptanz und zeigt, dass man sich nicht zwischen persönlichem Glück und beruflichem Erfolg entscheiden muss.
In welcher Welt ist Hassen besser als Lieben?
Immer wieder postet sie in den sozialen Medien aufbauende oder auch kritische Nachrichten an die queere Community. So schrieb sie zum Beispiel zur Pride 2021: «In diesem Monat geht es darum, du selbst zu sein, wahr zu sein und sich uneingeschränkt darüber zu freuen, zu lieben und geliebt zu werden. Die Leute predigen, dass etwas nicht stimmt, und hassen die Menschen so, wie sie sind. Aber in welcher Welt ist Hassen besser als Lieben? Etwas rückständig, oder? Liebe zu verbreiten ist für mich jeden Tag wichtiger als Hass.»
Liebe, das scheint für sie ohnehin die alles antreibende Kraft. Die Liebe ihrer Eltern, die ihr den Rücken gestärkt haben, damit sie ihren eigenen Weg gehen kann. Die Liebe zu dem Sport, der ihr so viele Wege geöffnet hat. Die Liebe zu ihrer Frau, die ihr noch einmal eine andere Welt eröffnet hat. Und mittlerweile auch die Liebe zu ihrer Tochter Skye, die alles Bisherige auf den Kopf gestellt hat. «Dadurch hat sich mein Leben noch einmal total verändert», berichtet Thomas.
Direkt nach der Hochzeit hatte das Paar beschlossen, eine Familie gründen zu wollen. Und nach zwei Jahren mit Terminen im Kinderwunschzentrum, der Suche nach einem Samenspender, vielen Unsicherheiten und Fragen sowie emotionalen Herausforderungen, war es dann endlich so weit, und Skye erblickte in diesem Sommer die Welt. Stolz postete Thomas ein Bild mit der Kleinen im Alba-Strampler – mit ihrer Nummer 24 auf der Brust versteht sich.
Rückhalt bekam das Duo dabei übrigens von einer Alba-Mitspielerin. Denn Stefanie Grigoleit hatte mit ihrer Frau Arianna kürzlich den gleichen Prozess durchlaufen, bis vor einem Jahr ihr Sohn geboren wurde. «Es ist teuer, manchmal anstrengend, zeitlich einnehmend, aufreibend … Da ist es schon gut eine Person zu haben, die das schon mal durchgemacht hat», sagt Thomas. «Jetzt ist es einfach nur schön. Es hat sich alles gelohnt.»
Basketball, Familie, ihre Arbeit als Erzieherin in einer Berliner Kita – das hat sich für die 29-Jährige alles bestens ineinandergefügt. Mehr noch, aufgrund ihrer Tochter hat die studierte Psychologin beschlossen, dass sie in der Pädagogik bleiben und mit Kindern arbeiten möchte. Speziell mit Kindern, die sich besonderen Herausforderungen stellen. So wie Skye, die mit dem Down-Syndrom zur Welt kam – also einer Veränderung im Genpool, die geistige und körperliche Herausforderungen mit sich bringt.
«Wir wussten erst sehr wenig über Trisomie 21 und was es für Skye bedeutet. Vor allem aber haben wir ständig gehört, was sie alles nicht kann. Das fand ich traurig», sagt Thomas. «Sie ist viel mehr als dieses eine Merkmal.» Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die Anomalie aufzuklären, postet bei Instagram nahezu täglich über ihre Tochter und darüber, was sie alles erreicht hat. Darüber, dass es okay ist, anders zu sein. Dass Worte wie «normal» und «durchschnittlich» kein Gratmesser sind.
«Da ich in mehr als einer Hinsicht einer Minderheit angehöre (PoC, lesbisch, Frau), hätte ich gedacht, dass meine Lebenserfahrungen mir diese Erkenntnis bereits gebracht hätten. Aber erst als ich Teil einer anderen Gruppe wurde, die entfremdet ist, wurde mir wirklich bewusst, wie viel Arbeit die Welt wirklich investiert hat, um uns von der Realität all der verschiedenen Arten von Menschen zu trennen, mit denen wir sie teilen», schrieb sie beispielsweise kurz nach der Geburt ihrer Tochter, wegen der sie künftig mit der Trikotnummer 21 auflaufen wird.
Auch wegen Skye war es ihr wichtig, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Sie möchte sich in Deutschland einbringen, um die Zukunft ihrer Tochter zu verbessern – und sie möchte dabei eine gewisse rechtliche Absicherung haben. «Uns wurde zudem gesagt, dass es bei der Adoption wahrscheinlich einfacher wird, wenn ich eingebürgert bin», sagt die US-Amerikanerin, die seit Anfang September einen deutschen Pass hat.
Deutschland und gerade Berlin ist der Ort, an dem Thomas sich und ihre Familie langfristig sieht. «Es kann schon sein, dass ich noch mal im Ausland spiele. Das reizt mich, aber langfristig bleiben wir hier», berichtet Thomas, die auch überlegt hat, für einige Jahre in die Staaten zurückzukehren. Damit ihrer Tochter sieht, wo sie aufgewachsen ist und wo ihre Wurzeln liegen. Damit nicht alles, was sie von Amerika kennenlernt das ist, was im Fernsehen läuft.
«Ich hatte eine schöne Kindheit», sagte Thomas, die mittlerweile aber auch mit einigen Sorgenfalten auf der Stirn in ihr Geburtsland blickt. «Als Psychologin fragt man sich da schon, was da passiert. Mein Kopf kann das nicht verstehen. Aber es gibt anscheinend Leute, die sich keine Gedanken machen, sondern dem folgen, der viel erzählt. Ob das stimmt oder nicht ist egal.»
Es ist unglaublich traurig, was da gerade passiert und einen Riesenrückschritt beim Thema Queerness
Bei der aktuellen Wahl stellt sie sich klar auf die Seite von Kamala Harris. «Trump war nicht nur ein schlechter Präsident, sondern ist ein Krimineller und trotzdem kann er kandidieren und sich danach dann noch selbst die Absolution erteilen, das ist doch verrückt!», sagt Thomas, die in Alabama geboren und in Oregon aufgewachsen ist. «Es ist unglaublich traurig, was da gerade passiert und einen Riesenrückschritt beim Thema Queerness. Amerika ist vielleicht nicht bereit für einen Präsidentin, aber es wäre so gut. Ich hoffe. sie kann viel zum Positiven verändern.»
Dass nicht von jetzt auf gleich alles rosig wird, weiss sie aber auch: «Realistisch gesehen, glaube ich nicht, dass alles perfekt wird und überall der Regenbogen strahlt. Aber es ist der erste Schritt.»
Mobbing in den sozialen Medien sind auch Sportler*innen ausgesetzt. Nun legt die Athletenkommission eine erste Bilanz der Olympischen Spiele in Paris vor. Vor allem die Boxerin Imane Khelif wurde massiv angefeindet (MANNSCHAFT berichtete).
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