«Lesbenfussball»: Hassbrief zur Fussball-EM sorgt für Wirbel

SFV-Frauenfussballdirektorin Tatjana Haenni machte einen frauen- und homofeindlichen Kommentar öffentlich

Trainerin Martina Voss-Tecklenburg (Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa)
Trainerin Martina Voss-Tecklenburg (Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa)

Das Interesse an der Frauenfussball-EM war riesig, die Zahl der Zuschauenden überwältigend hoch. Doch der Erfolg der Frauen-EM macht offenbar nicht alle glücklich. Als die für Frauenfussball zuständige Direktorin des Schweizerischen Fussballverbandes (SFV), Tatjana Haenni, diese Woche ins Büro zurückkehrte, fand sie eine beschämende Reaktion auf ihrem Schreibtisch.

Die 55-jährige Haenni veröffentlichte auf ihren Social-Media-Kanälen einen Brief, der als Feedback zur Schweizer EM-Teilnahme gedacht ist – ein Brief von einem selbsterklärten Frauenfussballhasser, der sich als «Gönner des Männerfussballs» bezeichnet, der «niemals den Frauenfussball unterstützen werde».

Das Schreiben enthält eine Vielzahl von homophoben Beleidigungen und sexistischen Aussagen. Namentlich werden Haenni, die frühere Schweizer Nati-Trainerin Martina Voss-Tecklenburg (jetzt Bundestrainerin der deutschen Fussballfrauen) und Spielerin Alisha Lehmann verunglimpft. Blick verzichtet in einem Bericht über den Vorfall auf den genauen Wortlaut, «um der Botschaft keine weitere Bühne zu bieten».

Dinge beim Namen nennen Aber genau solch eine Bühne sucht Haenni, denn es geht – hier wie anderswo – um konkrete Inhalte und Vorurteile, denen auch die LGBTQ-Community vielfach ausgesetzt ist. Es sind Inhalte, denen man sich gezielt stellen sollte. Und die man deshalb beim Namen nennen muss, so wie es Haenni tut.

In dem Schreiben wird Frauenfussball mit «Lesbenfussball» gleichgesetzt, ein Sport, der finanzielle Forderungen an die Öffentlichkeit stelle und um Sponsoren werbe, was als «unverschämt» eingestuft wird. Es wird auch erwähnt, dass Voss-Tecklenburg mit einer Frau liiert war.

Mehr noch: Es ist die Rede von (in Anführungszeichen gesetzt) «Lesbischem-Rossschwanz-String im Arsch-Fussball».

Die hohen Einschaltquoten für die Fussball-EM der Frauen erklärt der Absender des Schreibens damit, dass «die Männer junge Weiber sehen wollen mit dem String im Arsch». Es wird geklagt, dass hier der Fussball zur «Body-Show» verkommen sei – was beim Männerfussball aber scheinbar kein Problem ist. (Wobei Alisha Lehmann im Speziellen ihre «geilen Höschen» vorgeworfen werden – die sie jetzt «ungewaschen auf Instagram» versteigern könnte.)

Frauen hätten «andere Qualitäten» als Fussball zu spielen, heisst es. Der Absender hoffe, mit seinen Zeilen «zum Nachdenken» anzuregen.

«Online absude leaves a scar» Mit einem weiteren Post und einem Bild, auf dem steht «online abuse leaves a scar» schreibt Haenni, dass sie mit der Publikation dieses Briefes «die Öffentlichkeit weiter sensibilisieren» und aufzeigen wollte, «dass Respekt und Toleranz noch immer zu oft mit Füssen getreten werden».

«Wir erhalten leider immer wieder Zuschriften und Mails, in denen Nationalspielerinnen- und Spieler sowie andere Exponentinnen und Exponenten des SFV erniedrigt oder beleidigt werden», so Haenni. «Diese Äusserungen sind respektlos, niederträchtig und verletzend. Respekt und Toleranz sind gelebte Grundwerte im SFV, die wir von allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern erwarten.»

Sie bedankt sich bei den vielen «aufmunternden Rückmeldungen» zu ihrer Veröffentlichung des Briefes.

Denkweisen in der Gesellschaft Ihr entsprechender Tweet ging viral. Es gab tausende Likes und Retweets sowie hunderte Kommentare in wenigen Stunden. «Einfach nur, weil sie aufdeckt, welche Denkweisen auch heutzutage noch in der Gesellschaft existieren», so Blick.

In Zürich wurde im Juli ein homophober Hassprediger nach dem neuen Diskriminierungsartikel, den die Schweizer Stimmberechtigten im Februar 2020 guthiessen (MANNSCHAFT berichtete), verurteilt. Dieser Artikel verbietet Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung. Zuvor war im Kanton Waadt ein Mann zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden, weil er in einem Video eine Journalistin als «fette Lesbe» beleidigt hatte (MANNSCHAFT berichtete).

Inwiefern die Schweizer Polizei den Absender – oder die Absenderin? – des Briefes an Haenni ermitteln kann, bleibt abzuwarten. Auch, ob dann ein entsprechendes Verfahren in Gang gesetzt wird.

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