Keine Gäste über 38 – Gay Hostel in Berlin soll sich entschuldigen
Dem Hotel im Regenbogenkiez Schöneberg wird Altersdiskriminierung vorgeworfen
Es ist an sich nichts Neues, dass man im Gay Hostel im Berliner Regenbogenkiez Schöneberg nicht erwünscht ist, wenn man älter als 38 Jahre ist. Neu ist und vor allem auch überraschend, dass das bislang offenbar niemand beanstandet hat. Bis jetzt. Das Gay Hostel lehnte die Übernachtung des 42-jährigen Partners des renommierten Professors und Sexualforschers Heinz-Jürgen Voß aufgrund seines Alters ab.
Das LGBTIQ-Portal queer.de hatte darüber berichtet und eine erste Einschätzung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zitiert: „Ein rechtfertigender Sachgrund [für die Ungleichbehandlung/Beschränkung] ist tatsächlich nicht ersichtlich.“ Zwar habe die ADS ihre Einschätzung dem „Gay Hostel“ gegenüber sehr deutlich gemacht hat, dennoch wurde die Werbung bisher nicht angepasst.
Georg Roth, Vorsitzender der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS), solidarisiert sich mit Voß und seinem Partner: „Auch wir sehen hier einen Verstoß gegen das AGG. Wir sind dankbar, dass beide den Mut haben, diesen Fall öffentlich zu machen und eine Beschwerde zu führen.“
Innerhalb des Verbands älterer schwuler Männer finde man drastische Worte für den Vorfall, heißt es in einer Pressemitteilung von BISS. Georg Roth: „Ausgerechnet jene älteren Generationen auszuschließen, die die Zeiten der Strafverfolgung und das gesellschaftliche Stigma der Aidskrise miterlebten, macht uns fassungslos. Wir sollten niemals die vergessen, die vor uns für unsere Freiheit gekämpft haben.“
Selbstbewusste Sexualität wird auf Jugendlichkeit reduziert und im Alter stigmatisiert
Derzeit ist im Gay Hostel die Foto-Ausstellung „Naked Berlin“ des Aktivisten Henning von Berg ausgestellt. Es werden sechs jüngere Schwule gezeigt, die nackt in Berlin posieren. „Der Fotograf selbst dürfte mit 57 Jahren nicht im Hostel übernachten“, so Georg Roth, „stattdessen wird mit der Ausstellung und dem Ausschluss von Älteren im Hostel ein Bild gezeichnet, dass selbstbewusste Sexualität auf Jugendlichkeit reduziert und im Alter stigmatisiert ist.“
Grenzüberschreitendes Verhalten ist ebenso wie Rassismus, Sexismus und andere Diskriminierungsformen keine Frage des Alters
BISS positioniert sich klar gegen ein antisexuelles Bild des Alters. „Mit dem Pauschalausschluss von Älteren befördert das Gay Hostel das Vorurteil, dass ältere Schwule grenzüberschreitend gegenüber jüngeren Schwulen sind“, erklärt Georg Roth. „Dabei ist grenzüberschreitendes Verhalten ebenso wie Rassismus, Sexismus und andere Diskriminierungsformen keine Frage des Alters. Eine Netiquette gilt für alle. Dies ließe sich auch im Gay Hostel unmissverständlich umsetzen. Übrigens: Das Deutsche Jugendherbergswerk kennt auch keine Altersgrenze.“
Mit der Diskriminierung älterer schwuler Männer sei das Gay Hostel nicht allein, klagt BISS. Altersdiskriminierung sei ein strukturelles Problem unter allen.
Georg Roth: „Wir dürfen es nicht stehen lassen, wenn es auf GayRomeo.com und Grindr.com normal ist, sich gegen „Alte“, „Schwarze“, „Asiaten“, „Südländer“ oder „Feminine“ auszusprechen. Damit wird Altersdiskriminierung, Rassismus und Sexismus salonfähig. Jeder Einzelne kann seinen Beitrag leisten, indem er solche diskriminierende Formulierungen unterlässt.“
Die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren fordert das Gay Hostel in Berlin-Schöneberg daher auf, die Altersgrenze aufzuheben und sich bei Heinz-Jürgen Voß und seinem Partner zu entschuldigen
Mannschaft hat versucht, telefonisch eine Stellungnahme beim Gay Hostel einzuholen. Eine Antwort steht noch aus.
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