«Mit 15 habe ich das erste Mal ein schwules Paar gesehen»
Mit diesem Jochen-Schropp-Interview erfüllen wir Wunsch Nr. 3
3 Wünsche erfüllen wir anlässlich unseres 10. Geburtstages. Dazu hat sich auch Jakob aus dem südbayrischen Kolbermoor, unweit der österreichischen Grenze gemeldet: Für ihn haben wir mit Jochen Schropp gesprochen. Diesen Wunsch haben wir bereits erfüllt – für diesen brauchen wir eure Hilfe.
«Ich schwärme total für Jochen Schropp. Seit er 2014 mit Promi Big Brother bei Sat.1 angefangen hat, kriege ich nicht ihn mehr aus dem Kopf, und als er dann bekannt gegeben hat, dass er schwul sei (MANNSCHAFT berichtete), hab ich geheult. Ich würde echt gerne mehr über ihn erfahren und würde mich über ein Interview mit ihm sehr freuen», schrieb er uns. Und hiermit erfüllen wir seinen Wunsch.
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Jochen, wie oft bekommst du solche Rückmeldungen wie die von Jakob? Immer wieder, wenn auch nicht mehr so häufig wie nach meinem Outing, da gab es mehrere Nachrichten am Tag. Jetzt würde ich sagen, dass sich schon einmal Tag jemand für meine Arbeit bedankt oder schreibt: Hey, ich liebe deinen Podcast «Yvonne & Berner» und finde es super, dass du dich für die Community einsetzt und Haltung zeigst. Letztens hat mir ein Junge geschrieben, dass er totale Angst hatte, sich bei seinen Eltern zu outen, die aber wiederum ein Riesenfan von mir als Moderator sind. Dann haben sie mich in dem Film «Enfant Terrible» gesehen und sagten: Ach wir wussten gar nicht, dass der auch spielen kann. Aufgrund dessen hat er Mut gefasst und ihnen gesagt: Ich bin übrigens auch schwul. Sowas kommt vor.
Oder Mütter melden sich, die meinen, ihr Sohn ist vielleicht schwul oder die Tochter lesbisch und fragen mich, wie sie damit umgehen sollen. Das ist dann etwas schwierig. Ich kann natürlich nur sagen, wie ich es machen würde, ich bin ja kein Psychologe. Da muss man aufs Bauchgefühl hören, und oft ist ja Kommunikation das Beste.
Klingt fast wie ein kleiner Nebenjob. Naja, das nimmt schon einen Teil meiner Woche ein, dass ich mich damit auseinandersetze. Aber das finde ich total schön, bin aber auch manchmal überrascht, wie die Aussenwirkung so ist. Letztens schrieb mir jemand: Seit ich mich geoutet hätte, würde ich nur noch schwulen Content posten. Ich frage mich dann: Rechtfertige ich mich jetzt, soll ich gekränkt sein? Ich bin halt ein schwuler Mann, und wir sind – meine Generation jedenfalls – in einer total heteronormativen Welt aufgewachsen. Jahrelang sind wir überhaupt nicht vorgekommen. Ich war 15, als ich das erste Mal ein schwules Paar in meiner Heimat Gießen gesehen habe – und da gab es noch kein Internet.
Mittlerweile ist es eine Normalität, dass schwule Männer in den Medien auch abgebildet werden. Das ist ja auch was Schönes, und da müssen sich die Heteros einfach dran gewöhnen. Also, ich atme dann bei solchen Kommentaren dreimal durch und denke: Okay, dafür haben mir aber auch vier andere Leute geschrieben, die es wiederum gut fanden, was ich gepostet habe.
Bekommst du auch manchmal Liebeserklärungen? Ja, Männer schreiben mir schon ab und zu: Heirate mich! Manche Leute, die mir noch nicht lange folgen, wissen aber auch gar nicht, dass ich schwul bin. Die schreiben mir dann, sie hätten ein Interview mit mir gelesen und wussten bis dahin gar nicht, dass ich schwul bin.
Immer wenn wir bei MANNSCHAFT über das Coming-out von Sportler*innen oder Schauspieler*innen berichten, gibt es Kommentare von User*innen, die meinen, das sei doch eigentlich 2020 kein Thema mehr. Was meinst du? Die Frage, ob man sich überhaupt noch outen muss, taucht immer wieder auf. Mir wurde damals noch vorgeworfen, jetzt outet er sich mit 39 und ist auf einmal der Homopapst. Das hab ich mir ja nicht ausgesucht, dass ich von manchen Menschen so wahrgenommen werden. Ich dachte eigentlich: Ich sage es einmal, und dann äussere ich mich nicht mehr gross dazu. Aber die Leue erwarten das von mir, und ich erwarte das ehrlich gesagt auch von mir. Es gibt ja auch immer etwas zu sagen. Dazu, dass wir immer noch kein Blut spenden dürfen, ausser wir leben ein Jahr enthaltsam. Wenn homophobe Kommentare in meinen Sendungen fallen, dann mache ich natürlich den Mund auf.
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Jedenfalls ist es doch so: Meine Sexualität gehört zu meiner Person dazu. Vor kurzem hat sich jemand in meinem Umfeld als trans geoutet. Die Person kenne ich seit mehreren Jahren. Aber jetzt auf einmal wurde mir soviel klar. Dinge, über die wir zehn Jahre lang gesprochen haben. Ich hätte diese Gespräche ganz anders geführt, wenn ich es gewusst hätte. Sobald du dich outest, gibt du ein umfassenderes Bild von dir als Mensch preis. Deshalb finde ich: Wenn wir uns nicht outen, behalten wir einen Teil von uns für uns selbst, der für andere vielleicht wichtig wäre zum Verständnis.
Nervt es auch manchmal, immer wieder auf dein Schwulsein angesprochen zu werden? Nein. Was ich allerdings nicht unbedingt verstehe: Wenn ich etwas mache, das mit meiner Homosexualität nichts zu tun hat, dann steht da trotzdem noch irgendwo im Artikel sowas wie: «Wir sprachen mit Jochen Schropp, Schauspieler und Moderator, der sich übrigens vor zwei Jahren als homosexuell outete.» Warum? Das hat ja nicht unweigerlich mit meiner Arbeit zu tun.
Die Sorge ist oft, dass man im Falle eines Coming-outs von Freund*innen oder der Familie nicht akzeptiert wird, dass die Karriere leidet. Das war ja bei dir auch der Grund, warum du zuerst gezögert hast. Aber jetzt, zwei Jahre, später stellen wir fest: Es hat dir nicht geschadet. Du hast in «Enfant Terrible» mitgespielt, hast Frühstücksfernsehen gemacht, «Promi Big Brother» und zuletzt «The Masked Singer».
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Ich glaube, es kommt drauf an, wie man damit umgeht. Aber nein, es hat mir nicht geschadet. Im Winter kommt eine Neuverfilmung von Schneewittchen im ZDF – da spiele ich auch eine schwule Rolle. Wir erzählen das Märchen in der Jetztzeit. Da gibt es einen Bauernhof, wo ich mit meinem Mann und meiner Schwester wohne, die die beste Freundin von Schneewittchen ist, wir sind sozusagen die 7 «Zwerge», zusammen mit unseren Hausschweinen (lacht). Angebote für heterosexuelle Rollen kamen nach meinem Ausflug in die Theaterwelt nicht mehr. Das kann ein Zufall sein – ich finde es aber auch nicht weiter schlimm. Jetzt habe ich eben einige schwule Rollen gespielt, das war spannend. Es hätte ja auch ganz anders laufen können. Es war jedenfalls nicht so, dass sich Leute abgewendet hätten und sagen: Oh Gott, der schwule Schropp, mit dem wollen wir nicht mehr zusammenarbeiten. Und wenn es doch jemand so denkt, dann bekomme ich es glücklicherweise nicht mit.
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Du fühlst dich mit den schwulen Rollen nicht zu festgelegt? Naja, es kommt ja immer auf die Rolle an. Ich hätte dieses Jahr im Theater des Westens Costa im Musical «Ich war noch niemals in New York» gespielt, das ist dann wegen Corona leider ausgefallen. Ich war auch kurz als Axel im Gespräch, als männliche Hauptrolle. Keine Ahnung, wie das Publikum reagiert hätte. Man weiss ja nicht, was in den Köpfen der Leute so vorgeht. Ich war aber sehr glücklich über die Besetzung als Costa. Die schwule Geschichte ist häufig die Lieblingsgeschichte beim Publikum – die Leute lieben die beiden Figuren. Aber wenn ich mein Leben lang jetzt nur noch die Nebenrollen-Homos spielen soll, dann würde ich mir vielleicht schon wünschen, irgendwann auch mal wieder auf einer englischen Klippe zu stehen und einer Frau einen Heiratsantrag zu machen, wie in den Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen, in denen ich die heterosexuellen Liebhaber geben durfte (lacht). Hauptrollen zu spielen, macht oft mehr Spaß, es sei denn, die Nebenrollen haben Charakter wie zuletzt in «Enfant Terrible».
«Ich war noch niemals New York» wird aber hoffentlich dann nächstes Jahr umgesetzt! Wir sind jedenfalls so verblieben, dass wir schauen, ob ich bei der Aufnahme des Stückes weiterhin dabei sein kann. Ich wollte das immer schon mal auf die grosse Musical-Bühne. Ich liebe es, mit multitalentierten Menschen zu arbeiten, die spielen, singen und tanzen können. Jetzt durfte ich immerhin als Hummer bei „The Masked Singer» zwei Shows lang die Bühne rocken. Mal schauen, was nächstes Jahr auf mich zukommt.
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