Jetzt gewinnen: 5 x Thomas Hitzlspergers Buch «Mutproben»
Es geht um Schwulsein, Depressionen und die schönste Kuh Deutschlands
Sein Coming-out war ein Meilenstein für den Kampf gegen Homophobie im Fussball und in der Gesellschaft. Nun veröffentlicht Thomas Hitzlsperger ein Buch: «Mutproben» – unsere Besprechung.
Ich lese nicht so gerne Autobiographien, auch wenn das Wort hier in der Ankündigung zum Buch gar nicht auftaucht. Thomas Hitzlsperger ziehe Bilanz nach 10 Jahren Coming-out, heisst es vielmehr von Seiten des Verlags Kiepenheuer & Witsch. Bilanz ziehen, das hat er auch schon zuvor in unserem MANNSCHAFT+-Interview getan, im Buch geht das natürlich ausführlicher. Es behandelt aber nicht nur das Thema Homosexualiät und Fussball, aber dazu gleich mehr.
Wie gesagt, ich bin kein grosser Fan von Autobiographien. Nicht weil ich mich nicht für das Leben anderer Leute interessiere, vielmehr finde ich das Genre sprachlich oft nicht so fürchterlich interessant. Viele Autobiographien sind voller sprachlicher Wiederholungen und Allgemeinplätze, man verlässt sich zu oft darauf, dass das Erzählte schon ziehen wird, und vernachlässigt Sprache und Stil.
Bei «Mutproben» – neben allen inhaltlichen Stärken und Anekdoten – ist das anders. Es ist einfach gut geschrieben und liest sich entsprechend angenehm. Da sind zwei gute Erzähler am Werk: Auf 227 Seiten blickt Hitzlsperger mit Co-Autor Holger Gertz zurück, dem Journalisten, der schon diverse Auszeichungen bekommen hat wie den Deutschen Sprachpreis (als Teil des Streiflicht-Teams der SZ) und als «Reporter des Jahres» (2010) des Medium Magazin. Eine Fachkraft gewissermassen – und das tut dem Buch richtig gut.
Und worum geht es nun in «Mutproben»? Klar, erstmal natürlich um Hitzlspergers Coming-out vor 10 Jahren und um die Frage: Warum hat er das eigentlich nicht schon früher gewagt?
Die Antwort findet man in Rückblenden etwa in seine Zeit bei West Ham, wo er 2011 bis 2012 gespielt hat. Dort habe in der Kabine jemand einmal gesagt «The German – he is gay!» Das sei nur so gedankenlos dahingeschwätzt gewesen, habe nichts bedeutet, so Hitzlsperger. Ein anderes Team-Mitglied habe daraufhin gefragt, wo denn das Problem sei, sollte einer schwul sein. Wieder ein anderer meinte, er würde sich dann «jeden Tag einen blasen lassen».
Jener Teamkollege sei ein kleiner und unsicherer Typ gewesen, aber mit seinem bekloppten Spruch sei er dann der Lauteste gewesen und wie das so ist, wenn sich eine Gruppendynamik entwickelt, dann steht sowas erstmal im Raum.
Man möchte da nicht in Hitzlspergers Haut gesteckt haben, oder vielmehr: Als Mitglied der LGBTIQ-Community fallen einem doch direkt ähnliche Momente ein, in denen man hoffte, der Boden möge sich auftun. Nicht schön.
Ein anderes Beispiel, das Hitzlperger nennt: Einmal lag ein Spieler in der Kabine auf der Massagebank und sagte zum Physiotherapeuten: Wenn dieser schwul wäre, würde er sich von ihm nicht anfassen lassen.
Zu den stolzeren Momenten in der Karriere des Thomas Hitzlsperger gehört jener Tag, als Felix Magath ihn nach Wolfsburg holte, das war direkt nach West Ham. Und er fragte, welche Nummer er haben wollte. Hitzlsperger wollte die 10 – denn das war die Nummer von Legenden wie Maradona, Pelé und Netzer. Auch Magath selbst habe in seiner Spielerzeit beim HSV die 10 auf dem Trikot getragen. Nun bekam Hitzlsperger die 10.
Die letzte Station nach Wolfsburg war Everton. Dort war sein schwules Leben schon gar nicht mehr so sehr verborgen, schreibt Hitzlsperger in dem Buch. Denn dort habe er zum allerersten Mal mit einem Partner zusammengewohnt. Was niemand wusste und auch besser niemand wissen sollte – das Coming-out folgte bekanntlich erst, als die Zeit in Everton vorüber war.
Es geht aber nicht nur um das eine, das offensichtliche Thema Schwulsein in dem Buch. Vergnüglich die kurze Episode über die Kuh Emilie am Hof der Hitzlspergers, die 1984 zur schönsten Kuh Deutschlands gewählt wurde. Nachdenklich der Part, als es um das Thema Depressionen und «seelische Störungen im Leistungssport» geht, exemplarisch erzählt am Fall des Hannoveraner Towarts Robert Enke der sich 2009 das Leben nahm. Und das sogenannte «Sommermärchen», die Fussball WM in Deutschland 2006, bei der Hitzlsperge bloss Ersatzmann war und beim Warmmachen vor den Spielen den Torhüter einschiessen musste.
So ist «Mutproben» ein nachdenkliches, kluges und wichtiges Buch, das noch viele interessante Einblicke und Anekdoten bereithält, auch wenn man meint, man habe doch mittlerweile wirklich alles über das Coming-out vor zehn Jahren gehört oder gelesen.
5 Exemplare gibt es gewinnen. (Die Verlosung ist beendet)
Thomas Hitzlsperger, Holger Gertz: «Mutproben», Verlag Kiepenheuer & Witsch (2024)
Die Mutter von «Queer as Folk»-Schöpfer hielt die Serie einst für einen Softporno: Russell T. Davies durfte vor 25 Jahren als Erster von offen schwulen Hauptfiguren erzählen (MANNSCHAFT berichtete).
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