Immer mehr queere Personen werden mit Gewalt bedroht
Die Tatverdächtigen im Zusammenhang mit homofeindlichen Verbrechen waren zu 90 Prozent Männer
Im Vorjahr sind in Österreich die Hassverbrechen gegen queere Personen um 20 Prozent gestiegen.
Die Zahlen sind alarmierend: In Österreich haben 2023 die Anzahl der Hassverbrechen gegen queere Personen einen traurigen Rekordstand erreicht. Dies zeigt der aktuelle Bericht des Innenministeriums über vorurteilsmotivierte Straftaten, sogenannte «Hate Crimes». Dem Bericht zufolge wurden 2023 in Summe 446 Hassverbrechen in der Kategorie «sexuelle Orientierung» registriert. Das ist im Vergleich zu 2022 ein Anstieg von 20 Prozent.
In keinem anderen Bereich gab es eine so starke Zunahme wie in der Kategorie «sexuelle Orientierung», heisst es im Bericht des Innenministeriums. So wurden mehr Hassverbrechen in der Kategorie «sexuelle Orientierung» registriert als in den «Hautfarbe», «Geschlecht», «Alter» und «Behinderung». Von den 446 dokumentierten Vorfällen in der Kategorie «sexuelle Orientierung» betrafen 87 Prozent homofeindliche Hassverbrechen. Wichtig ist, dass hier nur die angezeigten Vorfälle dokumentiert wurden. Expert*innen gehen von einer sehr hohen Dunkelziffer aus. Denn viele queere Personen zeigen Hassverbrechen nicht an.
Von allen homofeindlichen Hassverbrechen ging es bei 36 Prozent um Sachbeschädigungen. Darunter fallen beispielsweise Angriffe auf queere Einrichtungen und das Anzünden von Regenbogenfahnen. Bei 15 Prozent war eine Körperverletzung Gegenstand der Ermittlungen, bei 11 Prozent wurde wegen einer gefährlichen Drohung, in 5 Prozent wegen Diebstahl und in 5 Prozent wegen Beleidigung ermittelt.
90 Prozent Männer Die Aufklärungsquote ist relativ hoch. Bei den 446 Hassverbrechen in der Kategorie «sexuelle Orientierung» wurden 348 Tatverdächtige gefasst. Die Tatverdächtigen im Zusammenhang mit homofeindlichen Verbrechen waren zu 90 Prozent Männer. Von den Tatverdächtigen waren 72 Prozent Österreicher*innen. Ausgewertet wurde auch das Alter der Täter. So waren 36 Prozent der Tatverdächtigen zwischen 25 und 40 Jahre alt. 29 Prozent waren jünger als 18 Jahre alt.
Bei keiner anderen Opfergruppe ist der Anteil der Hassverbrechen im öffentlichen Raum mit 47 Prozent so hoch wie in der Kategorie «sexuelle Orientierung»
Viele Verbrechen fanden im öffentlichen Raum statt. Bei keiner anderen Opfergruppe ist der Anteil der Hassverbrechen im öffentlichen Raum mit 47 Prozent so hoch wie in der Kategorie «sexuelle Orientierung» , schreiben die Autor*innen des Berichts. Bei homofeindlichen Attacken und Angriffen gab es eine Konzentration in Wien (hier waren vor allem der erste, sechste und achte Bezirk betroffen). Viele Verbrechen wurden auch in Oberösterreich verübt (hier vor allem in den Bezirken Wels, Wels-Land und Linz).
Das Innenministerium gibt in dem Bericht auch einige Details zu den Hassverbrechen bekannt. So heisst es, dass homosexuelle Menschen in Österreich «mit zahlreichen verbalen, diskriminierenden und strafrechtlich relevanten Äusserungen» konfrontiert gewesen seien. Ausserdem werde Homosexualität immer noch als eine «von der Norm abweichende Orientierung empfunden». So wurden Äusserungen wie «schwul sein ist krank» und «schwul sein kann man heilen» getätigt. Weiters seien «homosexuelle Paare in der Öffentlichkeit in Folge von Zuneigungsbekundungen, aber auch aufgrund einer zugeschriebenen Wahrnehmung» körperlich attackiert worden, schreiben die Autor*innen. So seien homosexuelle Menschen mit dem Umbringen und Abstechen bedroht wurden. Das sichtbare Tragen und Zeigen der Regenbogenflagge habe laut Angaben des Innenministeriums ebenso zu Beschimpfungen und Gewaltakten geführt. Auch seien Regenbogenfahnen verbrannt und beschädigt worden.
Besonders viele Angriffe gab es auch gegen trans und inter Personen. Diese wurden in dem Bericht des österreichischen Innenministeriums über Hassverbrechen nicht in der Rubrik «sexuelle Orientierung», sondern im Bereich «Geschlecht» dokumentiert. Der Bereich «Geschlecht» wird vom Innenministerium seit Beginn der Datenerfassung mit den Kategorien Divers/Inter, Frau, Andere und Mann erfasst. In der Kategorie «Andere» wurden von der österreichischen Polizei «im Vorjahr auch Vorurteilsmotive wegen der Transidentität/Transgeschlechtlichkeit erfasst sowie gegen Personen, die wegen des nicht erwarteten Aussehens und Auftretens (z.B. Travestie, Dragqueens/-kings) abwertend gelesen und darum zum Ziel von Straftaten wurden», schreiben die Autor*innen des Berichts.
Verbrechen gegen Menschen in der Gruppe «Divers/Inter» stark gestiegen In Summe wurden im Vorjahr bei der österreichischen Polizei in der Kategorie «Geschlecht»248 Verbrechen angezeigt. In 172 Fällen ging es um Hassverbrechen gegen Frauen, 46 Fälle betrafen Menschen, die in der Anzeige bei Geschlecht «Divers/Inter» angegeben haben, 25 Fälle betrafen Menschen in der Gruppe «Andere». Nur in fünf Fällen wurden Männer angegriffen. Die Autor*innen des Berichts betonen, dass die Verbrechen gegen Menschen in der Gruppe «Divers/Inter» im Vergleich zu 2022 relativ stark gestiegen seien. Bei all diesen Hassverbrechen überwogen Körperverletzungen vor Sachbeschädigungen und gefährlichen Drohungen.
Bei den Tatverdächtigen waren einige Unterschiede feststellbar. Während die Tatverdächtigen nach Alter bei Hassverbrechen gegen Menschen in der Gruppe «Divers/Inter» sehr gleichmässig verteilt und durchwegs männlich waren, dominierten bei Hassverbrechen gegen Menschen in der Gruppe «Andere» 58 Prozent Minderjährige (im Alter von 14-18 Jahren) und vor allem männliche Tatverdächtige.
Als Beispielfälle für 2023 werden in dem Bericht folgende Verbrechen erwähnt: Körperverletzungen wie Schläge gegen eine trans Frau; zu Fall bringen eines trans Manns, Pfefferspray ins rechte Auge, Beleidigungen («Transschwu****l», sowie gefährliche Drohungen («trans Mensch, ich steche dir ein Messer in den Bauch»).
Hinzu kamen Verhetzungen wie das Produzieren und Verteilen von verächtlichen Flugblättern gegen trans Personen, Postings gegen Lesungen von Dragqueens vor Kindern, Sachbeschädigungen. Die Sachbeschädigungen betrafen Fenster von Wohnungen, in denen queere Menschen leben. Es gab auch Beschädigungen von Schaufenstern von queeren Vereinen, Übermalungen von Regenbogen-Parkbänken, Zerstörungen der Regenbogenfahne und verächtliche Graffitis.
Der Bericht des Ministeriums wurde schon im Juli veröffentlicht, doch die Angriffe auf queere Personen sind in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen worden. Dies hing damit zusammen, dass die Details über die Angriffe auf queere Personen im Bericht relativ weit hinten erwähnt wurden.
Mehr: Mit einer humorvollen Leichtigkeit greift Fabian Stumm Themen wie queere Elternschaft und mentale Gesundheit auf und bringt mit «Sad Jokes» frischen Wind ins deutsche Kino (MANNSCHAFT berichtete).
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