Schwulenfeindliches Mobbing in Berlin: Bildungsverwaltung erneut in der Kritik
Ein geplantes Gespräch mit Schulleitung und Schulaufsicht wurde kurzfristig abgesagt
Der Ehemann eines schwulen Lehrers am Campus Rütli in Neukölln berichtet über monatelanges Mobbing gegen ihn. Der Bildungsverwaltung macht er Vorwürfe.
Der Ehemann eines schwulen Lehrers am Campus Rütli in Berlin-Neukölln kritisiert die mangelnde Bereitschaft, mit ihm über monatelange Mobbingerfahrungen zu reden, die er nach eigenen Angaben gemacht hat. Ein für Dienstag geplantes Gespräch zwischen ihm, der Schulleitung und der Schulaufsicht sei kurzfristig abgesagt worden. «Ich wurde darüber überhaupt nicht informiert, sondern habe die Absage nur durch meinen Mann erfahren», sagte er der Deutschen Presse-Agentur und machte dafür die Bildungsverwaltung verantwortlich.
Zuvor hatte der Tagesspiegel-Newsletter «Checkpoint» darüber berichtet. An dem Gespräch sollte auch der Queer-Beauftragte des Berliner Senats, Alfonso Pantisano (SPD), teilnehmen. «Er hatte auf meine Bitte hin in dem Fall vermittelt», sagte der Mann, der von wiederholtem Mobbing gegen ihn berichtet hatte, unter anderem durch nächtliche anonyme Anrufe und ein Schreiben mit obszönen Beleidigungen im Briefkasten des Paares.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen - und geht davon aus, dass die Täter unter den Schülern am Campus Rütli zu suchen sind.
«Mit mir als Hauptgeschädigtem wird überhaupt nicht mehr gesprochen. Ich werde völlig aus der Kommunikation herausgenommen», kritisierte er. Stattdessen sei ein Treffen ohne ihn - und ohne den Queerbeauftragten - geplant. «Zur schwulenfeindlichen Gewalt der jugendlichen Täter kommt nun noch die strukturelle Gewalt dazu.»
Die Bildungsverwaltung von Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) teilte auf dpa-Anfrage mit, sie habe kein Gespräch mit dem Queerbeauftragten untersagt. Das stehe ihr auch gar nicht zu. «Im Übrigen steht der Ehemann in keinem dienstlichen Verhältnis zur Bildungsverwaltung und ist auch formell kein Mitglied der Schulgemeinschaft.»
Die Senatsverwaltung habe vielmehr im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht ein Gespräch mit der am Campus Rütli beschäftigten und offenkundig ebenfalls von Diskriminierung betroffenen Lehrkraft anberaumt.
Nach eigenen Angaben hat die Bildungsverwaltung erst durch Presseanfragen und entsprechende Berichterstattung von den Mobbingvorwürfen erfahren und sich um Aufklärung bemüht.
«Im Zuge dessen musste festgestellt werden, dass der Sachverhalt unter Berücksichtigung der Betroffenheit der Lehrkraft durch Schulleitung und regionale Schulaufsicht bislang noch nicht zufriedenstellend bearbeitet wurde.» Vor diesem Hintergrund finde das anberaumte Gespräch mit der Lehrkraft statt.
Rütli-Schule hat vor Jahren schon Schlagzeilen gemacht Die Rütli-Schule in Neukölln, die heute Campus Rütli heisst, machte bereits 2006 bundesweit negative Schlagzeilen und wurde damals zum Symbol für das Versagen des Schulsystems. Die Schule und die Bildungsverwaltung reagierten auf Anfrage zunächst nicht.
Lehrkräfte schrieben einen Brandbrief über die aus ihrer Sicht unhaltbaren Zustände, die das Unterrichten teilweise unmöglich machten. Nachdem jahrelang viel Geld investiert und neues Personal eingestellt wurde, galt die Schule später als Vorzeigeprojekt.
Der aktuelle Fall erinnert an den des schwulen Lehrers Oziel Inácio-Stech an der Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit (MANNSCHAFT berichtete). Er wurde nach eigenen Angaben wegen seiner Homosexualität monatelang von Schüler*innen gemobbt, beschimpft und beleidigt und berichtete, muslimische Schüler hätten über ihn gesagt, er werde «in der Hölle landen». Er hatte sich deswegen an die Öffentlichkeit gewandt.
«Wenn queere Kulturorte verschwinden, verändert die Stadt ihr Gesicht.» Ex-Kultursenator Klaus Lederer über Feierorte, die Linke und den Antisemitismus (zum MANNSCHAFT-Interview)
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