HIV: Schutz durch Therapie – Schluss mit der Angstmache!
Auch Menschen mit HIV wollen und sollen Sex geniessen, fordert Marcel Dams
Safer Sex geht auch ohne Kondom. Schutz durch Therapie lautet die Formel. Das gehört viel mehr verbreitet, auf Plakaten, in Schulbüchern und Kampagnen thematisiert, fordert Marcel Dams in seinem Samstagskommentar*. Der Autor, YouTuber, Blogger und HIV- und Queer-Aktivist erfuhr mit 20, dass er positiv ist.
Gute Nachrichten: Die HIV-Neuinfektionszahlen sinken. Sie sind im Vergleich mit anderen Regionen sowieso sehr niedrig, aber der Trend geht seit einigen Jahren in eine deutliche Richtung (MANNSCHAFT berichtete). Das liegt an der guten Aufklärungsarbeit verschiedener Akteur*innen. Vor allem liegt es aber an der Tatsache, dass Menschen mit HIV das Virus nicht übertragen können, wenn die Therapie es wirksam unter die Nachweisgrenze drückt.
Jonathan van Ness über seine HIV-Diagnose und Missbrauch
Laut Robert-Koch-Institut werden HIV-positive früher behandelt, so dass viele sehr früh unter die Nachweisgrenze kommen. Die Expert*innen schätzen, dass der Hauptgrund für die sinkenden Zahlen diese Tatsache ist. Den Einfluss der PrEP kann man noch nicht genau beurteilen (in der Schweiz steckte sich erstmals ein PrEP-User mit HIV an – MANNSCHAFT berichtete). Es ist aber sicher so, dass diese Schutzmethode in den nächsten Jahren, wie bereits heute schon, ebenfalls eine größere Rolle spielen und viele Infektionen verhindern wird. Das zeigt ein Blick in andere Länder.
Die Behandlung ist eine Revolution, weil sie das Sterben verhindert und HIV zu einer chronischen Erkrankung macht. Der Nebeneffekt, Schutz durch Therapie, ist mittlerweile aber ein wichtiger Baustein der Prävention und eine Entlastung für Menschen mit HIV und deren Sexpartner*innen. Safer Sex geht auch ohne Kondom. Das sollten alle wissen. Es wissen aber, laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, nur 10 Prozent der Menschen (MANNSCHAFT berichtete).
Viele reagieren aggressiv und abwehrend auf die Botschaft, weil sie zu Sorglosigkeit führe und entsprechend „gefährlich“ sei. Das Gegenteil ist der Fall. Die Fakten sprechen dafür, dass Kondome alleine nicht ausreichen. Sie sind eine gute Möglichkeit sich vor einer HIV-Übertragung zu schützen, wer aber nur auf sie setzt, verspielt das Potential des Dreiklangs der Schutzmethoden.
Mit MANNSCHAFT wird der Dezember festlich
Ich verstehe nicht und es macht mich ehrlich gesagt sehr wütend, dass nicht alle Verantwortlichen gleich viel Einsatz zeigen, um die Nachrichten zu verbreiten. Es gehört auf Plakate, in Schulbücher und Kampagnen thematisiert. Es wird gross verkündet, dass man mit uns befreundet sein kann, keine Ansteckungsgefahr im Alltag besteht und wir jeden Job ausüben können. Das ist alles richtig. Aber es scheint, als sei der Sex ein Tabu, das immer noch nicht gebrochen werden darf. Als solle es in den Köpfen ein bisschen gefährlich bleiben und die Angst als Präventionsmittel taugen. Das ist falsch!
Andere Geschlechtskrankheiten vergesse ich natürlich nicht, aber ich lasse mich nicht mehr auf Diskussionen ein, die sie mit HIV auf eine Stufe stellen. Sie sind behandelbar, sie sind heilbar und wer Sex hat, kann sich auch mit Kondomen nicht sehr gut vor ihnen schützen. Hört auf, andere Dinge zu suchen, die den Menschen Angst machen. Erklärt ihnen, dass regelmässige Checks wichtig sind und niemand sich schämen braucht, wenn man sich etwas einfängt.
Als Mensch mit HIV erwarte ich vom Welt-AIDS-Tag und generell, dass man sich auch solidarisch mit unserem Sex zeigt. Schutz durch Therapie und PrEP sind gelebte Realität vieler Menschen. Wenn HIV seinen Schrecken verliert, dann ist das gut. Sorglosigkeit beim Sex kann wunderbar sein. Macht den Menschen keine Angst vor dem Sex. Helft ihnen, ihn zu geniessen. Weniger Angst vor HIV, weniger Scham und weniger Sehnsucht nach absoluter Sicherheit sind wichtige Bestandteile davon. Denn auch mit HIV kann man, im Fall der Fälle, gut leben.
*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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