Hass gegen LGBTIQ wieder erlaubt: Warum ich trotzdem bei Facebook bleibe

Der Samstagskommentar

Facebook
(Bild: Jens Büttner/dpa)

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat unlängst angekündigt, Diversity-Programme zu beenden und die Regeln für Hate Speech aufzuweichen (MANNSCHAFT berichtete). Der Hass auf LGBTIQ dürfte zunehmen. Wie gehen wir damit um? Die Meinung von Autor Sören Kittel

Es ist fast zehn Jahre her, da schrieb ein Bekannter von mir, Leute wie ich sollten kein Kinder bekommen. Er nannte es einen «Unfall», wenn schwule Männer mit einer Lesbe ein Kind zeugen. Er schrieb das in einer privaten Message auf Facebook und wenn ich den Dialog heute lese, bin ich sofort wieder so hilflos und wütend wie damals. Das war doch eigentlich ein Freund, zumindest ein Facebook-Freund.

Facebook hatte sich in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem schwierigen Ort entwickelt, aber seit dem 7. Januar dieses Jahres ist es jetzt ganz offiziell toxisch. Grund dafür ist eine Rede des Gründers Mark Zuckerberg, in der er grosse Veränderungen ankündigte: Neben der Abschaffung der Faktenchecks lockerte er die Regeln für Hassrede auf seinen Plattformen. Auf Instagram, Threads und Facebook sind in den USA jetzt sexistische und queerfeindliche Inhalte wieder erlaubt.

Das heisst, allgemeine Beleidigungen werden noch immer moderiert und gelöscht, aber dezidiert Homo- und Bisexuelle sowie trans Personen dürfen als «geisteskrankheit» oder «nicht normal» bezeichnet werden. Als Beispiele für erlaubte Sätze führt der wohl heterosexuelle Facebook-Gründer selbst an: «Frauen sind Haushaltsgegenstände» oder «Trans Menschen sind Freaks». Spätestens jetzt stellt sich für viele Menschen aus der queeren Community die Frage: Bleiben oder gehen?

«Zuckerberg hat entschieden, meinesgleichen dem Mob zum Frass vorzuwerfen – also lösche ich meine Meta-Accounts.»

Als Elon Musk Twitter zu X nicht nur umbenannte, sondern es in den vergangenen zwei Jahren gleichzeitig zu einem rechten Meinungsmedium umbaute, gab es unter Journalist*innen einen grossen Exodus, einen «eXit». Viele deutsche Journalist*innen verliessen X, gingen zu Bluesky. Auch MANNSCHAFT ging diesen Schritt. Doch bei Facebooks homophoben Veränderungen blieb es recht stumm in der Öffentlichkeit. Von einem grossen Exodus kann keine Rede sein.

Ein schwuler Freund von mir hat die Frage für sich nur wenige Tage später klar beantwortet. Er verabschiedete sich mit einem langen höflichen Post. Er schrieb: «Zuckerberg hat entschieden, meinesgleichen dem Mob zum Frass vorzuwerfen – also lösche ich meine Meta-Accounts.» Wenn jemand Nazis in seine Kneipe hereinlässt, sagt er zu mir, dann sei es eben eine Nazikneipe. Nach fast 20 Jahren im Netzwerk hat er sich all seine Daten zuschicken lassen und lebt jetzt ohne das Netzwerk.

Dagegen hat sich der schwule Comic-Zeichner Ralf König («Der bewegte Mann».) dafür ausgesprochen, weiterhin bei Facebook zu bleiben (MANNSCHAFT berichtete). Er brauche die Netzwerke von Meta, um auf seine Bücher und Lesungen aufmerksam zu machen. Privat poste er dort schon lange nichts mehr, wolle aber auch nicht das Netzwerk der Freund*innen und Bekannten verlieren, dass er dort zusammengestellt hat. Er gibt aber zu, viele der «Freunde» von dort noch gar nicht getroffen zu haben.

Ich kann beides sehr nachvollziehen. Denn auch ich will die Freunde, will das Adressbuch, dass ich dort versammelt habe, nicht verlieren. Doch es gibt noch einen anderen wichtigen Grund, das Netzwerk gerade jetzt nicht zu verlassen und der geht über Bequemlichkeit hinaus: Die Sichtbarkeit von Minderheiten geht zurück, wenn sich Minderheiten zurückziehen. Es kommt gerade in Zeiten wie diesen darauf an, dagegenzuhalten.

Als ich mich für diesen Kommentar durch Facebook klickte und vor allem durch die Kommentarspalten blätterte, las ich häufiger: «Seht Euch vor, ihr Freaks» oder «Weint doch eure liberalen Tränen». Und natürlich ist der Diskurs schon längst vergiftet worden. Ich habe die vergangenen Jahre für Berliner Tageszeitungen gearbeitet; immer wieder haben Social Media Teams bestimmte Artikel nicht online gestellt – wohlwissend, dass sie dann nur Hasskommentare löschen müssen.

Einer davon war ein Text über einen Stammtisch für schwule Väter. Der Text ist noch immer auf Facebook zu sehen, er wurde am 2. Juli 2022 gepostet und von den 185 Kommentaren sind fast alle negativ und beleidigend. «Lasst uns in Ruhe mit eurem Regenbogen-Thema» ist noch das harmloseste. Wieder habe ich damals das alles gelesen und konnte es nicht glauben.

Inzwischen hat sich tatsächlich der gesellschaftliche Wind gedreht und die neuen Gesetze auf Facebook sind nur das letzte offensichtliche Zeichen dafür. Jetzt zu gehen, wäre aber tatsächlich das falsche Signal, nicht nur für mein eigenes Gefühl, sondern auch für das der anderen Nutzer*innen, die sich gerade unsicher fühlen. Es bleibt ein Netzwerk, bei dem jede*r Nutzer*in ein Mitspracherecht hat, wie es funktioniert und welcher Ton untereinander der richtige ist.

Als ich im Jahr 2006 von einer lesbischen Freundin zum ersten Mal auf dieses neue Netzwerk aus den USA hingewiesen wurde, war mein erster Gedanke: «Wie Gayromeo, nur für Heteros.» Inzwischen ist laut einer aktuellen Umfrage auch das schule Netzwerk umbenannt worden. Es heisst längst «Planetromeo», auch, weil der alte Name zu viel verraten hat.

«Wenn sich jemand transfeindlich oder lesbenfeindlich äussert, will ich widersprechen.»

Ein Löschen meines Accounts kommt auch dort nicht in Frage, obwohl ich auch dort schon länger transfeindliche Äusserungen gelesen habe. Eher umgekehrt: Wenn sich dort jemand transfeindlich oder lesbenfeindlich äussert, will ich genauso widersprechen, wie in Zukunft bei Facebook. Dem Freund vor zehn Jahren habe ich damals nur sehr zurückhaltend geantwortet. Ich schrieb: «Hmmmm.» Das sollte wohl grummelig klingen. Danach war zehn Jahre Funkstille. Das weiss ich deshalb so genau, weil meine Tochter bald zehn Jahre alt wird.

*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

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