«Hairspray» und Hall of Fame: 50 Jahre Blondie

Meine bisexuellen Tage sind vorbei, erklärte Frontfrau Debbie Harry vor ein paar Jahren

Blondie-Frontfrau Debbie Harry (Foto: Andrew Gombert/epa/dpa)
Blondie-Frontfrau Debbie Harry (Foto: Andrew Gombert/epa/dpa)

Keine Band lässt so gut die Grenzen zwischen New Wave, Punk und Pop verschwinden: Die Erfolgsgeschichte von Debbie Harry und Co. beginnt im Sommer 1974 in einem längst verschwundenen New Yorker Club.

Von Christian Fahrenbach, dpa

New York City in den 1970er Jahren ist eine räudige Metropole kurz vor dem Zusammenbruch: Rund um den dicht befahrenen Times Square liegen Dutzende Pornokinos, niemand denkt an die dünnen Glashochhäuser, in denen heute die Milliardäre am Südende des Central Parks leben.

Im East Village spielen sich Mitte der 70er an der Bowery eine Reihe aufregender neuer Bands in winzigen Clubs wie dem «CBGB» die Wut aus dem Bauch. «Country, Bluegrass and Blues» gibt es hier nicht, stattdessen wird der von Tausenden Stickern und Schmierereien übersäte Mini-Club zur Brutstätte des Punks.

Eröffnet im Dezember 1973, wenige Monate nach dem Ende des Vietnam-Krieges und ein halbes Jahr bevor sich Richard Nixon wegen der Watergate-Affäre als Präsident zurückzieht, ist der Club gerade in den ersten Jahren stilprägend für Acts wie Patti Smith, die Talking Heads und Television. Geschichte schreibt er diesen Sommer vor 50 Jahren.

Am 16. August 1974 dröhnt die Vorband den nur wenigen Gästen erstmals in Viererbesetzung ihre Musik um die Ohren – die Geschichte der Ramones nimmt ihren Lauf. Nach ihnen betreten Angel and the Snake die Bühne, ein ebenfalls junges Projekt, bei dem von Anfang an Leadsängerin Debbie Harry wegen ihrer auffälligen Haare die Blicke auf sich zieht. Sie spielen unter diesem Bandnamen nur noch ein einziges weiteres Mal am 31. August 1974.

Im Oktober benennt sich die Gruppe um und heisst fortan Blondie. Später erzählt Harry in einem Interview, dass ihr Männer auf der Strasse immer wegen ihrer Frisur «Hey, Blondie!» hinterhergerufen haben – «Ich habe mir da gedacht: Nun, das ist wirklich ein verdammt eingängiger Name.»

So begann die Geschichte von einem der erfolgreichsten Crossover-Acts in der Musikhistorie, keine andere Band brachte New Wave, Punk und Pop so gut zusammen. Neben Harry gehören zu diesem Zeitpunkt Gitarrist Chris Stein und Fred Smith am Bass zur Band, Ivan Kral stösst als zweiter Gitarrist hinzu.

1976 veröffentlicht die Band ihr erstes Album «Blondie», doch es findet kaum Beachtung. Erst 1978 gelingt mit «Parallel Lines» weltweit der grosse Durchbruch. Die Gruppe verschmilzt darauf den «CBGB»-Sound mit Klängen einer anderen New Yorker Institution, mitten im Zentrum Manhattans: der aufkommenden Disco-Musik im «Studio 54».

Mit dem treibenden «One Way or Another» und der Hymne «Heart of Glass» gelingen der Band zwei Welthits auf einem Album. Schnell folgen «Call Me» für den Soundtrack von «American Gigolo» und das Reggae-Cover «The Tide is High» für das 1980 erscheinende Album «Autoamerican».

Ein Jahr später beginnt das MTV-Zeitalter und Blondie verstehen schnell, wie Videoclips rund um die faszinierende Harry zu einem noch grösseren Erfolg beitragen können. In der alternativen Punk-Szene bringt der immer grössere kommerzielle Erfolg die Band in Verruf.

Harry gibt sich zu diesem Zeitpunkt auf der Bühne zwar noch rebellisch und wild, posiert aber auch als Fotomodell, die Musik verändert sich weiter und besonders die Frontfrau wird nun zum Idol einer neuen Musikrichtung: New Wave.

Ihren Ruhm will Harry kurz darauf für eine parallele Solokarriere nutzen, doch ihre Projekte haben keinen grossen Erfolg und kurz darauf wird es auch um Blondie still. Schon 1982 löst sich die Band auf. Harry ist inzwischen mit Gitarrist Stein liiert und kümmert sich jahrelang während einer schweren Hautkrankheit um ihn.

Meine bisexuellen Tage sind vorbei.

Harry, die sich 2014 als bisexuell geoutet hatte, erklärte wenige Jahre später, ihre «bisexuellen Tage» seien nun vorbei. 2017 erklärte sie, sie glaube, dass ihre sexuellen Experimente «auf ihre Hormone» zurückzuführen seien. In einem Podcast erklärte sie nochmal drei Jahre später: «Ich war in alle möglichen Menschen verknallt, alle unterschiedlichen Geschlechts, und einige davon haben Früchte getragen, andere nicht.»

Sie arbeitet auch als Schauspielerin und findet Rollen in David Cronenbergs «Videodrome», «Für immer Lulu» an der Seite von Hanna Schygulla und als Velma Von Tussle in John Waters‚ «Hairspray».

1999 gelingt der Band ein Comeback. Das siebte Album «No Exit» wird von der Kritik als banal abgetan, doch «Maria» mit Debbie Harrys charakteristischem Schrei des Songtitels beschert Blondie noch einmal einen Welthit.

Danach wird es wieder etwas stiller, das bisher jüngste Album «Pollinator» erscheint 2017. Zum Bandjubiläum veröffentlicht Chris Stein im Juni 2024 seine Autobiografie «Under a Rock». Für kommendes Frühjahr haben er und Harry ein neues Album angekündigt.

Schon im März 2006 aber wurden Blondie in die «Rock and Roll Hall of Fame» in Cleveland (Ohio) aufgenommen – wegen einer exorbitanten Mieterhöhung schloss der Club «CBGB» im Oktober desselben Jahres für immer die Türen. In dem einstigen Punk-Club steckt heute ein teurer Modeladen, doch noch immer zieren die Original-Graffiti und Sticker die Wände.

Nach den Olympischen Spielen in Paris stehen die Paralympics vor der Tür. Bei den Spielen, die ebenfalls in der französischen Hauptstadt stattfinden, ist auch Team Regenbogen vertreten (MANNSCHAFT berichtete).

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