Gouverneur von Texas geht gegen Eltern von trans Kindern vor
Der Republikaner Greg Abbott hat in Texas eine neuerliche Debatte zum Umgang mit minderjährigen trans Personen ausgelöst
US-Medienberichten zufolge hat der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, das «Department of Family and Protektive Services» aufgefordert, Untersuchungsverfahren gegen Eltern von trans Kindern einzuleiten, die diesen Zugang zu geschlechtsangleichender medizinischer Behandlung gewähren.
In einem Brief an das DFPS heisst es: «Ich geben Ihrer Behörde hiermit den Auftrag, sofort gründliche Untersuchungen durchzuführen zu allen gemeldeten Fällen von misshandelnden Verfahren (‹abusive procedures›) im Staat von Texas.»
Zur Erinnerung: Im Jahr 2021 war versucht worden, die Rechtsprechung in Texas so anzupassen – über den Gesetzentwurf «Senate Bill Nr. 1646 » –, dass jede geschlechtsangeleichende Massnahme, inklusive Hormonbehandlungen und operative Eingriffe bei Minderjährigen, als «Kindesmisshandlung» eingestuft würde. Das hätte es rechtwidrig für Eltern gemacht, medizinische Hilfe für ihre Kinder in Anspruch zu nehmen, die an Geschlechtsdysphorie leiden, also an Geschlechtsidentitätsstörung.
Zwar habe der Gesetzentwurf keine Mehrheit gefunden, aber das hätte Gouverneur Abbott nicht davon abgehalten, über Umwege die Eltern trotzdem ins Visier zu nehmen, schreibt das LGBTIQ-Nachrichtenportal The Advocate. (MANNSCHAFT hatte aus Schweizer Perspektive darüber berichtet, was Eltern zu trans Kindern in der Schule wissen sollten.)
«Junge Texaner*innen schützen» Zuvor hatte Staatsanwalt Ken Paxton in einer nicht-bindenden Mitteilung erklärt, dass geschlechtsangleichende Massnahmen bei Minderjährigen als Kindesmisshandlung nach texanischem Gesetz einzustufen seien, womit er sowohl operative Eingriffe als auch Pubertätsblocker und Hormonbehandlungen meinte.
«Es besteht kein Zweifel, dass diese Massnahmen als ‹Misshandlung› nach texanischem Gesetz einzustufen sind und gestoppt werden müssen», so Paxton. «Ich werde alles tun, um junge Texaner*innen zu schützen, die bedroht werden von Leuten, die ihre Schwäche ausnutzen und ihnen Schaden zuführen wollen.»
Laut The Advocate sei das Hauptargument gegen geschlechtsangleichende medizinische Massnahmen, dass diese dazu führen würden, dass trans Personen sich nicht mehr fortpflanzen könnten. (MANNSCHAFT hatte über ein zehnjähriges trans Mädchen in einer Netflix-Kinderserie berichtet.)
«Recht auf Fortpflanzung» «Jede Debatte über Sterilisation im Zusammenhang mit Minderjährigen muss abgewogen werden gegen das Grundrecht, das hier auf dem Spiel steht: das Recht auf Fortpflanzung», heisst es. Angesichts der «besonders verletzlichen Natur von Kindern» und den «klaren Gefahren der Sterilisation, die wir im Laufe der Geschichte immer wieder erlebt haben», müsse gehandelt werden, um «ein breites Spektrum an wählbaren Massnahmen zur Geschlechtsangleichung» zu stoppen, dazu würden «Brustamputationen» ebenso gehören wie «das Entfernen von ansonsten gesunden Körperteilen».
In der Mitteilung von Paxton heisst es, dass Ärzt*innen, Pflegepersonal in Krankenhäusern, aber auch Lehrer*innen mit Strafverfolgung rechnen müssten, falls sie Eltern nicht melden sollten, von denen sie annehmen, dass sie ihren Kindern geschlechtsangleichende Massnahmen ermöglichen.
Dieser doppelte Vorstoss von Gouverneur Abbott und Staatsanwalt Paxton löste umgehend heftige Kritik von LGBTIQ-Aktivist*innen aus, die teils von einem «absoluten Alptraum» sprechen.
Die zugrundeliegende Frage lautet natürlich, ab wann ein Mensch in der Lage sein sollte, weitreichende Entscheidungen zur eigenen Geschlechtsidentität zu treffen, Entscheidungen, die teils unumkehrbar sind. In Texas ist die Diskussion dazu jetzt ganz oben auf die politische Tagesordnung gerückt. (MANNSCHAFT hatte bereits 2016 über Transgender-Kinder in den USA allgemein berichtet.)
«Angst und Falschinformationen werden verbreitet» Auch weitere US-Mainstreammedien berichteten über den Fall, etwa NBC News. In einem Beitrag wird dort Brian Klosterboer zitiert, der als Anwalt für die American Civil Liberties Union (ACLU) von Texas arbeitet. Er sagt: «Diese Mitteilungen (des Gouverneurs und Staatsanwalts, Anm.) können die Gesetzeslage in Texas nicht ändern, sie können auch nicht die von der Verfassung abgesicherten Rechte texanischer Familien usurpieren. Aber sie verbreiten Angst und Falschinformationen, was dazu führen könnte, falsche Meldungen zu Kindesmisshandlung zu machen. Und das zu einem Zeitpunkt, wo das DFPS jetzt schon wegen des Umgangs mit Pflegekindern in der Krise steckt.» (MANNSCHAFT hatte über einen Schüler in Texas berichtet, der suspendiert wurde, weil er mit lackierten Fingernägeln in die Schule gekommen war.)
Kloesterboer weiter: «Die Gesetzeslage ist klar. Eltern und Erziehungsberechtigte sind ebenso wie Ärtz*innen berechtigt, trans Jugendlichen die Massnahmen zu ermöglichen, die den aktuellen Standards im Gesundheitswesen entsprechen. Alle Eltern und Erziehungsberechtigten, die ihre Kinder lieben und unterstützen und zu staatlich anerkannten medizinischen Fachkräften bringen, begehen keine Kindesmisshandlung.»
Laut NBC News sei derzeit nicht klar, ob Abbott und Paxton das DFPS oder andere staatliche Stellen zwingen können, vermeintliche Kindesmisshandlungen bei Eltern zu verfolgen, die ihre Kinder bei einer Transition unterstützen.
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