Gigantische Solidarität mit dem Regenbogen – Freude ist angebracht!
Keine Macht den Homo- und Transphoben (mehr)!
Der Deutsche Fussball-Bund (DFB) hat an seiner Zentrale in Frankfurt/Main drei Regenbogen-Flaggen gehisst. Dies sei als Zeichen der Unterstützung für den Pride Month geschehen, so der DFB. Hinter uns liegt eine gute Woche, schreibt unser Autor im Samstagskommentar*.
Was war denn das für eine Woche – eine im Zeichen des Regenbogens, unserer Fahne, global? Da kommtein SPD-Oberbürgermeister wie Dieter Reiter in München auf die Idee, das Fussball-EM-Stadion in seiner Stadt beim Spiel der deutschen Mannschaft gegen Ungarn in den Farben des Regenbogens erleuchten zu lassen – wissend, dass die europäische Fussballorganisation UEFA dies nicht billigen würde (MANNSCHAFT berichtete).
Und warum kommt er auf die Idee? Weil Ungarns Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán just ein Gesetz verabschiedet hatte, dem zufolge die öffentliche Darstellung von schwulen oder lesbischen Paaren verboten werden soll (MANNSCHAFT berichtete). Überhaupt soll Queeres nicht ins Gefängnis gesteckt werden, aber moralisch ist es in Ungarn diskreditiert, nichts darf künftig positiv durch und zu uns geäussert werden. Insofern musste die Münchner Stadionregenbogenaktion zur Debatte werden, weil einerseits der Fussball weltanschaulich neutral zu sein hat, andererseits Dieter Reiter ebenso richtig liegt, weil die staatliche Herabwürdigung von LGBTI verboten ist – sagt das Recht der Europäischen Union, zu der auch Ungarn gehört.
Und was geschah? Eine nachgerade gigantische Solidarität mit der Moral und den politischen Kulturen des Regenbogens. Alle, buchstäblich alle zeigten sich einverstanden. Das Stadion in München durfte zwar nicht im Regenbogen erleuchtete werden, aber das Publikum konnte mit zehntausendfach verteilten Fähnchen im Regenbogen ins Stadion ziehen. Und tat es! Und um es zu wiederholen: Es nahm die Fähnchen und winkte freundlich in die Welt hinein. Mehr noch: Der DFB, seine Nationalmannschaft, seine Männer machen sich das Regenbogenhafte zu eigen, besonders Tormann Manuel Neuer, der bei allen öffentlichen Gelegenheiten eine Armbinde in diesen Farben zeigt (MANNSCHAFT berichtete) wie auch auf einer Pressekonferenz mit der Multikolore freundlich-selbstverständlich vor sich hinwedelt.
In den Tagen darauf kommentierte alle Welt – ich auch – diesen Kulturkonflikt. Wahr scheint mir, dass die Verregenbogisierung als Geste gegen die homophoben Ungarn und ihre Regierung auch wohlfeil ist. Schliesslich ist kein einziger Profispieler in Deutschland (und anderswo) bekannt, der offen schwul lebt. Der einzige, der schwul ist, outete sich erst nach seiner sportlichen Karriere: Thomas Hitzlsperger. Klar, es gibt im Profifussball schwule Spieler, aber die hüteten sich aus verstehbaren Gründen, sich sichtbar zu machen: aus Angst vor dem Verlust ihrer Marktfähigkeit, vor Mannschaftskameraden, vor dem Publikum, vor allem vor den Trainern und Beratern, die ihre Schützlinge viel lieber nichtschwul gelesen sehen wollen. Doch jetzt kann sich das Klima, nun ja, erwärmen. Warten wir ab.
Alle Heterowelt tut jetzt regenbogensolidarisch. Gleichwohl ist die Debatte um den Regenbogen gegen Homo- und Transphobe wie in Ungarn (und überall sonst) ein gigantischer Erfolg – für uns. Okay, alle Heterowelt tut jetzt regenbogensolidarisch. Und es liesse sich anführen, dass diese Solidarität nichts kostet, den Menschen nichts abverlangt. Dass wir als Regenbogen-Community mit unserem mächtigsten symbolischen Signum, dem Regenbogen, gekapert wurden von Leuten, die bislang nichts mit dem Kampf für Sag- und Sichtbarkeit queerer Menschen zu tun haben.
Nur mit dem groben Überblick: Schätzungsweise nur der Bundespräsident hat keine öffentliche Erklärung für den Regenbogen abgegeben, auch nicht seinen Dienstsitz im Schloss Bellevue im Regenbogenschimmer erleuchten lassen. Aber sonst – irgendwie so gut wie alle, selbst CSU-Ministerpräsident Markus Söder liess sich freundlich zur politische Debatte vernehmen (MANNSCHAFT berichtete). (Und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet nicht, was in der Tat Unangenehmes zu denken gibt.)
Und dennoch: Diese Aktion hat vor allem bewirkt, ja, angezeigt, dass antiqueere Geschichten moralisch diskrediert sind. Dass es nicht mehr schicklich ist, Homos und Trans zu diskriminieren. Dass es trotzdem weiter passiert, ist ja klar, aber im Vergleich zu unseren atmosphärischen Lebensverhältnissen etwa vor, sagen wir: 40 Jahren, hat sich jede Menge getan. Wir sind hartnäckiger als alle Homo- und Transphoben, wir haben den längeren Atem als alle Orbáns dieser Welt. Und, auch dies lässt sich zur begonnenen CSD-Saison sagen: Nichts versteht sich mehr von allein – wenn es gegen uns geht.
Wir haben Alliierte, massenhaft, man muss sie nur mit der richtigen Message zu gewinnen suchen. Mit dem Regenbogen eben. Dass der Bundestag es ablehnte, eben, schwule Männer wieder als Blutspender zu ermöglichen, dass sie nicht diskriminiert als angebliche Sexhuren oder Dauersexflittchen, liegt an der CDU und CSU – das merken wir uns schon mal.
Die Diskriminierenden sind in der Begründungspflicht, nicht mehr wir.
Diese Diskriminierung widerspricht meiner These nicht, im Gegenteil: Die Diskriminierenden sind in der Begründungspflicht, nicht mehr wir. Hierzu passt, dass Italiens Ministerpräsident Mario Draghi es in diesen Tagen ablehnte, dem Vatikan und dem italienischen Klerus moralische Sonderrechte einzuräumen. In Italien soll es nämlich ein Gesetz gegen Homo- und Transphobie geben – und der Vatikan war sogar gezwungen, wuchtig mit diplomatischer Note zu protestieren. Das hätten die Popen und Pfaffen früher per Andeutung im Hintergrund geschafft – und das gelingt ihnen nicht mehr.
Gut so. Keine Macht den Homo- und Transphoben (mehr)! Wir gewinnen weiter, das sollte uns in jeder Hinsicht freuen. Eine politische Bewegung wie unsere sollte nicht nur klagen, sondern auch dies: sich über die errungenen Erfolge freuen können.
*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar oder eine Glosse zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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