Gericht in Köln entscheidet: «Schwul» kann Beleidigung sein
Das Oberlandesgericht Köln hat einen wegweisenden Beschluss gefasst
Die Bezeichnung einer anderen Person als «schwul» kann eine Beleidigung sein: das entschied das OLG Köln diese Woche und widersprach damit einer Vorinstanz. Das Nachrichtenportal Legal Tribune Online, dem der Gerichtsbeschluss exklusiv vorliegt, berichtete zuerst darüber.
Im konkreten Fall geht es um den Streit zwischen dem YouTuber A.B.K (bürgerlicher Name: Abdelhalim Bouhmidi) und einem weiteren YouTuber, der als KuchenTV auftritt und bürgerlich Tim Heldt heisst. In einer Instagram-Story des 30-jährigen A.B.K hatte ein unbekannter Dritter KuchenTV als «Bastard» und «schwul» bezeichnet. Wogegen sich der 27-jährige Meinungsblogger Heldt gerichtlich zur Wehr setzte und vorm Landesgericht Köln auch Erfolg hatte – aber nur in Bezug auf die Bezeichnung «Bastard».
Gegen diese Entscheidung zog Heldt weiter vors Oberlandesgericht, wo er jetzt Recht bekam. «A.B.K, der sich die Äusserungen durch den Einbau in seine Video-Collage zu Eigen gemacht habe, muss die Äusserungen daher künftig unterlassen», berichtet LTO. (MANNSCHAFT berichtete über das neue Digital-Gesetzt der EU gegen Hass und Hetze.)
Egal ob wahr oder unwahr «Der durchschnittliche Instagram-User fasse die Äusserung ‹schwul› im konkreten Kontext als Beleidigung auf», schreibt LTO unter Verweis auf den Gerichtsbeschluss: «Allein schon, weil ein paar Sekunden später die Bezeichnung ‹Bastard› fiel und das unzweifelhaft eine Beleidigung sei. Es könne auch offenbleiben, ob die Äusserung rein wertend sei oder auch Tatsachen über die sexuelle Orientierung KuchenTVs enthalte.»
Denn: «KuchenTV kommuniziere (…) öffentlich, dass er in einer heterosexuellen Beziehung lebt. Deswegen würde die Bezeichnung als ‹schwul› ohnehin unwahr sein», so LTO.
Ob unwahr oder nicht, sei letztlich jedoch egal: Die Äusserung sei unabhängig von der sexuellen Orientierung zu unterlassen. Das OLG greift in seiner Urteilsbegründung auf den Duden zurück. Dort heisst es «schwul» habe in der Jugendsprache die Bedeutung «in Verdruss, Ärger, Ablehnung hervorrufender Weise schlecht, unattraktiv und uninteressant» und gelte damit bei der Verwendung in diesem Sinne als diskriminierend.(MANNSCHAFT berichtete, dass Jugendliche im Internet besonders häufig mit Hate Speech konfrontiert sind.)
Persönlichkeitsrecht vs. Meinungsfreiheit Letztlich überwiege das Persönlichkeitsrecht KuchenTVs gegenüber der Meinungsfreiheit von A.B.K, heisst es: «Es sei nicht erkennbar, dass die Äusserung auf einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung abziele», gibt LTO den Gerichtsbeschluss wieder.
Legal Tribune Online zitiert die Kanzlei Höcker, die KuchenTV im Prozess vertrat. Diese begrüsst die OLG-Entscheidung und sagt: «Es gibt leider immer noch genug Vorgestrige, die Worte wie ‹schwul›, ‹behindert› oder ‹Jude› als Beleidigung verwenden.» Der Höcker-Anwalt Dr. René Rosenau ergänzt: «Solche Personen darf man mit ihrer menschenfeindlichen Einstellung aber nicht davonkommen lassen, indem man ihr Verhalten sanktionslos stellt.»
Solche Personen darf man mit ihrer menschenfeindlichen Einstellung nicht davonkommen lassen
In seiner Urteilsbegründung betont das OLG allerdings, dass es im Äusserungsrecht immer auf den konkreten Kontext ankomme. Wodurch eine Grauzone entsteht, denn nicht geklärt wurde, wann genau es diskriminierend und beleidigend ist, wenn jemand als «schwul» bezeichnet wird. Und Kontext ist eine Frage der Interpretation.
Zur Erinnerung: Das Landgericht Tübingen urteilte vor zehn Jahren, dass die Bezeichnung einer anderen Person als «homosexuell» nicht ehrverletzend sei und als wertneutrale Äusserung keine Beleidigung darstelle. (MANNSCHAFT berichtete über aktuelle Statistiken, die zeigen, dass Hassrede im Netz sich besonders häufig gegen LGBTIQ richtet.)
Auf YouTube gibt’s auf dem Kanal von KuchenTV übrigens mehrere Beiträge zu A.B.K (englisch ausgesprochen), die auf eine Dauerfede zwischen den beiden Bloggern hindeuten. Eine Fede, der das OLG Köln nun Grenzen gesetzt hat.
Das könnte dich auch interessieren
Politik
FKK-«Bildungsreise» von Mannheimer Stadtrat Ferrat sorgt für Wirbel
Die 44-jährige Mimi aus Rheinland-Pfalz reist mit in den FKK-Swinger-Urlaub des Mannheimer Stadtrats Julien Ferrat nach Frankreich. Was sie sich von der Reise erhofft.
Von Newsdesk/©DPA
Bi
Lust
Deutschland
Justiz
Kein sicheres Herkunftsland, wenn Homosexuelle verfolgt werden
Listen sicherer Herkunftsstaaten ermöglichen schnellere Asylverfahren. Italien nutzt sie bei seinem umstrittenen «Albanien-Modell». Nun macht das höchste EU-Gericht dafür Vorgaben.
Von Newsdesk/©DPA
News
International
Sport
«Nur biologisch weiblich»: World Athletics bittet Frauen zum Gentest
Der Leichtathletik-Weltverband verlangt zur WM verpflichtende Gentests von den Athletinnen. Das biologische Geschlecht soll damit überprüft werden. Der Präsident verteidigt die Massnahme.
Von Newsdesk/©DPA
News
TIN
Geschlecht
Berlin
Schwuz meldet Insolvenz an: Kann die Community den Club retten?
Der Berliner Club Schwuz, seit fast fünf Jahrzehnten ein zentraler Ort queerer Kultur, hat Insolvenz angemeldet. Trotz finanzieller Schieflage soll der Betrieb vorerst weiterlaufen – mit Unterstützung der Community soll ein Neuanfang gelingen.
Von Newsdesk Staff
Deutschland