Findet der FC Basel keine klareren Worte gegen Homophobie?
Für seine Aussage von 2017 hatte sich Benjamin Kololli vor dem Wechsel zum FC Basel nie entschuldigt
Das Internet vergisst nie: Der FC Basel thematisiert beim Wechsel des Mittelfeldspielers Benjamin Kololli dessen homophobe Aussage von 2017. Für den Verein eine verpasste Chance sich klar gegen Homophobie zu positionieren, schreibt Olivier Samter.
Text: Olivier Samter
Wahrscheinlich hat man sich beim FC Basel die Tage nach Weihnachten anders vorgestellt. Nach einer turbulenten erstem Saisonhälfte mit zwei Trainerwechseln und einem zwischenzeitlichen Aufenthalt am Tabellenende ist jetzt erstmal Durchschnaufen angesagt. Hinter den Kulissen wird die Aufholjagd in der zweiten Saisonhälfte geplant und neue Verstärkung verpflichtet.
Einer dieser neuen Spieler, die der Verein zu sich holt, ist Benjamin Kololli. Der kosovarisch-schweizerische Mittelfeldspieler suchte sein Glück zuletzt in Japan – vergeblich. Beim Zweitligisten Shimizu S-Pulse lief er in dieser Saison in nur gerade 11 Liga-Partien auf und erzielte dabei ein Tor. Verständlich, dass es den Romand wieder zurück in die Schweiz zieht. Für die krisengeplagten Bebbi ist Kololli die perfekte Verstärkung für sein Kader, weshalb es am 26. Dezember zur Vertragsunterzeichnung kam.
Die Kritik am Transfer lässt jedoch nicht lange auf sich warten.
«Isch das no unsere FCB?» Oder: «Tiefer kann man nicht mehr sinken [wenn] man schon beim FCZ einkaufen muss». Das sind Kommentare von Fans, die sich vor allem auf den sozialen Medien daran stören, dass der Verein ausgerechnet einen Spieler verpflichtet, der von 2018 bis 2021 für den grossen Rivalen FC Zürich auflief.
Diese Art von Kritik ist nicht wirklich neu, und es ist eine, mit der der FC Basel klarkommen dürfte. In der überschaubaren Schweizer Liga ist es für einen Verein mit den Ambitionen des FC Basel nun einmal kaum möglich, einen Spieler mit Super-League-Erfahrung zu verpflichten, der nicht irgendwann beim FC Zürich — oder überhaupt bei einem der beiden Stadtzürcher Vereine — engagiert war.
Aussage nach dem Coming-out von Pascal Erlachner Es ist vielmehr der zweite Kritikpunkt, der an der Verpflichtung von Kololli geäussert wird, der dem FC Basel zu denken geben sollte. Er bezieht sich auf Aussagen des Spielers, die dieser 2017 tätigte, als er noch für Lausanne-Sport auflief. In einem Blick-Interview nach dem Spiel gegen Lugano wird der Mittelfeldspieler zum frischen Coming-out von Schiedsrichter Pascal Erlachner gefragt.
Dazu findet Kololli klare Worte: «Das ist seine Meinung, seine Wahl. Wir leben in einer Welt, in der alles passieren kann.»
So weit, so unproblematisch.
Doch dann erkundigt sich der Interviewer bei Kololli, ob es auch bei ihm im Team schwule Spieler gäbe. Er lacht nervös und sagt: «Ich hoffe nicht. Aber möglich ist es», und fügt dann an: «Wenn es so wäre, sollte der Betreffende es lieber für sich behalten.»
Wer sich je gefragt hat, warum es so wenige aktive schwule Spieler gibt: Es ist nicht so, dass es sie nicht gibt. Sondern, dass sie in einem Team spielen, in denen es ihnen Menschen wie Benjamin Kololli schwermachen, zu ihrer Sexualität zu stehen.
Warum er das tut, erklärt der Romand im Blick-Interview gleich selbst: «Es könnte Konflikte erzeugen. Denn wir duschen ja alle zusammen. Es wäre für einen Spieler keine gute Idee, mit seiner Homosexualität an die Öffentlichkeit zu gehen.»
Zur Tragweite solcher «Ratschläge» an ungeoutete Mitspieler findet FC-Basel-Fan «Ivanna Es*rgić» in diesen Tagen auf X (ehemals Twitter) deutliche Worte: «Das ist mit ein Grund, wieso sich so viele meiner Geschwister das Leben nehmen. Weil wir nicht gesehen werden. Weil wir nicht akzeptiert werden. Weil wir nicht als das leben dürfen, was wir sind.»
Für Kololli gibt es 2017 kein wirkliches Nachspiel. Er äussert sich auch nicht mehr dazu oder bittet um Entschuldigung. Ein Jahr später wechselt er zum FC Zürich, wo die Aussagen ebenfalls nicht gross thematisiert werden. Nach drei Saisons verlässt er den Club für sein Japan-Abenteuer.
Vor diesem Hintergrund ist es lobenswert, dass der FC Basel einen anderen Weg einschlägt als Kolollis frühere Arbeitgeber Lausanne-Sport oder der FC Zürich. Er schweigt die Aussagen des Spielers nicht tot, sondern geht gleich bei der Verpflichtung in einer Stellungnahme darauf ein. Wahrscheinlich dürfte dem Verein aber auch nicht entgangen sein, wie sich bereits in den Tagen vor dem Transfer, als Gerüchte über Kolollis Verpflichtung aufkamen, ein kleines Unwetter zusammenbraute.
Das Communiqué selbst ist eine eher ungelenke Angelegenheit, die davor zurückschreckt, deutliche Worte zu finden. Stattdessen ist gleich zweimal lediglich von «unglücklichen Aussagen» die Rede und auch der Begriff «Homophobie» wird nur verwendet um ihn «in aller Deutlichkeit» zurückzuweisen. Das mag man als Wortklauberei abtun – doch wer klar Position bezieht, verwendet auch klare Worte.
Er würde die Aussagen heute so nicht mehr machen, lässt sich Kololli zudem weiter zitieren.
Aber ob er noch immer so denkt, lassen Spieler und Club in ihrem Statement offen.
Nicht der einzige Fall in der Super League Darauf angesprochen, beteuert der FC Basel, dass man das Thema «Homophobie» – wie alle anderen Themen, die der Club-Charta widersprechen – im Verein selbstverständlich ernst nehme. So habe man sich mit Benjamin Kololli eingehend dazu unterhalten und anlässlich seines Transfers auch weitere FCB-Führungsspieler auf das wichtige Thema sensibilisiert, wie man gegenüber MANNSCHAFT Auskunft gibt. Kololli selber habe sich nach dem ersten Training auch vor den Medien nochmals für seine damaligen verletzenden Äusserungen entschuldigt. Nach den bereits durch den Spieler und den FCB geäusserten Statements bei Kolollis Verpflichtung sei damit aus Sicht des Clubs grundsätzlich alles zu den Äusserungen vor sechs Jahren gesagt – auch wenn man die Thematik selbst keineswegs kleinreden wolle.
Dass der FC Basel mit seinem Umgang mit seinem Spieler nicht ein Problem lösen kann, das den gesamten Fussball und erst recht die gesamte Gesellschaft betrifft, ist klar. Die homophoben Aussagen seines Spielers sind Teil eines grösseren Problems im Männer-Profi-Fussball, in dem «schwul» eher als Schimpfwort verwendet wird, als dass es auf die Worte «ich bin» folgt. «Der Fall Benjamin Kololli» ist eben mehr als nur «der Fall Benjamin Kololli».
Auch in der Super League gibt es vergleichbare Beispiele, wie etwa jenes des FC Luzern: Im August 2022 regte sich dessen Torhüter Marius Müller in einem Interview über «schwules Weggedrehe» seiner Vorderleute auf (MANNSCHAFT berichtete). Der Aufschrei war gross und der FC Luzern entschuldigte sich in einer Stellungnahme und benannte die Aussage deutlich als das, was sie war: homophob. Kein «unglücklich», nichts wurde «zurückgewiesen». Die Liga verdonnerte Müller zudem zu einer Busse über 2000 Franken.
Wie wichtig es ist, dass Vereine klare Haltung zeigen — beziehungsweise, wie hässlich es sein kann, wenn sie das eben gerade nicht tun, beweist ein anderes Beispiel aus der Super League: Im Juni 2023 ernteten die Berner Young Boys auf Instagram einen Shitstorm, als sie ihre Fans über die neue Eckfahne abstimmen liessen. Der Aufreger dabei: Alle vier vorgeschlagenen Designs enthielten die Regenbogenfahne. «LGBTQ het nüd verlore im Fuessball», schimpften einige Fans und andere fragten: «What does homosexuality have to do with the sport?!».
Sicher, es ist erfreulich, dass sich YB davon nicht beirren liess und nun tatsächlich eine neue Eckfahne im Wankdorf steht — auch wenn es am Ende das Sujet unten rechts mit dem diskretesten Regenbogen wurde.
Enttäuschend ist dabei aber, dass der Verein sich bei diesem Post noch mit den Werten, für die er seit Jahren angeblich einstehe, brüstete — und gleichzeitig all die hasserfüllten Kommentare gegen queere Menschen unkommentiert liess. Regelrecht schockierend hingegen ist, dass ein halbes Jahr später viele dieser Kommentare — darunter diverse justiziable Beschimpfungen und Gewaltandrohungen — noch immer unter dem Beitrag zu sehen sind.
So wie YB 2023 seine queeren Fans im Angesicht dieses hasserfüllten Shitstorms hängen liess, so enttäuscht nun auch der Rivale aus Basel all jene, die tagtäglich homophoben und queerfeindlichen Angriffen ausgesetzt sind. Auch wenn niemand vom FC Basel erwartet, dass er die Homophobie im Alleingang abschafft, so kann sich der Verein so einfach nicht aus seiner Verantwortung stehlen. Wer «homophobe» Aussagen als «unglücklich» bagatellisiert, signalisiert, dass es bei der Grenze des Sagbaren eben doch einen gewissen Spielraum gibt. Dagegen gilt es klar Position zu beziehen.
Doch dazu braucht es in erster Linie den Willen, Homophobie auch als solche zu benennen.
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