«Trauung für alle»: Evangelisch-Lutherische Kirche Bayerns öffnet sich
Es ist die Rede von einem historischen Wendepunkt
Die bayerische Landessynode hat bei ihrer Frühjahrstagung in Augsburg die «Trauung für alle» beschlossen: eine Zäsur in der kirchlichen Trauungspraxis.
Kommentator Oliver Marquart spricht im Online-Magazin Sonntagsblatt («360° Evangelisch») von einem historischen Wendepunkt und fragt, was diese Gleichstellung aller Ehen für die evangelische Kirche und für queere Gläubige bedeutet.
«Die Entscheidung fusst auf einer gründlichen Aufarbeitung durch die Arbeitsgruppe Queer, die im Herbst 2023 von der Synode mit der Analyse historischer Diskriminierungsmuster und der Entwicklung zukunftsweisender Perspektiven beauftragt wurde», heisst es. «Die dokumentierten Erkenntnisse zeichnen ein bedrückendes Bild: Systematische Ungleichbehandlungen, berufliche Diskriminierungen und gravierende Eingriffe in die Privatsphäre queerer Menschen prägten die kirchliche Praxis über Jahrzehnte hinweg.»
Historische Verfehlungen
Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel sprach von historischen Verfehlungen: «Dienstliche Ungleichbehandlungen, Behinderung von Karrieren, Durchgriff ins Privatleben und die Aufforderung zum Leben in Doppelmoral» seien zwar formal mit dem damaligen Regelwerk vereinbar gewesen, müssten jedoch als «unangemessen, ungerechtfertigt und diskriminierend» verurteilt werden. Die Formulierung «Die Kirche als Ganze ist schuldig geworden» markiert einen bemerkenswerten Moment institutioneller Selbstreflexion.
Malte Scholz, der Vorsitzende der Evangelischen Jugend, hatte sich ursprünglich gegen den Gewissenschutz bei der Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren eingesetzt. Nun erkennt er an, dass die Landeskirche mit dem neuen Aktionsplan, der Einführung der «Trauung für alle» und der Aufarbeitung von Diskriminierung und Schuld einen wichtigen Schritt gehe. Und zwar in Richtung einer Kirche, die Vielfalt nicht nur anerkenne, sondern aktiv lebe und schütze.
Gewissensschutz
Als neuralgischer Punkt der Verhandlungen erwies sich die Frage des sogenannten «Gewissensschutzes». Die gefundene Lösung spiegelt das Bemühen um einen tragfähigen Kompromiss wider: Obwohl Pfarrer*innen weiterhin aus Gewissensgründen die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare ablehnen dürfen, werden sie künftig in die Pflicht genommen, betroffenen Paaren Alternativen innerhalb der Landeskirche aufzuzeigen.
Landesbischof Christian Kopp würdigte diesen Ausgleich als «Meisterstück der Synode» und betonte den pluralistischen Charakter der kirchlichen Gemeinschaft.
Vielstimmiges Echo
Die Entscheidung rief ein vielstimmiges Echo hervor, schreibt Oliver Marquart. «Während eine deutliche Mehrheit den Beschluss als grossen Fortschritt für die Inklusion queerer Menschen in der Kirche würdigt, gibt es auch kritische Perspektiven, die eine noch konsequentere Öffnung befürwortet hätten», so Marquart.
Ob man diesen Beschluss nun als mutigen Aufbruch oder als moderaten Kompromiss mit Luft nach oben versteht – seine historische Bedeutung sei unbestreitbar: Die bayerische Landeskirche habe einen Prozess eingeleitet, der die Würde und Gleichwertigkeit aller Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung im kirchlichen Leben verankere.
«Die kommenden Jahre werden zeigen, wie dieser Neuansatz in der Praxis Gestalt annimmt und welche weiteren Entwicklungen er letztlich inspirieren wird», so Marquarts Fazit.
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