EU-Erweiterung? «LGBTIQ-Rechte dürfen nie zur Disposition stehen!»
Ist der Westbalkan reif für die EU?
Die EU ist uneins, ob sie ihre Ziele besser als Club der 27, oder erweitert um Staaten wie Serbien und Albanien erreichen kann. Bei einem Westbalkan-Gipfel stellte die EU am Mittwoch sechs Balkanländern einen Beitritt weiter in Aussicht.
Hoffnungen auf eine klare zeitliche Perspektive für eine Aufnahme in die EU wurden am Mittwoch in Slowenien nicht erfüllt. «Ich halte nichts von so einer Deadline, die zum Schluss uns unter Druck setzt», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Gipfel. Sie sei allerdings dafür, dass die EU ihr Wort halte. Wenn die Bedingungen der Union erfüllt würden, müssten Länder beitreten können.
«Wenn wir als Europäische Union keine ernsthafte Perspektive für diese Region bieten, dann müssen wir uns bewusst sein, dass andere Supermächte wie China, Russland oder auch die Türkei dort eine immer stärkere Rolle spielen», sagte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Gipfel.
Mit bestehenden Mitgliedsstaaten wie Polen und Ungarn, die 2004 der EU im Rahmen der Osterweiterung beigetreten waren, gibt es immer wieder Streit um LGBTIQ-Rechte und Demokratie-Standards (MANNSCHAFT berichtete). Darum wollte MANNSCHAFT wissen, ob die Balkan-Länder geeignete Kandidaten sind.
Eine Beitrittsperspektive für die Westbalkanstaaten sei zu begrüssen, sagte uns der österreichische NEOS-Politiker Yannick Shetty. «Die EU darf jedoch nicht Fehler aus der Vergangenheit wiederholen und ignorieren, dass in bestimmten Ländern fundamentale Rechte der EU-Grundrechtscharta immer noch missachtet werden. Vor einem Beitritt zur Europäischen Union müssen die Staaten klarmachen, dass Rechte von Schwulen, Lesben und trans Personen Menschenrechte sind – und damit niemals zur Disposition stehen.»
Ähnlich äusserte sich auch Helmut Metzner aus dem LSVD-Bundesvorstand. «Durch unsere langjährige Kooperation mit ERA LGBTI (LGBTIQ-Organisation für Westbalkan & Türkei, Anm. der Red.) wissen wir, dass der Westbalkan dank der EU eine der dynamischsten Regionen für LGBTI und die Gesetzgebung zu Gleichstellung und Nichtdiskriminierung. Viele Gesetze in den verschiedenen Ländern wurden in den letzten Jahren den Vorgaben der EU angepasst, Aktionspläne und Strategien wurden entwickelt.»
Keine Abstriche bei Menschen- und Bürgerrechtsstandards!
Gleichwohl seien abwertende bis feindliche Einstellungen weit verbreitet, so Metzner gegenüber MANNSCHAFT. «Gesetze und Bestimmungen etwa zur Hasskriminalität werden nicht angewendet. Die dortige LGBTI-Bewegung hegt die Hoffnung, dass durch den Aufnahmeprozess die klaffende Lücke zwischen der rechtlichen Situation und der gesellschaftlichen Wirklichkeit überbrückt werden kann. Für uns ist klar, dass es bei der EU-Erweiterung keine Abstriche bei den Menschen- und Bürgerrechtsstandards geben darf. Das gilt nicht nur für potentielle Mitgliedsstaaten, sondern auch für Länder wie Polen und Ungarn. Die EU-LGBTI-Gleichstellungsstrategie muss umgesetzt werden.»
Immerhin: Die Macher*innen des aktuellen LGBTIQ-Ranking registrierten sowohl in Nordmazedonien als auch in Bosnien und Herzegowina eine verbesserte Sicherheit bei öffentlichen LGBTIQ-Anlässen (MANNSCHAFT berichtete).
Die sechs Balkanstaaten Albanien, Nordmazedonien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und der Kosovo (wo 2017 die erste Pride stattfand – MANNSCHAFT berichtete) arbeiten mittlerweile seit rund 20 Jahren mehr oder weniger intensiv auf einen EU-Beitritt hin. Vor allem wegen ihrer Lage inmitten der EU gelten sie als strategisch relevant. Anhaltende Defizite in Bereichen wie Rechtsstaatlichkeit, Medienfreiheit und Bekämpfung der organisierten Kriminalität haben es Erweiterungsskeptikern zuletzt aber leicht gemacht, Fortschritte im Aufnahmeprozess hinauszuzögern. (mit dpa)
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