Entsetzen über Abbruch des 1. CSD in Schönebeck
Die Argumentation lässt aufhorchen
Es war der 1. CSD in Schönebeck. Doch das Ordnungsamt der Stadt Schönebeck hat – durchgesetzt von der Polizei – angeordnet, die Veranstaltung mehrere Stunden vor dem genehmigten Ende zu beenden.
Bei der Pride-Premiere in Toggenburg sollen maskierte Jugendliche Böller gezündet haben.
Der Lesben-, Schwulen- und Queerpolitische Runde Tisch (LSQpRT) Sachsen-Anhalt zeigt sich entsetzt über den vorzeitigen Abbruch . Das Ordnungsamt der Stadt Schönebeck hatte – durchgesetzt von der Polizei – angeordnet, die Veranstaltung auf dem Salzblumenplatz mehrere Stunden vor dem genehmigten Ende zu beenden. Dieses behördliche Vorgehen stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar und verletzt grundlegend das Recht der queeren Community, sicht- und hörbar für ihre Anliegen einzutreten, heisst es in einer Pressemitteilung. Der LSQpRT Sachsen-Anhalt verurteilt das Vorgehen aufs Schärfste und fordert transparente Aufklärung sowie Konsequenzen.
Am Samstagnachmittag hatten sich Hunderte Menschen unter dem CSD-Motto «Nie wieder still! Liebe ist kein Verbrechen» in Schönebeck versammelt, um gemeinsam ein Zeichen für Akzeptanz, Gleichberechtigung und queere Sichtbarkeit zu setzen. Doch dann wurde das Pride-Strassenfest abrupt gestoppt. Auf Anweisung des Ordnungsamtes brach die Polizei die Veranstaltung etwa vier Stunden vor dem offiziellen Ende ab, mit der Begründung, der CSD sei in Teilen nicht politisch.
Viele Teilnehmende hätten fassungslos und mit Unverständnis auf die plötzliche Beendigung der Kundgebung reagiert.
Zur vorzeitigen Auflösung des CSD erklären die Bundessprecher von Die Linke queer, Daniel Bache und Frank Laubenburg: Die Missachtung der grundgesetzlich geschützten Versammlungsfreiheit durch das Ordnungsamt Schönebeck und die dortige Polizei müsse «personelle und juristische Konsequenzen haben». Es handle sich um einen vollkommen inakzeptablen Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte. Polizei und Ordnungsamt hätten sich zu «Gehilfen der faschistischen Kräfte» gemacht, die CSDs verhindern und verbieten wollen.
Die Argumentation des Ordnungsamtes zur Beendigung des CSD erfolgte offenbar mit der Begründung, eine der gehaltenen Rede sei nicht politisch genug gewesen, gleiches gelte für die Ankündigung und das Spielen eines Liebesliedes. Von daher sei ein politischer Charakter der Veranstaltung nicht erkennbar gewesen. Das stelle einen «völlig willkürlichen Eingriff in das festgeschriebene Selbstbestimmungsrecht der Veranstalter*innen des CSD Schönebeck im Rahmen der Versammlungsfreiheit» dar.
Allein, dass queere Menschen sich in der Öffentlichkeit versammeln, um Sichtbarkeit zu demonstrieren, ist ein politischer Akt. Dies gilt verstärkt in einem Bundesland, in dem aktuell die AfD in Umfragen mit über 30% gehandelt wird und queeres Leben damit akuten Gefahren ausgesetzt ist.
Die Linke queer fordert die sofortige Freistellung der verantwortlichen Ordnungsamtsbeschäftigten vom Dienst. Ihr Eingriff in die Veranstaltung war ein massiver Angriff auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundpfeiler eines demokratisch verfassten Staates. Wer sie angreift, hat im öffentlichen Dienst nichts zu suchen.
Dies dürfte auch dem Schönebecker Oberbürgermeister und Juristen Bert Knoblauch (CDU) klar sein. Von ihm verlangt Die Linke queer eine klare Distanzierung vom Verhalten seiner Beschäftigten und eine schriftliche Erklärung dazu, dass das Vorgehen rechtswidrig war. Notwendig ist auch Schadenersatz an die Veranstalter*innen, die ihre Versammlung vorzeitig abrechen mussten.
Die Polizei habe nun die Rechtswidrigkeit ihrer anschliessend erlassenen Verbotsverfügungen für die geplanten Versammlungen gegen das faktische CSD-Verbot zu erklären. «Sollte eine solche Feststellung nicht freiwillig erfolgen, raten wir den CSD-Veranstalter*innen zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage, um die Rechtswidrigkeit der Massnahmen im Nachhinein gerichtlich feststellen zu lassen.
Die «zunehmenden autoritären, zum Teil faschistoiden, Tendenzen" in der Bundesrepublik zeigen sich auch in einem autoritär-rechtsstaatswidrigen Verhalten einzelner staatlicher Behörden. Es bedürfe eines massiven Widerstands dagegen.
Der Vorfall schlug hohe Wellen. In Österreich erklärten sich die Hosi und andere Organisationen solidarisch mit dem CSD Schönebeck.
Auch in der Schweiz ist die Pride-Saison gestartet. Der Verein Queer Toggenburg organisierte am Samstag die erste «Mini-Pride» in Lichtensteig (MANNSCHAFT berichtete). Laut Tagblatt kamen zum Umzug etwa 700 Personen.
Kurz vor dem Umzugsstart wurden Knallkörper gezündet. Einige maskierte Jugendliche hätten sich formiert. Der Sicherheitsdienst habe das «zur Kenntnis genommen», auch die Polizei war vor Ort. Ob mit der Aktion gezielt der Umzug gestört werden sollte, konnte laut dem Bericht nicht abschliessend eruiert werden. Drei Jugendliche wurden etwas später des Platzes verwiesen, heisst es.
Die Pride-Saison 2025 läuft: Hier findest du alle CSD-Termine in Deutschland, Österreich und der Schweiz im MANNSCHAFT-Kalender.
Das könnte dich auch interessieren
NRW
Rainbowfestival findet ohne Cologne Pride statt
Ende Juni findet erstmals das Rainbowfestival am Fühlinger See statt. Jetzt hat Cologne Pride überraschend die Kooperation gekündigt. Es liegt am Auftritt der Village People
Von Newsdesk Staff
Musik
Unterhaltung
Österreich
Starker Rechtsruck in Wien – Aber Bürgermeister kann weitermachen
Die queerfeindliche und rechtsextreme FPÖ legte bei den Wiener Wahlen deutlich zu. Die Sozialdemokraten bleiben jedoch stärkste Kraft. Damit ist die Finanzierung von queeren Projekten für die nächsten fünf Jahre gesichert.
Von Christian Höller
LGBTIQ-Rechte
Queerfeindlichkeit
News
Politik
Grossbritannien
Nach Gerichtsurteil: Trans Frauen sollen Männerklo benutzen
Trans Frauen sind keine Frauen? Das hat der britische Supreme Court entschieden. Nun gingen gegen das Urteil Tausende auf die Strasse. Bei der Demo kam es offenbar zu Sachbeschädigungen.
Von Newsdesk/©DPA
News
TIN
Justiz