Eine kleine, wachsende Zahl orthodoxer Rabbiner öffnen die Ehe
Eine bemerkenswerte Veränderung in der orthodoxen Gemeinschaft
Die Jewish Telegraphic Agency hat laut Jerusalem Post zehn von Orthodoxen ordinierte Rabbiner ausgemacht, die bereits Ehen homosexueller Paare geschlossen haben oder sagten, sie seien dafür offen. Obwohl die Zahl noch gering ist, sei hier eine bemerkenswerte Veränderung in der orthodoxen Gemeinschaft festzustellen.
Das orthodoxe Judentum ist durch die strikte Einhaltung des Religionsrechts definiert. Darum war es auch noch vor einem Jahrzehnt unmöglich, einen einzigen Rabbiner zu finden, der dazu bereit war, schwule oder lesbische Paar zu trauen.
«Vor 10 Jahren hätte ich nicht akzeptiert, dass du schwul bist»
«Wenn das Paar sich dafür entscheidet, ein jüdisches Leben zu führen, ein jüdisches Zuhause zu bauen und jüdische Kinder grosszuziehen, muss unser traditionelles Rabbinat die Gelegenheit nutzen, diese Familien in ihren kostbarsten Lebensmomenten willkommen zu heissen und mit ihnen zusammenzuarbeiten», erklärte etwa Rabbi Avram Mlotek, ein orthodoxer Rabbiner, der ein Förderprogramm für junge jüdische Fachkräfte in New York leitet, der dieses Jahr das erste Mal eine gleichgeschlechtliche Hochzeit durchführte.
Im vergangenen Jahr hatte er in einer Ankündigung die Erklärung geliefert, warum er gleichgeschlechtliche Paare trauen will. «Wenn wir das nicht tun, riskieren wir eine weitere Entfremdung und geraten in einen Abgrund religiöser Irrelevanz, indem wir diesen Paaren ihren rechtmässigen Zugehörigkeitsort verweigern.»
«Ich denke, für die meisten orthodoxen Rabbiner war das Verbot in der Bibel und in späteren halachischen Werken (die Halacha umfasst die 613 Mizwot (Gebote) und enthält zudem allgemeine Rechtsgrundsätze, Anm. d. Red.) etwas unlösbar», erklärte Jonathan Sarna, Professor für amerikanisch-jüdische Geschichte an der Brandeis-Universität, und verwies auf das biblische Verbot des Geschlechtsverkehrs zwischen Männern. «Aber was wir sehen, was ich für sehr wichtig halte, ist eine Änderung der Einstellung.»
MANNSCHAFT sucht die Queeros 2020
Zu den aufgeschlossenen Rabbinern zählen neben Mlotek prominente Persönlichkeiten wie Rabbi Asher Lopatin, der frühere Leiter der liberal-orthodoxen Rabbinerschule Yeshivat Chovevei Torah, der sagte, er würde «ernsthaft darüber nachdenken», wenn er gebeten würde, eine gleichgeschlechtliche Hochzeit durchzuführen.
«Das Judentum, an das ich glaube und von dem ich glaube, dass Gott es uns gegeben hat, ist eines, das sich um die Menschen kümmert und ihre Bedürfnisse anspricht und für sie von Bedeutung ist. Deshalb müssen das jüdische Recht und die jüdische Tradition dies ansprechen», sagte Lopatin, der eine moderne orthodoxe Synagoge ausserhalb von Detroit sowie das Jewish Community Relations Council in Detroit leitet.
Einige von ihnen wurden an der Yeshiva University ordiniert, der modern-orthodoxen Rabbinerschule, die kürzlich die Bildung einer LGBTIQ-Student*innengruppe abgelehnt hatte. Andere wurden von Yeshivat Chovevei Torah ordiniert, wo man sich im vergangenen Jahr geweigert hatte, einen 27-jährigen schwulen Studenten zu ordinieren, wie die Jewish Week berichtet hatte.
Das orthodoxe Judentum wird durch seine traditionelle Auslegung des jüdischen Rechts definiert, die keine gleichgeschlechtliche Ehe oder sexuelle Beziehungen zwischen Menschen gleichen Geschlechts zulässt. Die Einstellungen zur Eheöffnung und zur Akzeptanz von LGBTIQ im Allgemeinen sind in der konservativeren haredi-orthodoxen Welt ähnlich, die eine strikte Trennung von der säkularen Welt aufrechterhält. Aber in der modernen orthodoxen Gemeinschaft, in der ein religiöser Lebensstil mit der säkularen Welt versöhnt wird, habe sich die Akzeptanz von LGBTIQ beschleunigt, so die Jerusalem Post.
Einige von den modernen Orthodoxen ordinierte Rabbiner kamen daher zu dem Schluss, dass Verbotspassagen, die traditionell so interpretiert wurden, dass sie Sex zwischen Männern als «Gräuel» bezeichnet, neu bewertet werden müssen.
«Du sollst nicht bei einem Mann liegen wie bei einer Frau»?
In den Kommentaren zum Artikel gibt es Widerspruch der Leser*innen: «Es tut mir leid, aber es gibt keine Möglichkeit, dass jemand den Text der Tora ernsthaft lesen und zu dem Schluss kommen kann, dass eine Homo-Ehe halachisch akzeptabel ist», schreib einer. «Wenn diese „Rabbiner“ die klare Bedeutung des Textes nicht akzeptieren können, dann sind sie nicht orthodox und sie sind intellektuell sicherlich nicht ehrlich.»
Bisher können sich homosexuelle Paare in Israel nicht mal verpartnern, geschweige denn heiraten. Eine Zivil-Ehe gibt es nämlich nicht, auch nicht für Heteros: Eheschliessungen liegen in der Hand der Religionsgemeinschaften.
Zuletzt hatte der namhafte orthodoxe Rabbiner Benny Lau erklärt, dass das jüdische Gesetz gleichgeschlechtlichen Paaren nicht verbietet, Familien zu gründen und gemeinsame Kinder zu haben (MANNSCHAFT berichtete).
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