Ehe für alle: So geht es jetzt weiter

Die Vorlage ist noch nicht in trockenen Tüchern

(Symbolbild: iStockphoto; Schrift eingefügt von MANNSCHAFT)
(Symbolbild: iStockphoto; Schrift eingefügt von MANNSCHAFT)

Das Schweizer Parlament hat letzte Woche der Ehe für alle endgültig zugestimmt. Das heisst, jetzt darf geheiratet werden? Nein, noch nicht. Auch wenn kein Referendum zustande kommen sollte, wird die Vorlage wohl erst 2022 umgesetzt. Im letzten Kampf um die Eheöffnung in der Schweiz stehen sich nun zwei Organisationen gegenüber: die EDU und Pink Cross.

Nach der finalen Abstimmung im Stände- und Nationalrat (MANNSCHAFT berichtete), hörten wohl schon manche Paare innerlich die Hochzeitsglocken läuten. Doch die Schweizer Community muss nun weiterhin das machen, worin sie langsam Übung hat: warten. Denn trotz der deutlichen Zustimmung im Parlament dürfen gleichgeschlechtliche Paare wohl nicht vor dem übernächsten Jahr heiraten, wie das Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD auf Anfrage von MANNSCHAFT mitteilt.

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100 Tage Zeit «Über das Inkrafttreten entscheidet der Bundesrat. Diesem Entscheid kann nicht vorgegriffen werden», sagt die Informationschefin des EJPD, Ingrid Ryser. «Ich kann Ihnen aber folgende Auskunft geben: Sofern kein Referendum zustande kommt, beabsichtigt das EJPD, dem Bundesrat im zweiten Quartal 2021 zu beantragen, die Gesamtvorlage auf den 1. Januar 2022 in Kraft zu setzen.»

Damit ist auch schon das Stichwort gefallen: «Referendum». Wenn 50’000 Menschen innerhalb von 100 Tagen gegen die Ehe für alle unterschreiben, können sie so eine Volksabstimmung erzwingen. Weil für die Eheöffnung keine Verfassungsänderung nötig ist, handelt es sich um ein fakultatives Referendum. Bei der Abstimmung genügt der Vorlage dann ein Volksmehr. Damit stehen die Chancen für die Befürworter*innen besser, da es tendenziell «linke» Anliegen beim Ständemehr in der Regel schwerer haben.

Warnung vor Halbwahrheiten Das Referendum wird auch als «Bremse in der Hand des Volkes» bezeichnet – und diese Bremse will jetzt die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) aktivieren. 50’000 Unterschriften in 100 Tagen sind heute nicht mehr eine so grosse Herausforderung wie in früheren Zeiten.

«Wir müssen damit rechnen, dass sie die Unterschriften zusammenkriegen und bereiten deshalb den Abstimmungskampf schon vor», sagt Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross. Und er warnt: «Wie wir vor zwei Jahren bei der Erweiterung der Anti-Rassismusstrafnorm gelernt haben, schrecken sie auch nicht davor zurück, mit Halbwahrheiten Unterschriften zu sammeln!»

Die christlich-nationalkonservative Partei hatte das Referendum schon lange im Voraus angekündigt und gibt sich selbstbewusst. «Wir engagieren uns in einem überparteilichen Referendumskomitee, dem sich erfreulicherweise zahlreiche Parlamentarier*innen angeschlossen haben», sagt Harold Salzmann, Leiter des Zentralsekretariats der EDU Schweiz.

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Hohe Zustimmung in Umfragen Eine von Pink Cross in Auftrag gegebene Umfrage von gfs-zürich zeigt, dass die Schweizer Bevölkerung der Eheöffnung deutlich zustimmt.  82% der Schweizer*innen sagen demnach «Ja» oder «Eher ja» zur Ehe für alle (MANNSCHAFT berichtete).

Ist mit solchen Umfragewerten ein Volksmehr realistisch oder geht es den Gegner*innen einfach darum, die Eheöffnung so lange wie möglich hinauszuzögern? Diese Frage mag Salzmann gar nicht und er bezeichnet sie als «Suggestivfrage», die «einiges über die Haltung des Fragenden» aussage. «Wir orientieren uns nicht an Umfragen, sondern am tatsächlichen Volkswillen, der sich durch eine Volksabstimmung äussern wird.» Auf den Aspekt der Verzögerung geht Salzmann nicht weiter ein.

Trotz deutlichen Umfragewerten warnt Pink Cross: «Ein Spaziergang wird es nicht!» Heggli ist zwar überzeugt, dass die Bevölkerung «Ja» sagen wird, doch er will nicht einfach einen Sieg – er will einen klaren Sieg. «Nur ein sehr starkes Signal zeigt dem Parlament, dass die Bevölkerung endlich die tatsächliche Gleichstellung von queeren Personen will.» Denn man sei noch nicht am Ziel: «Auch mit der Ehe für alle werden leider nicht alle Regenbogenfamilien optimal abgesichert sein. Diese Punkte gehen wir in einem zweiten Schritt an – mit der breiten Unterstützung der Bevölkerung geht das einfacher», so Roman Heggli weiter.

Bereit für Abstimmungskampf Kann es vielleicht die Pandemie den Gegner*innen beim Unterschriftensammeln schwer machen? Laut EJPD hat das Coronavirus keinen Einfluss auf die Sammelfristen. Salzmann meint dazu: «Wie sich die Corona-Pandemie auf die Unterschriftensammlung auswirken wird, lässt sich zurzeit noch nicht genau abschätzen. Leichter wird es dadurch sicher nicht, weil die Möglichkeit, im Rahmen von Veranstaltungen zu sammeln, weitgehend wegfällt.»

Bleibt die Frage, ob Pink Cross für einen Abstimmungskampf personell und finanziell vorbereitet ist. «Ja, wir sind momentan gut aufgestellt», sagt Heggli. Doch für eine Kampagne reiche es noch nicht. «Eine Kampagne ist leider unglaublich teuer und aufwendig. Deshalb sind wir auf jeden Spendenfranken angewiesen.»

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