Diversity im Film: Alle sollen alle spielen!

Ein Kommentar über den «Irrweg der aktuellen Identitätspolitik»

Maren Kroymann beim«Deutschen Comedypreis» (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
Maren Kroymann beim«Deutschen Comedypreis» (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Schwule sollen Schwule spielen, Lesben Lesben – und so weiter? Das findet der Autor dieses Kommentars* nicht und erklärt auch warum.

Der Streit um Repräsentation in Film, Funk und Fernsehen ist ja okay. Na klar sollen auch offen schwule oder lesbische Schauspieler und Schauspielerinnen nicht nur Rollen spielen, die schwul oder lesbisch angelegt sind – Maren Kroymann hat dies beispielhaft gelebt, etwa in der RTL-Serie «Mein Leben und ich» vor einigen Jahren, als sie eine sehr achtsame Mutter in einem aufgeklärten Familienhaushalt spielte, überzeugend und im übrigen sehr komisch, weil die Serie selbst ziemlich komisch war.

Andererseits muss natürlich auch immer klar sein, dass im Privatleben heterosexuell orientierte Schauspielerinnen Lesben spielen können – aber da hört für mancher aus unserer Szene der Spass schon auf. Sichtbarkeit!, nölen sie dann, auch Lesben müssen sichtbar sein, als Lesben. Nun, das ist im Schauspielgewerbe logisch nicht zu haben, denn sonst spielte am Ende jeder und jede nur noch sich selbst – weil nur man selbst verkörpert das, worauf es identitär wirklich ankommt.

So nervte aktuell auch ein Streit, von dem wir aus Grossbritannien erfahren haben. Dort nämlich meckerte die dort sehr bekannte Schauspielerin Maureen Lipman über die Besetzung der Rolle der legendären israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir – die Wahl fiel nämlich auf Helen Mirren. Und die hätte die Rolle nicht bekommen sollen, denn sie, die berühmte Oscar-Gewinnerin sei zwar israelfreundlich (als ob es in diesem Zusammenhang darauf ankäme), aber eben nicht jüdisch.

Lipman zog sich mit dieser Äusserung einigen Unmut zu, aber auch hier läuft die Chose wieder darauf hinaus: Spielen sollen die Rolle nur jene, die ihnen innerlich und repräsentativ nahe sind. Das ist natürlich ein Irrweg der aktuellen Identitätspolitik: Schauspielerei lebt davon, dass die Träger und Trägerinnen der Rollen diese, darauf kommt es an, Rollen spielen, nicht so tun, als lebten sie sie eins zu eins aus dem privatesten Inneren vor Kameras nach. Sie tun als ob – nicht mehr und nicht weniger. Sonst fände man übrigens, Gott sei Dank, niemanden mehr, der Mörder und Mörderinnen zur Darstellung bringt.

Es kommt also nur generell auf Repräsentation an: Noch ist es freilich so, dass männliche Schauspieler davor zurückscheuen, eine Rolle zu spielen, die auch Schwules vorsieht, nur unbedingt sexuell, aber als Teil einer Person eben. Die meisten Männer wollen nach wie vor aber nicht eine solche Rolle übernehmen – sie könnten im echten Leben, fürchten sie, für schwul gehalten werden, was die meisten, so der Stand der Dinge, nicht wollen.

Womöglich ist Repräsentation nicht das Problem allein. Vielmehr die Integration «schwuler‘ Inhalte in einen Film oder eine Serie, ohne diesen Aspekt zu exotisieren. Das hübscheste, weil gelungenste Beispiel hierfür ist die Sechs-Staffel-Serie «Downton Abbey» – 2015 beendet, 2019 mit einem über zweistündigen Spielfilm fortgesetzt, der zweite Film wird im März in den Kinos Premiere haben. Die fieseste Rolle ist in der Figur des Bediensteten Thomas angelegt, in allen 52 Teilen der Staffeln ist klar, dass er schwul ist, auserdem fies und intrigant, ausgesprochen sehr. Hin und wieder erschliesst sich, dass er seine chronische Boshaftigkeit auch aus seinem bis dahin nicht sehr glücklichen, weil von Homophobie heimgesuchten Leben zieht.

Auch andere Umstände des Schwulen kommen hier und da im Narrativ der global höchst erfolgreichen Serie zum Ausdruck, aber weil die Serie im frühen 20. Jahrhundert spielt, bleibt alles diskret – und wird deutlich zugleich. Was ich sagen will: Es kommt nicht auf Repräsentation der Akteure und Akteurinnen, sondern auf die Genauigkeit der Schilderung der Geschichten. Und «schwul» als Wort gab es öffentlich nur als Denunziationsvokabel.

Zum Thema: Russell T. Davies besetzte schwule Rollen mit Schwulen – in «It’s a Sin»

Und doch ist «Downton Abbey» die queerfreundlichste Serie, die sich nur denken lässt: Thomas wird ganz am Ende sogar noch rehabilitiert, moralisch integriert. Das ist sehr anrührend, und das funktioniert nur, weil ich immer noch nicht weiss, ob Thomas, der (verhinderte) Butler von einem Schwulen gespielt wird. Ich weigerte mich, das im Netz nachzugoogeln.

Die Pointe ist: Nicht auf unsere Rollen kommt es an, die besetzen Regisseure und Regisseurinnen und ihre Finanziers. Alle sollen alle spielen. Die sozialen Umstände zu schildern, eben das Queere nicht auszusparen, das ist die Pointe, auf die es ankommt – nur auf sie.

Immer, wenn ein Hetero auf der Leinwand einen Homosexuellen verkörpert, taucht hier neuerdings die Frage auf: Darf er das? Viggo Mortensen meint: ja (MANNSCHAFT berichtete) 

*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar oder eine Glosse zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

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