Freie Wähler: Dragqueen-Lesung in München stoppen!

Auch die CSU lehnt das Event ab

Symbolbild: Quino al Reij /Unsplash
Symbolbild: Quino al Reij /Unsplash

Nach Kritik an Dragqueen-Lesung in München: Die Grünen fordern die CSU auf, für Vielfalt und ein buntes München einzustehen, statt dem Druck rechtspopulistischer und rechtsextremer Stimmen nachzugeben.

Bei der geplanten Veranstaltung «Wir lesen euch die Welt, wie sie euch gefällt» von Vicky Voyage und Eric BigClit am 13. Juni in einer Münchner Stadtbibliothek lesen Drag-Künstler*innen und die trans Jungautorin Julana Gleisenberg aus altersgemässen Büchern vor. Für die Grünen: echte Vielfalts- und Akzeptanzförderung. Das sehen nicht alle so.

«Das ist Kindswohlgefährdung und ein Fall fürs Jugendamt, keine Weltoffenheit wie es die Grünen verharmlosen», schimpft Bayerns Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in Bild und fordert den Stopp der Veranstaltung. Das erinnert stark an das Verhalten der FPÖ in Wien (MANNSCHAFT berichtete).

Die Stadtbibliothek äusserte sich gegenüber der Abendzeitung: «Wir bedauern, dass die Künstler*innen-Namen der Beteiligten den Anschein erwecken, als würde ein Travestieprogramm für Erwachsene dargeboten. Dies war nie geplant.» Und Stadtrat Thomas Niederbühl von der Rosa Liste stellt klar: «Diese ganze Aufregung entspricht der Realität überhaupt nicht. Es geht überhaupt nicht um Sexualität». Von Frühsexualisierung sei nur deshalb die Rede, weil es um Transsexualität gehe. «Es ist eine rechte Strategie, das bei Transsexuellen immer gleich zu entdecken.»

Für Aufregung bei Twitter sorgte u.a. der Künstlername BigClit, übersetzt: Grosse Klitoris. Das Nachrichtenportal T-online fragte bei der Dragqueen nach: Wie sehr sexuell aufgeladen werde die Lesung im Juni? Antwort: «Es gibt selbstverständlich keine sexualisierten Inhalte bei so einem Zielpublikum.»

CSU-Generalsekretär Martin Huber erklärte via Twitter: «Lasst Kinder einfach Kinder sein. Vierjährige sollten mit Bauklötzen oder Knete spielen und nicht mit woker Frühsexualisierung indoktriniert werden.»

Der CSU-Stadtrat Hans Theiss schrieb ebenfalls bei Twitter: «Sexualkunde durch Drag Queens für 4-jährige Kinder – ist das wirklich Euer Ernst?», so Theiss.

Joel Keilhauer, Vorsitzender der Münchner Grünen dazu: «Die Äusserungen von CSU und AfD zur geplanten Lesung lassen tief blicken. Das Mantra ‹Leben und leben lassen› gilt für die CSU scheinbar nur, soweit es in ihr Raster aus Weissbier und Trachtenjanker passt. Für uns Grüne ist klar: München ist bunt. Und dazu gehören auch Diversität und gelebte Vielfalt, was scheinbar in das verstaubte Gesellschaftsbild nicht passt. Die CSU sollte den Christopher-Street-Day dieses Jahr tunlichst meiden. Wer den politischen Stadtkonsens aufgibt, nur weil er im Wahlkampf mit weit rechten und ewiggestrigen Themen punkten will, sollte sich im stillen Kämmerlein schämen und nicht auf der Pride-Parade mitlaufen und sich als weltoffen feiern.»

Auch von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kamen kritische Töne an der Veranstaltung. «Ich habe für diese Art Programm kein Verständnis und glaube nicht, dass das für Vierjährige geeignet ist. Ich würde mit meinen Enkeln nicht hingehen», sagte er gegenüber Bild.

Indem die CSU AfD-Parolen wie Frühsexualisierung übernimmt, macht sie solche rechtsextreme Hetze salonfähig.

«Auch Herr Reiter sollte sich als Chef der Münchner Stadtverwaltung hinter seine Stadtbibliothek stellen», ergänzt Svenja Jarchow, Vorsitzende der Münchner Grünen. «Dieses Projekt ist gelebte Diversität. Aber wenn es darum geht, sich tatsächlich mal für diese Vielfalt und das bunte München zu positionieren, dann scheint zurückrudern leichter zu sein, als dafür einzustehen. Vielfalt leben heisst auch Rückgrat zeigen. Genau das fordern wir von den demokratischen Fraktionen im Münchner Rathaus und dem Oberbürgermeister. Konservative und Rechte greifen zunehmend trans Menschen und Drag-Künstler*innen an und stilisieren sie zum Feindbild einer offenen und toleranten Gesellschaft. Indem die CSU AfD-Parolen wie ‹Frühsexualisierung› übernimmt, macht sie solche rechtsextreme Hetze salonfähig.»

Arne Brach, stellvertretender Vorsitzender und queerpolitischer Sprecher der Münchner Grünen: «Kindern zu zeigen, wie bunt und vielfältig die Welt ist und dass jedes Kind so sein darf, wie es der individuellen Persönlichkeit entspricht, ist wichtig. Das zu skandalisieren und in einen schlicht nicht existenten sexuellen Kontext zu stellen, ist perfide und niveaulos. Wir brauchen keine Hass-Debatten wie in Florida und Österreich, wo Drags kriminalisiert werden, und auch keine Zustände wie in Ungarn oder Polen, wo auf dem Rücken der LGBTIQ-Community Wahlkampf betrieben wird. Gerade hat München eine Kampagne gegen Hate Crime gestartet. Durch dieses Verhalten fällt die CSU auch der Polizei in den Rücken, die die Kampagne ausdrücklich unterstützt.»

Die SPDqueer Bayern erklärte sich solidarisch mit den Organisator*innen der Drag-Lesung: «Wir sind sehr dankbar für ihre Bemühungen in ihrem Programm auch Diversität einen Raum zu geben. Wir empfehlen allen Kritiker*innen, die Veranstaltung zu besuchen, um die eigenen Vorurteile zu reflektieren und zu überwinden!», heisst es in einer Pressemitteilung am Samstag. (mit dpa)

Schwule Liebe in den 50er Jahren: «Ein verregneter Sommer». Marcello Liscia legt seinen Debütroman vor (MANNSCHAFT berichtete).

Das könnte dich auch interessieren