Mehr Freiheiten bei Adoption und Sorgerecht geplant
Der Queer-Beauftragte bezeichnet die geplanten Anpassungen als «überfällig»
Das geltende Familienrecht hinke der Realität hinterher, sagt Bundesjustizminister Marco Buschmann bei der Vorstellung der Reform des Abstammungs- und Kindschaftsrechts.
Für nicht-verheiratete Väter und homosexuelle Paare mit Kindern plant die deutsche Bundesregierung rechtliche Erleichterungen. Neu eingeführt werden soll unter anderem auch ein eigenes Recht des Kindes auf Umgang mit Grosseltern und Geschwistern sowie ein eigenes Umgangsrecht des Kindes mit anderen Bezugspersonen.
«Viele Kinder wachsen heute in Trennungsfamilien auf, in Patchwork- und Regenbogenfamilien oder bei nicht miteinander verheirateten Eltern», sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), der am Dienstag Eckpunkte für die geplante Reform des Abstammungs- und Kindschaftsrechts vorlegte. Das geltende Familienrecht hinke hier hinterher.
Demnach soll der Vater bei einem gemeinsamen Wohnsitz einfacher das gemeinsame Sorgerecht erlangen können. Wenn die Mutter nicht widerspricht, soll dafür eine einseitige, beurkundete Erklärung ausreichen. Das Gleiche soll bei lesbischen Paaren für eine weitere Mutter gelten.
Wenn sich ein lesbisches Paar und ein schwules Paar verabreden, ein Kind zu zeugen, soll es möglich werden, bereits vor der Zeugung eine rechtssichere sogenannte Elternschaftsvereinbarung zu treffen. Der Grundsatz, das jeder Mensch zwei Elternteile hat, soll aber nicht angetastet werden. Erleichtert werden soll auch die Übertragung eines «Kleinen Sorgerechts» an Grosseltern, enge Freund*innen, Nachbar*innen oder neue Partner*innen, damit diese stellvertretend für die Eltern einfache Angelegenheiten regeln können, etwa das Kind in der Kita abholen.
Auch im Adoptionsrecht soll sich nach den Vorstellungen des Justizministeriums etwas ändern: Die Ehe soll für die gemeinsame Adoption minderjähriger Kinder künftig keine Voraussetzung mehr sein. Erlaubt sein soll ausserdem die Adoption eines Kindes durch einen einzelnen Ehegatten.
Buschmann hatte sich 2022 auch für eine rechtliche Stärkung von Regenbogenfamilien in der EU ausgesprochen (MANNSCHAFT berichtete).
Warten auf «dringende» Reform Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), hat angemahnt, dass bei den geplanten Erleichterungen bei Adoption und Sorgerecht zügig Gesetzentwürfe vorgelegt werden müssen. «Viele Familien warten dringend auf diese Reform», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Sie sei längst überfällig. «Familie ist da, wo Kinder sind, und wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Das tun sie in sehr vielfältigen Konstellationen, etwa in Patchworkfamilien oder Regenbogenfamilien.» Allerdings werde diese Vielfalt im deutschen Familienrecht bisher nicht ausreichend abgebildet.
Die aktuellen Regelungen würden beispielsweise lesbische Mütter und ihre Kinder diskriminieren. «Wenn ein Kind in eine Ehe mit zwei Frauen hineingeboren wird, hat es laut Gesetz nur einen sorgeberechtigten Elternteil», sagte Lehmann. «Der andere Elternteil, die Co-Mutter, muss adoptieren. Das ist langwierig, belastend und schadet dem Kindeswohl.»
Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) erklärte, die Abschaffung der institutionellen Diskriminierung von queeren Eltern sei längst überfällig. Man begrüsse die Eckpunkte und freue sich insbesondere für alle lesbischen Paare, die künftig einfacher gemeinsame Mütter ihrer Kinder werden können.
Trans Männern, die gebären, müssen es ermöglicht bekommen, als rechtliche Väter anerkannt zu werden, und trans Frauen, die ein Kind gezeugt haben, als Mütter ihrer Kinder
Besonders enttäuschend ist jedoch, dass statt wie angekündigt auf den ersten Blick keinerlei Regelungen für tin (trans, inter und nicht-binäre) Personen enthalten seien. Die Dgti fordert die Möglichkeit, dass die Benennung der Elternschaft nicht mehr an biologische Gegebenheiten geknüpft sei und die Anerkennung von Eltern in ihren richtigen Geschlechtern möglich sein muss. «Trans Männern, die gebären, müssen es ermöglicht bekommen, als rechtliche Väter anerkannt zu werden, trans Frauen, die ein Kind gezeugt haben, als Mütter ihrer Kinder.» Und nicht-binäre Personen müssten eine neutrale Bezeichnung als Elternteil ermöglicht bekommen.
In Österreich beschloss der Nationalrat im Dezember, die Ungleichbehandlungen in der Elternschaft zu beseitigen und Kinder von queeren Eltern gleichzustellen (MANNSCHAFT berichtete).
Mehr: Bushaltestelle, Becher, Baby – Wie eine Regenbogenfamilie entsteht. Franziska und Jakob über ihr gemeinsames Leben als Eltern (MANNSCHAFT+)
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