Nach Vandalismus: Zwei Anzeigen und viel neue Motivation

Es gibt noch viel zu tun in der Ostschweiz

Eine der zerstörten Fahnen an der Bahnhofstrasse in Buchs. (Bild: Kantonspolizei St. Gallen)
Eine der zerstörten Fahnen an der Bahnhofstrasse in Buchs. (Bild: Kantonspolizei St. Gallen)

Am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT) wurden in Buchs SG über 100 Regenbogenfahnen zerstört. Seither ist in der Ostschweiz einiges geschehen. Aufgeben kommt nicht in Frage – im Gegenteil.

Es war ein grosser Schock für die queeren Vereine aus St. Gallen, Graubünden und Liechtenstein. Als sie am Morgen des IDAHOBIT nach Buchs SG kamen, lagen die über 100 Regenbogenfahnen, die sie am Abend zuvor aufgehängt haben, heruntergerissen und zerstört am Boden. «Damit hatten wir nicht gerechnet», erklärte Björn Niggemann, Vorstand der Ostschweizer Organisation sozialwerk.LGBT+, an jenem Montag (MANNSCHAFT berichtete).

Medien aus der ganzen Schweiz berichteten über den Vorfall, sogar im Ausland war von der queerfeindlichen Nacht- und Nebelaktion zu lesen. Die Enttäuschung bei den Vereinsmitgliedern war riesig, schliesslich wollten sie an jenem Tag mit der farbenfrohen Aktion, Herzaufklebern und bunten Masken auf ihr Anliegen aufmerksam machen.

Polizei half, neue Fahne anzubringen Die Stadt Buchs reagierte sofort. Zwei Mitarbeiterinnen der Behörden halfen mit, neue Plakate an den Bäumen zu befestigen, und der Stadtpräsident Daniel Gut sprach gegenüber den Medien von einer «feigen Aktion», die Menschen nicht verdient hätten, die sich für ihre Mitmenschen engagieren. Die Vereine liessen zudem die Polizei kommen und erstatteten Anzeige. So waren es auch zwei Polizist*innen, die halfen, die erste neue Fahne anzubringen.

«Leider konnten die Täter*innen bisher noch nicht gefunden werden. Die Kameras in der Nähe haben noch keine verwertbaren Videos geliefert», berichtet Björn Niggemann. Während der Verteilaktion am Stand des Vereins sozialwerk.lgbt+ in Buchs kam es zu einem weiteren Vorfall. Ein Angehöriger einer Freikirche sei stehen geblieben und habe sie wüst beschimpft und das vor laufenden Kameras des Teams von Blick TV. «Er hat uns gesagt, dass wir alle im Höllenfeuer brennen müssen und wir hätten abgetrieben werden sollen», erzählt Björn. Gegen den Mann hat der Verein nun ebenfalls Strafanzeige wegen «hate crime» erstattet. Die Aufnahmen der Journalist*innen sollen dabei helfen, ihn ausfindig zu machen.

Am Wochenende hat sich eine Person beim sozialwerk.LGBT+ gemeldet und berichtet, dass ein Werkmitarbeitender der Stadt Buchs die mutwillige Beschädigung der Fahnen heruntergespielt habe. Er sei der Meinung gewesen, dass es wohl Wind und Regen gewesen seien, die die Plakate runtergerissen haben. «Das ist doch lächerlich. Wir haben auch in Schaan (Liechtenstein), St. Gallen und Chur wetterbeständige Fahnenposter aufgehängt und an keinem der anderen Orte ist ein einziges Poster kaputt gegangen. Das Wetter kann also schlichtweg nicht der Grund sein, schliesslich war es überall nass und windig», erklärt Björn.

In diesem Zusammenhang erscheine auch die Aussage des Stadtpräsidenten gegenüber Radio FM1 «Zweitens ist es eine feige Aktion, wenn sie abgerissen worden sind» in einem anderen Licht, meint Björn. Nächste Woche trefft sich der Verein mit Daniel Gut und Stadtschreiber Remo Märk zu einem Gespräch, um die Situation und zukünftige Massnahmen für die queere Community in der Region Werdenberg miteinander zu klären.

Immer wieder ziehen Menschen weg, um ohne Anfeindungen als queere Personen leben zu können

Für das sozialwerk.LGBT+ aus Chur, FLay aus Liechtenstein und Otherside aus St. Gallen ist deutlich geworden, dass noch einiges geschehen muss, bis die Community in der Ostschweiz besser akzeptiert wird. «An den Aktionsständen sind immer wieder Menschen vorbeigekommen, die uns gesagt haben, dass sie weggezogen sind, um ohne Anfeindungen als queere Personen leben zu können», erzählt Björn traurig. Auch Schüler*innen haben sich bei den Vereinen gemeldet und erzählen von Ausgrenzung und Mobbing an den Schulen gegenüber Kindern, die nicht den Heteronormen zu entsprechen scheinen.

Die Vereine möchten nun auch in dieser Region viel Engagement in die Jugendarbeit und Aufklärung stecken. Dafür wollen sie Kantone und Gemeinden bitten, ihnen mit finanziellen Mitteln und Unterstützung zu helfen. Bisher haben sich die Organisationen vor allem aus privaten Spenden finanziert.

Eines ist sicher: Das mögliche Ziel der Täter*innen, die queeren Ostschweizer*innen zu demoralisieren ist nicht aufgegangen – im Gegenteil, es folgt ein grosser Motivationsschub. Weitere Aktionen wird es geben und in Buchs SG soll ein Ort für jugendliche Queers entstehen, ähnlich wie in Chur (MANNSCHAFT berichtete). Auch Michael aus der SRF-Sendung «Schlussendlich Schwul» wird sich weiterhin engagieren (MANNSCHAFT+ berichtete).

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