«Ich war immer die kleine schwarze Schwuchtel»

Billy Porter über den Weg zu seinem Erfolg und seine extravagante Kleiderwahl

Im Film «Lady Business» spielt Porter einen Angestellten. (Bild: Paramount Pictures)
Im Film «Lady Business» spielt Porter einen Angestellten. (Bild: Paramount Pictures)

Billy Porter gibt sich so, wie er ist, und stellt damit ganz Hollywood auf den Kopf. Wir sprachen mit dem Schauspieler über seinen langen Weg zum Erfolg.

Billy, 2019 hast du die roten Teppiche dominiert, einen Emmy Award gewonnen und den 50. Geburtstag gefeiert. Klingt nach einem fantastischen Jahr! Das war es auch, das kannst du mir glauben! Plötzlich lebe ich all diese Träume, die mit einem Mal wahr geworden sind. Jetzt muss ich den Fokus aber auch darauf legen, auf dem Boden zu bleiben und dafür zu sorgen, dass sich in erster Linie alles um die Arbeit dreht. Schliesslich ist sie der Hauptgrund dafür, dass meine Träume überhaupt in Erfüllung gehen. Die Arbeit und meine Kunst standen für mich aber schon immer an erster Stelle. Daher freut es mich so sehr, dass die Menschen sie jetzt auch wahrnehmen.

Rassismus: «Der Platz neben mir bleibt bis zuletzt frei»

Hast du schon immer an diesen Erfolg geglaubt? Nicht unbedingt, vieles erschien mir unmöglich. Zumindest auf dem Papier. Ich war eigentlich immer die kleine schwarze Schwuchtel aus Pittsburgh, Pennsylvania. Die ersten 20 Jahre meiner Karriere habe ich versucht, möglichst männlich zu sein, um überhaupt Jobs zu bekommen. Jetzt werde ich plötzlich für meine Authentizität gefeiert werde und dafür, dass ich das Verständnis der Männlichkeit auf den Kopf stelle. Das ist ein echtes Geschenk und eine riesige Überraschung (lacht).

Warst du einmal kurz davor, alles aufzugeben? Selbstverständlich, immer wieder! Mein Weg war nie einfach, an jeder Ecke stiess ich auf Hindernisse. Aber ich bin eben auch der beste Beweis dafür, dass man irgendwann an seinem Ziel ankommt, wenn man beharrlich einen Fuss vor den anderen setzt.  So habe ich es zumindest gemacht.

Beharrlichkeit ist aber kein Garant für Erfolg. Was hat dich nicht aufgeben lassen? Der springende Punkt bei mir war eigentlich, dass ich nicht wirklich eine Alternative hatte. Ich wusste wirklich nicht, was ich sonst machen sollte. Also habe ich weitergemacht. Einer meiner Mentoren, der wunderbare Theatermacher George C. Wolfe, hat immer gesagt: «Du kannst nicht darauf warten, dass dir jemand die Erlaubnis gibt, deine Kunst auszuüben. Du musst es einfach machen, jeden Tag und überall.» Und das gilt ja eigentlich auch für alles andere im Leben. Darauf zu warten, dass jemand anderes einem etwas ermöglicht, ist Zeitverschwendung. Wir haben alle nur einen Versuch, unser Leben zu leben.

Das Leben ist in den seltensten Fällen leicht – vor allem wenn man schwarz und schwul ist

Immer wieder auf Ablehnung zu stossen, geht nicht spurlos an einem vorbei, sei es im Beruf oder in der Liebe! Da stimme ich absolut zu. Und ich habe ja auch nicht gesagt, dass ich nicht allerlei Blessuren davongetragen habe. Aber das Leben ist in den seltensten Fällen leicht, sondern immer ein Kampf – vor allem wenn man schwarz und schwul ist. Beruflich kommt bei mir aber natürlich noch dazu, dass ich mich nun einmal fürs Showgeschäft entschieden habe, wo ein teflonbeschichtetes Herz ohnehin zu den Grundvoraussetzungen gehört. Wer da nicht mit den täglichen Zurückweisungen zurechtkommt, ist ohnehin verloren.

Inzwischen kannst du auch mal Nein sagen, nicht wahr? Oh ja, das ist ein noch sehr ungewohntes Gefühl – aber toll! Für 2020 muss ich deswegen auch mehr denn je auf die richtige Balance achten. Und nicht aus lauter Begeisterung über neue Chancen alles annehmen und viel zu viel Kraft und Zeit auf die Arbeit zu verwenden, sondern auch genug Zeit für mich und meinen Mann zu haben.

«Die afroamerikanische Community ist ziemlich homophob»

Für einen neuen «Cinderella»-Film stehst du als gute Fee vor der Kamera. Eigentlich traurig, dass es so lange gedauert hat, bis wir so etwas erleben durften . . . Ach, ich konzentriere mich lieber auf eine positive Sicht auf die Dinge. Lieber ein «Endlich ist es soweit!» als ein «Warum erst jetzt?»! Als Schwarzer in den USA lernt man, geduldig zu sein. Für uns kommt Veränderung nie von heute auf morgen. Ich bin zum Glück gesegnet mit Geduld. Wenn ich mich auf das Positive konzentriere, gibt mir das die Energie, weiterzumachen.

Bist du gar nicht frustriert darüber, dass so vieles noch nicht erreicht ist, weder in Sachen Rassismus noch Homophobie? Ist da noch Luft nach oben? Selbstverständlich. Gleichzeitig kann ich mich aber auch freuen, wie viel wir erreicht haben, vor allem in letzter Zeit. Ich hätte geschworen, dass ich es nicht mehr erleben würde, dass ein offen schwuler Schwarzer als bester Hauptdarsteller in einer Dramaserie bei den Emmys ausgezeichnet wird. Und nun bin ich selbst das! Das ist doch nicht nichts. Im Gegenteil: Es ist bedeutsam und ändert gerade alles. Dabei ist es unwichtig, dass es nicht schon früher passiert ist.

Besser spät als nie – auch als Motto für deine Karriere? Meinetwegen. Wobei es gar nicht so spät ist. Alles, was in meinem Leben gerade passiert, kommt zum richtigen Zeitpunkt. Früher wäre ich vermutlich nicht bereit gewesen – die anderen offensichtlich auch nicht.

Ohne jetzt oberflächlich zu werden, müssen wir noch über deine grandiosen Outfits sprechen . . . Sehr gerne! Ich bin ja schon Modefan, seit ich denken kann, und war schon immer gerne flamboyant. Ich liebe verrückte Mode, schlicht ist nicht so mein Ding. Das war schon immer so, und du kannst mir glauben, dass ich dafür schon oft ausgelacht und beschimpft wurde.

«Keine Schwarzen. Keine Tunten … » – Diskriminierung oder blosser Sexpragmatismus?

Wann hast du entdeckt, dass das dein Ding ist? Noch nicht einmal als ich in «Kinky Boots» am Broadway auf der Bühne stand, obwohl ich da immerhin eine Dragqueen spielte. Diese fantastische Energie, die ich in dieser Rolle spürte, auch in mein eigenes Leben zu holen, kam mir irgendwie nicht in den Sinn. Erst als ich im Anschluss an das Musical auf eine Konzerttour ging, traf es mich aus heiterem Himmel wie der Blitz. Ich suchte nach einem neuen Outfit und stiess auf den Designer Rick Owens. In seinem Laden empfahl mir jemand ein Unisexkleid, und als ich das anprobierte, fühlte ich mich einfach toll. Wie Rock’n’Roll, wie David Bowie oder so. Von dem Moment an war das mein Ding. Das kann man sehr gut auf dem Instagram-Profil von Billy Porter sehen:

Letztes Jahr jagte ein unvergessliches Outfit das nächste, vom pinken Cape bei den Golden Globes über das schwarze Samtkleid bei den Oscars bis hin zum ägyptischen Gottheitenlook bei der Met Gala. Wie hast du die Reaktionen darauf erlebt? Das war wie eine Befreiung, vor allem das Kleid bei den Oscars. Plötzlich war ich Fesseln los, von denen ich gar nicht gewusst hatte, dass ich sie trug. Denn in unserer Kultur dreht sich nun einmal alles um ein sehr althergebrachtes Konzept von Männlichkeit, in das ich nicht hineinpasse – das wusste ich bereits mit sechs oder sieben Jahren. Mein Leben lang habe ich damit gerungen, nicht männlich genug zu sein. Habe quasi mein eigenes Ich bekämpft, um von der Gesellschaft akzeptiert zu werden. In einem Kleid zur Oscar-Verleihung zu gehen, war dann endgültig der Moment, wo ich all das hinter mir lassen konnte.

Wo ich merkte, dass es mir egal ist, wenn das jemand nicht männlich findet. Seither fühle ich mich befreit von solchen Zwängen. Ich selbst weiss, dass ich ein Mann bin, gerade auch, weil ich diese Dualität in mir trage. Wenn jemandem meine Version von Männlichkeit nicht gefällt, ist das sein Problem, nicht mehr meines.

Ein solcher Auftritt auf dem roten Teppich kann ein einschneidender kultureller Moment sein, eine Serie wie «Pose» natürlich erst recht. Wie nachhaltig ist die Veränderung, die wir mit Rollen für queere und nichtweisse Schauspieler*innen gerade erleben? Es fühlt sich schon so an, als würde sich gerade grundlegend etwas ändern. Der gesellschaftliche Diskurs diesbezüglich hat sich verschoben. Aber machen wir uns nichts vor: Die treibende Kraft dahinter ist Geld, wie immer. Wir haben gemeinsam dafür gesorgt, dass unsere Geschichten endlich erzählt werden – und Geld einbringen. Wenn uns das auch weiter gelingt, schwingt das Pendel auch nicht wieder zurück. Allerdings muss ich gleich noch etwas einwenden.

Nämlich? Dass es einen grossen Unterschied macht, ob man schwarz und hetero oder schwarz und schwul ist. Schwarz und hetero, das ist eine Geschichte, die schon seit einer ganzen Weile erzählt wird. Da hat sich in den letzten Jahrzehnten vieles getan, nicht zuletzt im kulturellen Bereich – auch wenn es nach wie vor viel Rassismus und Diskriminierung gibt. Die afroamerikanische Community ist im Grossen und Ganzen ziemlich homophob, deswegen ist es etwas vollkommen anderes, schwarz und schwul zu sein. Meine Ausgangslage ist nicht die gleiche wie die von Jay-Z oder Beyoncé. Wir sind unsichtbar, deswegen ist unser Kampf um Anerkennung ein ganz anderer. Es wird also höchste Zeit, dass sich die afroamerikanische Community endlich mit uns schwarzen Schwulen auseinandersetzt!

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