Bestsellerautorin, Demokratin, Pferdenärrin: Juli Zeh wird 50

«Ich wollte unbedingt auch das literarische Leben haben»

Bestseller-Autorin Juli Zeh nimmt im September 2023 an einer Gesprächsrunde des Stern-Magazins teil (Bild: Kay Nietfeld/dpa)
Bestseller-Autorin Juli Zeh nimmt im September 2023 an einer Gesprächsrunde des Stern-Magazins teil (Bild: Kay Nietfeld/dpa)

Selbst wer keine Romane liest, könnte Juli Zeh kennen. Sie sitzt in Talkshows, wenn es um Streitfragen der Politik geht. Und kämpft für Teile des Landes, die ihrer Meinung nach kaum gehört werden.

Von: Andreas Rabenstein, dpa

Erfolgreich ist sie direkt auf zwei Gebieten, als Juristin und mehr noch als Schriftstellerin mit hohen Auflagen. Gehört wird Juli Zeh aber auch in politischen Debatten: bei den Kontroversen zwischen Stadt- und Landbewohner*innen, zwischen Ost und West, beim Streit um Gendersprache, Waffenlieferungen, AfD und die Demokratie.

Sie meldet sich gerne zu Wort in Interviews, Talkshows und Diskussionen mit Politiker*innen. Zum Teil mit umstrittenen Äusserungen, aber zumeist sachlich und differenziert, was man nicht von allen Teilnehmenden der oft polemischen Auseinandersetzungen behaupten kann. Am 30. Juni wird Juli Zeh, die eigentlich mit Vornamen Julia heisst, 50 Jahre alt.

1974 wurde Zeh in Bonn geboren, sie studierte Jura unter anderem in Leipzig und Krakau, war beim ersten Staatsexamen 1998 Jahrgangsbeste in Sachsen und promovierte später in Saarbrücken über Völkerrecht. Inzwischen ist sie ehrenamtliche Verfassungsrichterin in Brandenburg. Parallel liess die Liebe zur Literatur sie nicht los. Sie machte ein Diplom am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und veröffentlichte 2001 ihren ersten Roman, «Adler und Engel», der als Liebesgeschichte und Drogenkrimi von der Kritik gelobt wurde.

Statt für die angebotene Stelle als Richterin entschied sich Zeh für das Schreiben. «Ich wollte unbedingt auch das literarische Leben haben», sagte sie in einem Interview des Spiegel, beides sei zeitlich nicht möglich gewesen. Es folgen Romane, Essays, Theaterstücke, Hörspiele, Kolumnen, Kinderbücher und Sachbücher, darunter auch eines über Pferde – eine weitere grosse Liebe im Leben von Zeh. Die Liste der Literaturpreise ist lang, die Gesamtauflage ihrer Bücher beträgt mehrere Millionen. Das Börsenblatt des Buchhandels schrieb 2023 von 1,7 Millionen verkauften Hardcover-Büchern in allein einem ihrer Verlage.

Der Roman «Unterleuten» von 2016 stand auf Platz zwei der meistverkauften Bücher des Jahres. Er spielt in einem Dorf in Brandenburg, wo alteingesessene Bewohner*innen und Zugezogene aus der Stadt im Streit um einen Windpark aneinandergeraten. Manche Kritiker*innen bemängelten Klischees und sprachliche Mängel. Zeh war 2007 nach Brandenburg gezogen, wo sie mit Mann und Kindern lebt. Eine Flucht aus der Grossstadt sei das gewesen, sagt sie.

Auch «Über Menschen» (2021) ist wieder zum Teil in Brandenburg angesiedelt, diesmal zur Zeit der Corona-Pandemie. Während die gesellschaftspolitischen Streitereien in früheren Romanen Teile der Handlungen waren, dreht sich im letzten Buch «Zwischen Welten» (2023), das sie mit dem Autor Simon Urban verfasste, alles um sie: Ein Mail- und Chatwechsel zwischen einer Frau auf dem Land und einem Journalisten in der Stadt, der sich manchmal sehr pädagogisch aufklärend liest.

2017 ist Zeh in die SPD eingetreten, ausdrücklich lobt sie seit 2022 die Zurückhaltung von Kanzler Olaf Scholz bei den Waffenlieferungen an die Ukraine. Politisch äussert sie sich immer wieder, «weil ich mich für den Diskurs zuständig fühle», wie sie dem Spiegel, sagte. Besonders wenn die öffentliche Debatte «nicht offen genug, vielstimmig, vielschichtig und nicht immer ehrlich genug» sei, schalte sie sich gerne ein. Zeh spricht von der «Überheblichkeit der Stadtbevölkerung» und zeigte erst kürzlich in Interviews auch Verständnis für die Proteste der Bauern.

Es sei ein grosser Fehler, etwa die Erfolge der AfD nur durch angeblich mangelnde Demokratiefähigkeit ganzer Landstriche erklären zu wollen. Das führe «selbstverständlich bei allen, die das hören, dazu, dass sie sich noch weiter zurückziehen». Die von vielen Menschen empfundene wachsende Kluft zwischen «denen da oben und uns hier unten» sei ein enormes Problem für die Demokratie. Ebenso dass viele Menschen das Gefühl hätten, sie könnten nicht immer sagen, was sie denken und ihre Meinungen äussern.

Eigentlich ist es sogar ganz einfach. Man kann selbst eine Meinung haben und sich trotzdem das anhören, was andere sagen

Entscheidend sei Toleranz, fordert Zeh immer wieder. «Eigentlich ist es sogar ganz einfach. Man kann selbst eine Meinung haben und sich trotzdem das anhören, was andere sagen. Gerne auch in den Widerspruch gehen. Und trotzdem ist es möglich, sich am nächsten Tag wiederzutreffen», sagte sie der Berliner Zeitung.

Auf dem Land lebt Zeh auch wegen ihrer Liebe zu Pferden, drei besitzt sie selber. Ausgebildete Pferdetrainerin ist sie auch, wie sie 2019 in ihrem Buch «Gebrauchsanweisung für Pferde» schrieb. Letztlich retteten die Pferde sie aus Schreibblockaden. «Inzwischen quäle ich mich nicht mehr am Computer. Ich gehe zum Pferd. Dann bin ich eben keine Schriftstellerin, sondern Pferdetante.»

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