«Queer und of Color zu sein, ist nicht immer einfach»

Banafshe Hourmazdi im Interview

Banafshe Hourmazdi (rechts)  (Bild: ZDF, Marcus Glahn)
Banafshe Hourmazdi (rechts) (Bild: ZDF, Marcus Glahn)

Vor zwei Jahren schlüpfte Banafshe Hourmazdi in die Hauptrolle der lesbischen Hanna, und prompt wurde «Loving Her» von der Kritik gefeiert. Dass eine Fortsetzung folgte, in Form sechs neuer Episoden in der ZDF-Mediathek, überraschte die Wahl-Berlinerin dennoch. Für unser Gespräch erwischten wir sie per Videotelefonat nach einem langen Drehtag in Polen.

Banafshe, die Kritik war von «Loving Her» auf Anhieb angetan. Wie reagierte die Community auf die erste Staffel? Tatsächlich gab es fast durchweg nur positives Feedback. Hier und dort hat jemand Sachen beanstandet, aber nur marginal. Besonders freute mich, als ich beim Dyke March in Berlin angesprochen wurde, ob ich die aus der Serie sei. Das war süss!

Gerade aus Community-Sicht ist die Serie etwas Besonders: Geschichten mit queeren Protagonist*innen muss man im deutschen Fernsehen bis heute mit der Lupe suchen . . . Auch unabhängig von Hannas Queerness ist «Loving Her» ziemlich einzigartig. Dass die Protagonistin einer öffentlich-rechtlichen Serie nicht weiss ist, scheint selbst 2023 alles andere als normal zu sein. Da fragt man sich schon, wie lange das noch so sein muss.

Dass Hanna eine lesbische Frau of Color ist, wird in der Serie nicht problematisiert. Ebenfalls keine Selbstverständlichkeit, nicht wahr? Ja, wobei das zwei Seiten hat. Einerseits ist es toll, dass ausgerechnet diese beiden Aspekte der Figur mit Selbstverständlichkeit präsentiert werden. Andererseits kann man genau das kritisieren, was Bekannte von mir schon getan haben. Denn in der Realität ist es eben nicht immer einfach und unproblematisch, queer und of Color zu sein.

Sich nur darum kümmern zu können, wen man als nächstes datet, wäre für die meisten Menschen wie Hanna ein Luxusproblem; da gibt es im Alltag Dringlicheres. Doch Geschichten, die von diesen anderen Problemen handeln, gibt es genug. Und ich mag dieses Weichzeichnen, das man unserer Serie unterstellen kann, weil es einen anderen Ort für Identifikation darstellen kann.

Nachdem sich die erste Staffel als kleiner Überraschungserfolg entpuppte, wusstest du gleich, dass es eine zweite geben wird? Um ehrlich zu sein, überraschte es mich, als ich erfuhr, dass es doch eine zweite Staffel geben wird. Denn ich hörte dazu lange nichts. Aber natürlich habe ich mich gefreut. Und ich war gespannt, weil ich gehört hatte, dass sich in der niederländischen Originalserie «Anne+», die ich bis heute leider nicht gesehen habe, die zweite Staffel mit der Positionierung der Protagonistin als weisse Frau beschäftigte. Was eines der wenigen Dinge ist, die ich als Schauspielerin nicht verkörpern kann.

Eine fantastische Serienheldin ist die von dir verkörperte Hanna trotzdem nach wie vor. Nicht zuletzt, weil sie herrlich unperfekt ist… Das ist in meinen Augen die grosse Qualität der zweiten Staffel. Fast noch mehr als in der ersten macht Hanna richtig viel falsch, einen Fehler nach dem nächsten. Zwischendurch denkt man wirklich: Wow, die ist echt ein Arsch. Genau das finde ich gut und wichtig. Denn es gibt im Moment die Tendenz, gewisse Gruppen von Menschen, die unterrepräsentiert sind, möglichst perfekt und moralisch immer auf der richtigen Seite zu zeigen. Dass das bei Hanna als lesbischer Frau of Color nicht so ist, mag ich sehr. Sie ist eher wie ein narzisstischer kleiner Welpe.

Banafshe Hourmazdi
Banafshe Hourmazdi

Banafshe Hourmazdi

… kam 1990 im Ruhrgebiet zur Welt. Nach ihrem Schauspielstudium in Ludwigsburg und Zürich stand sie mehrere Jahre auf Theaterbühnen, bevor ihr mit dem Kinofilm «Futur Drei» der Durchbruch gelang. Das Regiedebüt von Faraz Shariat brachte ihr nicht nur den First Steps Award ein, sondern auch neue Rollen, etwa in Fernsehfilmen wie «Immer der Nase nach», Serien wie «Blackout» oder dem Münsteraner «Tatort».

2021 war die Wahl-Berlinerin erstmals in der Hauptrolle der Serie «Loving Her» zu sehen und spielt die Rolle der lesbischen Hanna auch in den sechs neuen Episoden, die aktuell in der ZDF Mediathek abrufbar sind. Ab dem 19. Oktober kann man sie in der Komödie «Ein Fest fürs Leben» an der Seite von Christoph Maria Herbst wieder auf der Kinoleinwand sehen.

Entschieden ist sicherlich noch nichts, aber hättest du Lust auf eine dritte Staffel von «Loving Her»? Oder hast du dich von Hanna innerlich schon verabschiedet? Ich kann nicht gut loslassen, deswegen habe ich mich noch nicht von ihr verabschiedet. Prinzipiell hätte ich Lust darauf, eine dritte Staffel zu machen. Das wäre eine Chance, weitere Themen zu beleuchten, die jetzt schon in der neuen Staffel angerissen werden, etwa der Alltag älterer Queers oder die Realität innerhalb einer Chosen Family. Ich glaube, man könnte Hannas Geschichte gut als Sprungbrett nutzen, um noch andere Aspekte queeren (Zusammen-)Lebens zu beleuchten.

In einer der neuen Folgen sagt Hanna, ihr Motto sei, nie mit Arschlöchern zusammenzuarbeiten. Wie leicht lässt sich das als Schauspielerin vermeiden? Meistens bekomme ich erst ein Drehbuch, und was ich dort lese, ist häufig ausschlaggebend. Wenn ich dann die Leute treffe und das Gefühl habe, dass das irgendwie passt und mich interessiert, dann mache ich es meistens. Oft liege ich damit richtig, manchmal nicht. Aber selbst, wenn die Chemie mal nicht stimmt, lerne ich dabei irgendetwas und nehme Erfahrungen mit. Das ist das Wichtigste, denn Spielen heisst für mich lebenslanges Lernen.

Brennst du heute noch genauso für die Schauspielerei wie während deines Studiums in Ludwigsburg und Zürich? Meine Leidenschaft für diesen Beruf ist sogar eher gewachsen. Damals hatte ich wahnsinnig viele Illusionen. Als ich anfing, dachte ich, dass man immer die Hauptrolle spielt, was sich allerdings schon während des Studiums als falsch erwies. Damals hat es mich frustriert, immer wieder in Rollen gepackt zu werden, von denen die Leute dachten, dass man automatisch reinpasst, wenn man nicht blond und weiss ist. Da drohte mir, die Lust an der Schauspielerei zu vergehen.

Aber jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich dankbar für meinen Beruf bin und dafür, was er bedeuten kann. Das klingt jetzt vielleicht pathetisch, aber ich bin voller Demut, weil ich weiss, wie schwer sich viele Menschen mit ihrer Arbeit tun, während ich meiner wirklich gerne nachgehe. Für mich ist es das grösste Geschenk, dafür bezahlt zu werden, Gefühle zu fühlen und verschiedene Seiten von mir zu zeigen. An diesen Punkt zu kommen hat gedauert, weil ich anfangs verstehen musste, dass all die Projektionen, die auf mich geworfen wurden, nicht unbedingt etwas mit mir zu tun haben.

In einem anderen Interview klang kürzlich durch, dass du den Eindruck hast, dass sich in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft aktuell vieles zum Besseren wendet. Trägt das zur Steigerung deiner Leidenschaft bei, dass die Rollenangebote vielfältiger und weniger eindimensional sind? Natürlich. Und genauso die vielen beglückenden Arbeitserfahrungen, die ich machen durfte. Aber es ist schwierig zu sagen, dass alles besser oder schlechter wird. Für alle, die das eine sagen, findet man genauso viele, die das Gegenteil behaupten. Ausserdem steckt in dem «es wird besser»-Narrativ die Gefahr, dass alles unterkomplex dargestellt wird und man sich mit zu wenig zufrieden gibt.

So nach dem Motto: Jetzt haben wir eine lesbische Serie, also können wir danach wieder 50 Hetero-Serien machen. Aber so funktioniert Veränderung nicht. Trotzdem glaube ich, dass es einen Wandel darin gibt, wer in den Entscheidungspositionen sitzt. Da tut sich etwas, aber es ist noch viel Luft nach oben.

Unterstütze LGBTIQ-Journalismus

Unsere Inhalte sind für dich gemacht, aber wir sind auf deinen Support angewiesen. Mit einem Abo erhältst du Zugang zu allen Artikeln – und hilfst uns dabei, weiterhin unabhängige Berichterstattung zu liefern. Werde jetzt Teil der MANNSCHAFT!

Das könnte dich auch interessieren