Wien feiert Pride als «Fensterlparade» – FPÖ stänkert
Auch der Bundespräsident und Österreichs Justizministerin feiern die Vielfalt
Der zweite Samstag im Juni ist für Österreichs LGBTIQ-Community der höchste Feiertag. Hunderttausende Menschen feiern dann normalerweise mit bunten und schrillen Outfits die Regenbogenparade. Doch in diesem Jahr konnte die Parade wegen Corona nicht in der üblichen Form abgehalten werden. Trotzdem hat sich die Community für den 13. Juni etwas Besonderes einfallen lassen. Über die Fensterlparade berichtet Christian Höller.
Normalerweise verwandelt sich die Wiener Ringstrasse, an der sich die wichtigsten historischen Gebäude des Landes befinden, während der Regenbogen-Parade für mehrere Stunden in eine grosse Partymeile. Alleine im Vorjahr haben 500.000 Menschen teilgenommen – so viel wie noch nie zu vor. Praktisch alle LGBTIQ-Organisationen in Österreich sind auf der Parade mit einem eigenen Wagen oder als Fusstruppe vertreten. Auch viele Menschen aus dem benachbarten Tschechien, der Slowakei und Ungarn kommen an diesem Tag nach Wien. Doch in diesem Jahr ist wegen Corona alles anders.
Doch Österreichs LGBTIQ-Community liess sich nicht entmutigen. Weil grosse Menschenansammlungen nach wie vor nicht erlaubt sind, hatten die Veranstalter*innen eine Idee: Sie rufen zur Fensterlparade auf. Alle Menschen in Wien, die ein Zeichen gegen Homophobie setzen wollen, sind an diesem Samstag eingeladen, ihre Fenster und Balkone ab 14 Uhr mit bunten Regenbogenfahnen zu schmücken. Nach dem Motto «Das Private ist politisch» sollen sie zu Hause, auf dem Balkon, auf der Terrasse oder im Garten das Tanzbein schwingen.
Der Radiosender FM4, der Jugendkultursender des Österreichischen Rundfunks, liefert zur Fensterlparade ab 14 Uhr die passende Musik. «Verschönere dein Fensterl, tanz auf deinem Balkon! Motiviere auch deine Freund*innen und Nachbar*innen zum Mitmachen. Mach dich bemerkbar – sofern du dich wohl damit fühlst», so der Aufruf der Organisator*innen vom Verein Sisters.
Während der Paradenzeit fahren LGBTIQ-Menschen in Kleingruppen mit auf Lastenrädern angebrachten Musikboxen durch die Stadt, um für die entsprechende Beschallung zu sorgen. Nach Wochen der Isolation in der Corona-Krise will sich Österreichs LGBTIQ-Community damit die Sichtbarkeit im öffentlichen Raum zurückholen.
Die Vorbereitungen für die ungewöhnliche Aktion laufen in Österreich seit Wochen auf Hochtouren. Interessierte Menschen konnten bis zu fünf Regenbogenfahnen, die eigens für diese Parade designt wurden, bestellen. In einigen Wiener Geschäften, Cafés und Restaurants sind die Fahnen ebenfalls erhältlich – und sie wurden von LGBTIQ-Menschen auf öffentlichen Plätzen verteilt. Als positives Vorbild ging Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) voran. Dieser dekorierte gemeinsam mit Antidiskriminierungsstadtrat Jürgen Czernohorszky schon am Freitag den Balkon seines Büros. «Ich ermutige alle Wiener und Wienerinnen dazu, bei dieser grossartigen Aktion mitzumachen», so der Bürgermeister.
Der Wiener Rathausplatz, wo in den vergangenen Jahren die Abschlusskundgebungen der traditionellen Paraden abgehalten wurden, verwandelt sich auch in diesem Jahr in einen Regenbogenplatz. Auf dem Platz wurden riesige Regenbogenmotive, die sich als Fotomotive eignen, platziert. Auf Hinweisschildern wird für die nächste reguläre Parade im Juni 2021 eingeladen.
Wien will mit dem Projekt signalisieren, dass Österreichs Hauptstadt auch in Krisenzeiten eine weltoffene Stadt bleibt und für alle Menschen ein zu Hause sein soll, egal woher sie kommen und egal wen sie lieben.
Sogar Bundespräsident Alexander van der Bellen machte mit.
Vor vielen öffentlichen Gebäude wie den Universitäten wehen ebenfalls Regenbogenfahnen. Organisationen wie die Österreichische Gewerkschaft vida machen auch mit bei der Fensterlparade.
Doch nicht allen gefällt die Idee. Gemeinderat Leo Kohlbauer von der rechtsgerichteten FPÖ warf einige Regenbogenfahnen demonstrativ in den Mistkübel und postete davon ein Video in den Sozialen Netzwerken. Andere politische Parteien verurteilten diese homophobe und menschenverachtende Aktion.
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