Wegen Affenpocken – Madrid schliesst Schwulensauna
Grossbritannien hat Pocken-Impfstoff eingekauft
Mit einem ersten in München bestätigten Fall haben die Affenpocken nun auch Deutschland erreicht, weitere Länder melden Infektionen. Wegen der langen Inkubationszeit sei mit einer weiteren Zunahme zu rechnen, sagt ein Experte. In Madrid wurde eine Schwulensauna geschlossen.
In Spanien sind nach Angaben der Gesundheitsbehörden inzwischen 30 Fälle bestätigt. Zudem gebe es mindestens weitere 23 Verdachtsfälle, berichteten mehrere Medien übereinstimmend. Als einen möglichen Ansteckungsort hätten die Behörden in Madrid eine Sauna identifiziert, die vor allem von jungen Männern und auch vielen Nicht-Spaniern frequentiert worden sei, berichteten der staatliche TV-Sender RTVE sowie andere Medien. Diese Sauna sei am Freitagnachmittag von den Behörden geschlossen worden. Aus Portugal wurden 23 Fälle bestätigt, wie die dortige Zeitung Público berichtete. In Frankreich ist Behördenangaben zufolge ein 29-Jähriger im Grossraum Paris betroffen, der zuvor nicht in ein Land gereist war, in dem das Virus zirkuliert.
In Australien wurde der Erreger bei einem etwa 30 Jahre alten Mann bestätigt, der kürzlich aus Grossbritannien zurückgekehrt war, wie es von der zuständigen Gesundheitsbehörde hiess. In Grossbritannien stieg die Zahl erfasster Fälle unterdessen von 9 auf 20, wie der britische Gesundheitsminister Sajid Javid am Freitag mitteilte. Das Land hat Pocken-Impfstoff eingekauft – wie viel und wer damit geimpft werden soll, blieb zunächst unklar.
Erstmals ist auch in Deutschland ein Fall von Affenpocken bestätigt worden (MANNSCHAFT berichtete). Betroffen sei ein aus Brasilien stammender 26-Jähriger, der von Portugal über Spanien nach München gereist sei, teilte das bayerische Gesundheitsministerium am Freitag mit. Seit etwa einer Woche ist er demnach in der bayerischen Landeshauptstadt, zuvor war er schon in Düsseldorf und Frankfurt am Main. Es ist der erste jemals in Deutschland erfasste Fall von Affenpocken, zuvor wurde das Virus nach Angaben des Robert Koch-Instituts hierzulande noch nie nachgewiesen.
Der 26-Jährige habe sich «sehr verantwortungsbewusst direkt nach Symptombeginn in medizinische Betreuung begeben, um andere vor einer Infektion zu schützen», sagte Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie der München Klinik Schwabing. Er habe mit leichten Schluckstörungen und erhöhter Temperatur nur geringfügige Symptome und brauche noch keine speziellen Medikamente. Der Patient werde weiter im Krankenhaus bleiben, da von einer drei bis vier Wochen andauernden Infektiosität ausgegangen werde.
Gesundheitsbehörden zufolge verursacht das Virus meist nur milde Symptome, kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen. In Einzelfällen sind tödliche Erkrankungen möglich. Übertragen wird das Virus vor allem über direkten Kontakt oder Kontakt zu kontaminierten Materialien, auch eine – wohl sehr seltene – Übertragung über Tröpfchen in der Luft ist auf kürzere Distanzen möglich.
«Es war nur eine Frage der Zeit, bis Affenpocken auch in Deutschland nachgewiesen werden», teilte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu dem Fall mit. Durch die Meldungen aus anderen Ländern seien Ärzte und Patienten in Deutschland sensibilisiert. Er gehe nicht davon aus, dass es in Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt eine grosse Dunkelziffer gebe, sagte er.
«Aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse gehen wir davon aus, dass das Virus nicht so leicht übertragbar ist und dass dieser Ausbruch eingegrenzt werden kann», erklärte Lauterbach zudem. Von dem Erreger gebe es zwei Varianten – vorerst sei davon auszugehen, dass aktuell die weniger schwere Verläufe verusachende westafrikanische Variante kursiere, nicht die Kongo-Variante. Das Virus werde zur Klärung genauer analysiert.
Der Charité-Infektiologe Leif Sander sieht mit den inzwischen deutlich über 100 Fällen weltweit, in denen der Verdacht auf Affenpocken vorliege oder bereits bestätigt sei, eine ungewöhnlich dynamische Situation. «Bei der langen Inkubationszeit rechne ich mit einer weiteren deutlichen Zunahme der Fälle», schrieb er bei Twitter. Zu beachten sei dabei, dass Affenpocken nicht so ansteckend seien, dass mit einer breitflächigen Ausbreitung wie bei Corona zu rechnen sei. «Es ist sehr ernst zu nehmen, aber wir sind vorbereitet.»
Mit der zu beobachtenden Häufung handle es sich bereits um eine Epidemie – es sei jedoch «sehr unwahrscheinlich, dass diese Epidemie lange dauern wird», sagte Fabian Leendertz, Gründungsdirektor des Helmholtz Instituts für One Health (HIOH) in Greifswald und Leiter der Projektgruppe Epidemiologie hochpathogener Erreger am Robert Koch-Institut (RKI). Die Fälle seien über Kontaktverfolgung gut einzugrenzen und es gebe Medikamente sowie wirksame Impfstoffe, die eingesetzt werden könnten.
Dringend nötig seien mehr Daten, um verstehen zu können, ob und wie die erfassten Fälle zusammenhängen, so Leendertz. Wichtig sei auch die Entzifferung des Erbguts von Virenmaterial aus Proben von Betroffenen, um zu prüfen, ob sich der Erreger verändert hat – etwa in Richtung besserer Übertragbarkeit.
Derzeit werden in immer mehr Ländern Fälle der eigentlich selten auftretenden Affenpocken nachgewiesen. Am Freitag meldete auch Frankreich einen ersten Fall, zudem wurde das Virus in den USA, Kanada, und in Australien und damit weiteren Weltregionen entdeckt. In welchem Umfang sich der aus Afrika stammende Erreger bereits international verbreitet hat, ist offen. Er gehe bei der Vielzahl von Fällen davon aus, dass das Virus schon seit einer Weile unbemerkt im Umlauf war, sagte der Mediziner Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft. STI steht für sexuell übertragbare Infektionen.
Kliniken und Bevölkerung müssen für die Symptome sensibilisiert werden.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte zu einer rigorosen Nachverfolgung aller Kontakte von Betroffenen aufgerufen. Kliniken und Bevölkerung müssten für die Symptome sensibilisiert werden. Ein Grossteil oder womöglich sogar alle Fälle bisher betreffen Männer, vielfach hatten sie den Angaben zufolge sexuelle Kontakte zu Männern (MSM)
Am stärksten gefährdet für eine Ansteckung sind Brockmeyer zufolge Menschen, die sexuelle Kontakte zu vielen verschiedenen Menschen haben. Die Deutsche Aidshilfe warnte angesichts der Fälle bei schwulen Männern vor falschen Schlussfolgerungen und Stigmatisierung. «Natürlich gibt es bei den Affenpocken oberflächliche Ähnlichkeiten zu HIV damals – es ist wieder eine Erkrankung aus Afrika, die auch schwule Männer betrifft. Aber in vielen anderen Punkten passt der Vergleich nicht», sagte AIDS-Hilfe-Sprecher Holger Wicht (MANNSCHAFT berichtete).
Das Virus, das die Affenpocken auslöst, sei im Unterschied zu HIV in den 80er Jahren länger bekannt, zudem heile die Erkrankung von selbst aus. «Uns ist sehr wichtig, dass hier nicht Panik und unangemessene Ängste entstehen.» Es gebe bei der Einschätzung der Krankheitsschwere noch Ungewissheiten – etwa darüber, wie gut Immungeschwächte – dazu können zum Beispiel auch langjährig unbehandelte HIV-Infizierte zählen – die Erkrankung verkraften.
Die Krankheit trägt den Namen Affenpocken, nachdem der Erreger 1958 erstmals bei Affen in einem dänischen Labor nachgewiesen wurde. Fachleute vermuten, dass das Virus eigentlich in Hörnchen und Nagetieren zirkuliert, Affen und Menschen gelten als sogenannte Fehlwirte.
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