«Warum kriegt Armistead Maupin all die schwulen Männer?»
US-Bestsellerautor Davis Sedaris über schwule und lesbische Fans sowie über Nichtwähler
David Sedaris war gerade mit seinem neuen Buch «Calypso» auf Lesetour in der Schweiz und in Deutschland. Wir sprachen mit ihm über die Eheöffnung, seine schwul-lesbischen Fans und die anstehenden Kongresswahlen.
Mister Sedaris, Sie schreiben viel über Ihre Familie, aber auch über Hugh, den Mann an Ihrer Seite, und über Freunde. Beschweren die sich manchmal, wenn wieder eine Anekdote in einer Ihrer Geschichten gelandet ist? Nein, sie beschweren sich eher darüber, dass sie nicht vorkommen: Ich war doch auch da an dem Abend, über den du schreibst! Ich sage dann: Ja, du warst dabei, aber du hast nichts beigetragen, das lustig oder irgendwie erinnernswert war. Es ist dann wieder ein Name zusätzlich, den sich der Leser merken muss, aber ganz umsonst, weil er ja nichts zur Sache tut. Grundsätzlich habe ich auch ein recht gutes Gespür dafür, was für die Leute okay ist oder was sie lieber nicht in einem Buch über sich lesen wollen.
Sie nehmen sich immer viel Zeit für Ihre Fans und signieren stundenlang Bücher. Was war das längste bisher? Das längste war mal in einem Theater, mit fünfeinhalb Stunden. Das längste in einem Buchladen waren zehneinhalb Stunden. Ich komme nach der Lesung aus der Garderobe und da stehen sie schon Schlange. Ich bevorzuge dann gerne einzelne Leute und sage: Du darfst mit vorne kommen! Oft höre ich von ihnen: Ich werde nie irgendwo bevorzugt! Es ist nie niemand Attraktives. Gut aussehende Leute werden ja ständig irgendwo bevorzugt. Früher sagte ich auch, Raucher dürfen sich ganz vorne anstellen. Dann gingen die Leute raus, kauften Zigaretten, die aber gar keine Raucher waren. Das war zu einfach. Also sage ich heute: Komm nach vorne, wenn du ein Mann bist, der wie ich 1,65 groß ist, oder eine Frau mit Spange.
Sie sind nicht unglücklich über Ihre Grösse. Für Heteromänner sei es ein grösseres Drama, klein zu sein, als für Schwule, behaupten Sie. Es gibt unter Schwulen sehr viele, die auf kleine Männer stehen. Für Frauen ist es schwer. Sie suchen jemanden, der grösser ist oder ähnlich gross. Ich glaube nicht, dass Hugh zwingend jemanden suchte, der kleiner ist. Aber er wünscht sich nicht, dass ich grösser wäre.
Sie haben Hugh 18 Anträge gemacht, aber er will partout nicht heiraten. Ich auch nicht! Ich will nicht sagen: «Das ist mein Ehemann.» Das hört sich so an, als wäre ich die Ehefrau. Ich will aber auch nicht sagen: «Er ist mein Gatte.» «Mein Partner» will ich aber auch nicht sagen. Es ist noch kein guter Begriff dafür gefunden worden, keiner der mir gefällt.
Welchen benutzen Sie denn? Boyfriend …. dann sagen die Leute allerdings, ich sei zu alt dafür, einen Boyfriend zu haben. Ich sage dann: «Nein, bin ich nicht.» Natürlich ist er kein Boy mehr, aber es ist das beste Worte, das mir einfällt. Es ist auch ein bisschen subversiv. Ich war in einer Fernsehsendung und der Moderator fragte: «Wo ist Ihr Ehemann?» – «Wir sind nicht verheiratet.» – «Oh, wo ist Ihr Partner?» – «Er ist mein Boyfriend.» – «Oh.» Es klingt so sexuell, wie Partner und Ehemann es nicht tun.
Ich habe kürzlich was für den Guardian geschrieben. Sie wollten unbedingt aus dem Wort «Boyfriend» «Partner» machen. Ich sagte: «Nein, er ist mein Boyfriend.» Es ist meine Beziehung und ich nenne ihn so, wie ich es möchte.» Wenn Menschen heute wählen können, ob man sie als «sie» oder «er» bezeichnet, dann kann ich doch ganz bestimmt das Wort «Boyfriend» benutzen.
Sie lästern in «Calypso» über die Ehe und äussern Unverständnis dafür, ass Schwule unbedingt heiraten wollen. Finden Ihre schwulen Leser diesen Part lustig oder hat sich da mal jemand beschwert? Nein. Es ist doch so: Selbst wenn du total homophob bist, musst du doch zugeben: Das Gute an Homosexuellen ist: Sie zwingen dich nicht zu ihrer Hochzeit zu gehen. Übrigens ist es so: Wenn ich in einem Theater lese vor, sagen wir, 2000 Leuten, dann sitzen da vielleicht 20 schwule Zuschauer, aber 300 Lesben!
Worauf führen Sie das zurück? Vermutlich weil ich nicht über Sex schreibe. Ich war mal bei einer Lesung von Armistead Maupin in London, und da waren eine Menge schwuler Männer, und ich dachte: Warum kriegt er all die schwulen Männer? Ich glaube, es liegt am Sex. Und ich glaube auch, Schwule mögen richtig böse Frauen.
Und Sie glauben, Sie sind nicht bösartig genug? Nein, ich meinte böse Frauen.
Schon klar. Aber vielleicht ist das auch etwas, dass Schwule an Männern mit bösem Humor nicht mögen, weil sie sich darin wiedererkennen? Hm, ja, vielleicht.
Ist nur so eine Idee. Es ist aber wirklich so, dass immer alle glauben, ich hätte eine riesige schwule Fangemeinde. Tatsächlich glaube ich, dass Schwule in ihrem Adressbuch etliche schwule böse Männer haben, die so lustig sind wie ich oder lustiger. Die finden mich vielleicht nicht so lustig, weil sie schon lustige Freunde haben. Während lesbische Frauen … (er fängt an zu kichern) lesbische Frauen und Heteros haben vielleicht nicht so viele lustige Freunde. (lacht sehr laut).
Sie sprechen ziemlich viele Sprachen, auch Deutsch. Woher kommt das? Von meiner «Sprechen Sie Deutsch»-CD! (Macht unbeirrt auf Deutsch weiter.) «Guten Morgen, Frau Meier! Möchten Sie etwas trinken? Wo möchten Sie etwas trinken? Haben Sie Kinder? Wie viele Kinder haben Sie?» In Berlin hatte ich einen Taxifahrer, und wir haben uns unterhalten. Und er lachte über meine Fragen und meinte, ich könne das Leute nicht fragen!
Was haben Sie ihn denn gefragt? «Haben Sie Geld? Wie viel Geld haben Sie? Wo ist Ihr Mann, Frau Meier?» Ich mache das auch immer bei den Lesungen, die Leute brüllen vor Lachen. Ich wollte das gar nicht lernen, aber es ist eben auf diesen CDs.
Und die hören Sie, wenn Sie von Lesung zu Lesung reisen? Ja. Ich mag es, im Hotel zur Rezeption zu gehen und zu sagen (wieder auf Deutsch) «Ich bin angekommen. Wir bleiben hier heute Abend.» Es macht Spass. Ich habe das mit Schwedisch, Griechisch, Polnisch, Japanisch, Rumänisch und Norwegisch gemacht. Es kommt gut auf Partys an. Die Leute legen den Kopf schief und machen: «Ohhh. Wirklich? Sie sprechen Norwegisch? Wie süss!»
In den USA stehen Wahlen zum Kongress an, nun leben Sie aber in England … Aber ich habe schon gewählt! Ich habe Briefwahl gemacht. Ich habe mich aber umgemeldet. Früher lebte ich in New York, aber New York ist ein demokratisches Bundesland, es braucht meine Stimme nicht. Ich habe ja ein Strandhaus in North Carolina, und dort habe ich jetzt mein Wohnsitz. [North Carolina ist Teil des Bible Belts und hat eine starke konservativ-republikanische Wählerschaft, Anm d Red]. Ich war total nervös, dass ich meine Stimme auch wirklich rechtzeitig abgebe. Ich hätte es mir nicht verzeihen können, wenn meine Stimme verloren geht, auch bei der Wahl vorher. Ich habe kein Verständnis für Menschen, die nicht wählen.
Sie wählen demokratisch und haben für Clintons Kampagne Geld gespendet. Und dann schrieb man Ihnen: Danke, aber wir hätten gern mehr! Und all die vielen Anrufe von den Kampagnenleuten: Hey, könnten Sie noch mehr geben? Ich meine, ich habe 1000 Dollar gespendet. Die wissen doch gar nicht, wie viel Geld ich habe!
Spenden Sie trotzdem wieder? Ja. Ich habe den Demokraten in North Carolina Geld gespendet, und das geht leider nicht, ohne sich mit einer Mailadresse zu registrieren. Ich gebe das Geld jetzt immer einer meiner Schwestern, damit sie es spendet. Und jetzt kriegt sie all die lästigen Anrufe (lacht).
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