Warum der TikTok-Trend «superstraight» superblöd und Hass pur ist
Wie heterosexuelle cis Männer sich und anderen ihre Transphobie schönreden
Was sind das für Männer, die erzählen, dass sie niemals eine trans Frau daten würden? Sie nennen sich «superstraight». Warum das sehr wohl transphob ist, erkärt unser Autor in seinem Samstagskommentar*.
Manchmal, wenn ich super crazy drauf bin, stelle ich mir eine Welt vor, in der die meisten Leute queer sind. Eine Welt, in der es auf jedem Schulhof, in jeder U-Bahn, an jeder Ampel ganz normal ist, queer zu sein – allein schon weil sie (also: weil wir) in der Überzahl wären. Natürlich gäbe es in einer solchen Welt trotzdem ein paar wenige Heteros. Und weil Queers im echten Leben meist nicht besser als Heteros sind, hätten diese Heteros es ziemlich schwer in dieser meiner Gedankenspielwelt. Sie würden Worte zu hören bekommen wie «Dreckshete» und «F****f***er».
Weil ich mich für einen empathischen Menschen halte, dem Gerechtigkeit am Herzen liegt, stelle ich mir vor, dass ich in einer solchen Welt ein paar hetero Freund*innen hätte und mit ihnen zum Hetero Pride Day gehen würde, um für gleiche Rechte für Heterosexuelle zu demonstrieren. Ja, ganz schön crazy, ich weiss. In den letzten Tagen konnte einem allerdings auch ausserhalb meines kleinen Kopfes wieder schwindelig werden bei der Frage, wer hier eigentlich Mehr- und wer Minderheit ist; und wen es vor wem zu schützen gilt.
In kommerziellen Social Media wie TikTok macht ein neuer Begriff die Runde: superstraight, also quasi superhetero. Was hetero ist, hab ich, glaub ich, ungefähr verstanden im Lauf der Jahre. Aber superstraight, was soll das sein? Nun, als superstraight bezeichnen sich neuerdings Männer, die von sich sagen, dass sie auf Frauen, aber nicht auf trans Frauen stehen.
Mein erster Impuls war: Ja, warum eigentlich nicht? Denn rein logisch würde das ja bedeuten, dass man standardmässig davon ausgeht: Hetero Männer begehren Frauen, also auch trans Frauen. Und nur diese eher speziellen, sozusagen nicht ganz normalen Heteros, die super-straight sind, denen fehlt halt was, denn sie begehren keine trans Frauen. Das ergibt ja gewissermassen Sinn, auf den ersten Blick.
Wenn man sich dann aber genauer anschaut, was die Superstraight-Community will, dann wird das abenteuerlich bis halsbrecherisch. Selbst wenn man für einen Moment den Fakt auszublenden versucht, dass auf Foren wie 4chan schon Superstraight-Logos aufgetaucht sind mit einem Nazi-Runen-stilisierten «SS» (traditionell Emblem von Hitlers Schutzstaffel), stellt sich die Frage: Was bezwecken die mit diesem neuen Begriff?
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Erfunden haben will ihn (soweit sich das im weitverzweigten Netz noch wasserdicht sagen lässt) ein Typ, der sich Kyleroyce nennt und in einem viralen TikTok-Video postulierte: «Ich hab eine neue Sexualität erfunden. Hetero Männer nennt man transphob, weil … ich würde keine trans Frau daten. Also bin ich superstraight. Ich date nur das andere Geschlecht, also Frauen, die als Frauen geboren wurden. Also könnt ihr nicht mehr sagen, dass ich transphob bin – denn das ist einfach meine Sexualität.»
Huh, was ist davon zu halten? Ich glaube, man wird als schwuler oder lesbischer Mensch schnell so weit mitgehen müssen, dass Begehren kaum steuerbar ist. (Alles andere würde bedeuten, dass man uns «wieder hetero» machen könnte, wie Anhänger*innen so genannter «Konversionstherapien» es behaupten und fordern.) Das hatte auch tatsächlich schon zur Folge, dass sich nun auch ein paar schwule Männer als supergay bezeichnen, im Sinne von: Männer, die auf Männer, aber nicht auf trans Männer stehen.
Das Perfide an dem Vorgang ist ja Folgendes: Diese Leute, gleich ob super-straight oder super-gay, nehmen für sich einerseits einen gewissen Schutzstatus einer Minderheit in Anspruch – um im selben Atemzug trans Menschen auszuschliessen – eben die Minderheit,die nach wie vor unter Beschuss steht wie kaum eine andere. Natürlich kann (und will) dich niemand zwingen, dass du auf Menschen mit blauen Augen oder Blutgruppe B oder eben auf trans Menschen stehst – aber warum sollte man das eigentlich so kategorisch und allgültig ausschliessen? Aber okay, selbst wenn man es für sich kategorisch ausschliesst: Warum ist das etwa, was man im Sinne einer politisch organisierten Community nach aussen tragen müsste? Das geht dann nämlich sogar noch weiter als Menschen, die in ihr Grindr-Profil schreiben, dass bestimmte Hautfarben bei ihnen unerwünscht seien. Und auch hier stellt sich schon die Frage: Warum ist das der eine Satz, den du die Dating-Welt über dich wissen lassen willst?
Kyleroyce gibt offen zu, er habe den Begriff «superstraight» erfunden, um Beschuldigungen auszuhebeln, er sei transphob. Was für ein Manöver! Wenn man sich das Video reinzieht, spürt man, mit welcher Dreistigkeit er das vorträgt. Er tut so als sei er das Opfer. «Superstraight» suggeriert vom Begriff her, hier handle es sich um eine Minderheit, die besonderen Schutz benötige, vor den trans Menschen und ihren bösen politisch korrekten Allies. Dabei lassen Leute wir Kyleroyce unter den Tisch fallen, dass sie da eigentlich eine weitverbreitetet herrschende Einstellung vertreten bei ihrem kategorischen Ausschluss von trans Menschen.
Zudem, was heisst super? Super suggeriert: am besten. Wer superstraight ist, ist in dieser schlimmen Logik quasi die Perfektion von hetero. Reinrassig hetero. Ich (aus meiner Perspektive als cis Mann heraus) glaube, dass es Menschen geben kann, die keine trans Menschen begehren – ohne dabei transfeindlich zu sein. Ich glaube, dass das sein kann. Ich glaube aber auch, dass jeder Mensch, der sich aufs T-Shirt schreibt «Ich begehre keine trans Menschen», durchaus sehr transfeindlich ist. Und was sonst soll dieses offensiv als defensiv getarnte «Ich bin superstraight» sein – wenn nicht ein solches digitales Hass-Shirt?
*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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