Vier neue Stolpersteine für schwule NS-Opfer in Bochum
Erstmals im gesamten Projekt
Das hat es bisher im gesamten Stolpersteinprojekt noch nicht gegeben. In Bochum wurden zwei neue Stolpersteine für Homosexuelle verlegt – durch zwei weitere, bereits bestehende Steine wird damit erstmals an eine schwule Gemeinschaft erinnert.
Meist liegen sie vereinzelt, selten sorgen mehrere Stolpersteine an einem Ort für Aufmerksamkeit. Und wenn doch, handelt es sich oftmals um die Würdigung mehrerer Angehöriger einer jüdischen Familie. Stolpersteine für Homosexuelle gibt es hingegen nur selten, in der Regel liegen sie vereinzelt (MANNSCHAFT berichtete). Das ist allein schon dem Fakt geschuldet, dass sich in der NS-Zeit nur wenige von ihnen trauten, gemeinsam in einem Haus oder gar in einer Wohnung zu leben. Die staatlichen Repressionen hatten oftmals eine Isolation zur Folge.
Unter den aktuell existierenden mehr als 80.000 Steinen wurde nun jedoch durch das Hinzufügen zweier neuer Stolpersteine erstmals eine Gemeinschaft von vier Männern gewürdigt, die von den Nationalsozialisten als Homosexuelle verfolgt beziehungsweise nach § 175 wegen gleichgeschlechtlicher sexueller Kontakte verurteilt wurden.
Am 14. Juni 2022 wurden in der Bochumer Kronenstrasse in Höhe der Hausnummer 41 in Höhe des Cafés Mascha zwei neue Stolpersteine für Fritz Goltermann und Willi Schlüter verlegt, bereits im Vorjahr wurden Gerhard Krebs und Theodor Brockmann gewürdigt (MANNSCHAFT berichtete). Während Goltermann und Schlüter die NS-Verfolgung überlebten, starb Krebs im Gefängnis während der Haftverbüssung, die Akten sprechen von Selbstmord. Das weitere Schicksal nach der Gefängnishaft von Brockmann ist bisher unbekannt.
«Es handelt sich um ein auf Irrwege geleitetes Triebleben, dessen Auswüchse der neue Staat aus Gründen des Volkswohls mit Stumpf und Stiel ausrotten will und muss», hiess es, nachdem der Reichsbahnmitarbeiter und Musiker Fritz Goltermann (27 Jahre) und der Büroangestellte Willi Schlüter (19 Jahre) am 1. Februar 1937 wegen gemeinsamer Onanie vom Bochumer Landgericht auf der Grundlage des §175 zu 15 Monaten bzw. 6 Monaten Gefängnis verurteilt wurden in einer örtlichen Zeitung.
Zur «Ausrottung» von Goltermann und Schlüter kam es nicht – der Ältere wurde zwar nach der vollen Haftverbüssung weiter von der Gestapo überwacht, überlebte aber den Krieg und die NS-Verfolgung in Österreich in Zell am Ziller. Seine mehr als zehnjährige Odyssee nach der Haftentlassung kam indes erst 1948 in Pfullingen bei Reutlingen in Baden-Württemberg zu einem Ende, wo Goltermann bis zu seinem Tod ansässig war. Er starb 1985.
Der Jüngere, Willi Schlüter, verpflichtete sich zum «Reichsarbeitsdienst» und zwölf Jahren bei der Wehrmacht, überlebte als Soldat sechs Jahre Kriegshandlungen. Wie Goltermann heiratete Schlüter in der Nachkriegszeit. Er starb im Alter von 91 Jahren im Jahr 2008 in Münster.
Nach Bochum kehrten beide Männer nicht zurück. Grosse Teile der Innenstadt und die Wohnung in der Kronenstrasse, in der beide kurzzeitig 1936 gemeinsam gewohnt hatten, wurden 1944 durch Bomben völlig zerstört.
Mehr zu den Schicksalen der vier Männer kann auf Stolpersteine-Homosexuelle.de nachgelesen werden.
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