Titten, Tweets und Tattoos – Die Blattkritik von Frank Richter
Der Comedian hat die «Bravo» gelesen
Frank Richter durchforstet die Medienlandschaft nach den wahren Perlen unter den Zeitschriften. Seine satirische Analyse erschien jeweils in der Printausgabe von Mannschaft Magazin.
Es gab mal eine Zeit vor dem Internet. Wenn man damals nackte Menschen sehen wollte, gab es zwei Möglichkeiten. Erstens: Man ging zum Kiosk und kaufte eine Bravo. Zweitens: Man ging zum Kiosk und klaute eine Bravo. Mittlerweile gibt es das Smartphone. Erogene Zonen können zu jeder Tages- und Nachtzeit auf dem Handy begutachtet werden, auch die eigenen. Die Bravo existiert allerdings immer noch. Zu Recht?
Jein. Und zwar aus folgenden Gründen. Während meiner Jugend wirkte die Bravo ein Stück weit aufklärerisch. Ist mit meinem Körper alles normal? Wie geht Petting? Und nach wie vielen Litern Sperma im Wasser des Thermalbads wird meine Freundin schwanger? Diese Fragen beantwortete das Teeniemagazin charmant und professionell. Heute reicht eine Googlesuche, um alle drängenden Fragen zum Thema Sexualität zu beantworten. Alternativ auch ein Besuch auf Youporn.
«Die Bravo existiert immer noch. Zu Recht? – Jein!»
Hinzu kommt: Früher war die Bravo mein direkter Draht zu den Stars. Das Magazin punktete mit Insiderwissen, verschaffte mir Einblicke in den Alltag der Prominenten. Heute hat jeder Promi einen eigenen Instagram-, Snapchat- oder Twitter-Account. Ich werde mit Informationen aus dem Leben der Stars und Sternchen auf allen Kanälen zugeschissen. Während die Bravo früher vermeintlich private Momente mit meinem Lieblingspromi inszenierte, bildet sie diese heute nur noch ab. Auf einem Stück Papier, zwei Wochen nachdem das Ganze auf Instagram bereits stattfand.
Generell wirkt die Bravo 2016 ein Stück weit wie YouTube in gedruckter Form. Ein Grossteil des Inhalts wird aus den sozialen Medien abgefischt. Waren früher Boygroups der heisse Scheiss, sind es heute die Stars von YouTube. YouTuber KsFreak und Krappi (keine Angst, ich wusste auch nicht, wer die sind) erzählen im Interview von ihrer Freundschaft und geben Weisheiten wie «Bros before Hoes» von sich. Die Girlgroup Little Mix (jep, auch die kannte ich nicht) beantwortet Fragen der Instagram-User. Und im Beautyteil wird erklärt, wie man sich wie YouTuberin Shirin schminkt. Tipps, die sich die Bravo wohl auch bei jeder Dragqueen hätte holen können, wenn man sich Shirins bemalte Visage so anschaut.
Spass machen allerdings die Klassiker von früher. Die Fotolovestory existiert noch. In der Heftmitte gibts massenhaft Poster und weiter hinten kommt der XL-Test «Wie heiss wird dein Sommer?». Obwohl ich glaube, dass mir Jörg Kachelmann wahrscheinlich eher verraten kann, wie heiss mein Sommer wird. Beigelegt sind dem Heft ausserdem 35 trendy Metallic Tatoos. Die sind so schön, dass sich Sängerin Ariana Grande die Dinger gemäss Bravo «sogar in ihr hübsches Gesicht klebt». Apropos hübsch: In der Rubrik Leben wird mir erklärt, wie ich mein «Karma pimpe». Also Omas über die Strasse helfen, mit Hunden Gassi gehen oder im Supermarkt weniger Plastiksäcke einpacken. Ich habe noch einen weiteren Karma-pimp-Tipp entdeckt. Einfach mal die gelesene Bravo im Zug liegen lassen.
Kaufempfehlung für …
Menschen um die vierzehn, Personen, die nicht gern mehr als vier Zeilen am Stück lesen, Nostalgiker und Teenies ohne Smartphone. Ab vierzig solltest du ausserdem behaupten, dass das Magazin für deine «Tochter» oder deinen «Sohn» ist.
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